Eine Anordnung, die dem Hundehalter auferlegt, seine Hunde nachts und an Sonn- und Feiertagen im geschlossenen Gebäude zu halten, kann rechtmäßig sein, wenn sie zur Vermeidung erheblicher Lärmbelästigungen der Nachbarn durch häufiges und langanhaltendes Hundegebell dient, so dass Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einer aktuellen Entscheidung.
Ein Hundehalter hatte sich gegen einen behördlichen Bescheid gewandt, mit dem ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben worden ist, seine sowie die von ihm betreuten Hunde an Sonn- und Feiertagen ganztägig, im Übrigen täglich in der Zeit von 22.00 Uhr abends bis 7.00 Uhr morgens mit Ausnahme im Einzelnen geregelter kurzzeitiger Auslaufzeiten im geschlossenen Gebäude zu halten. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage (6 A 77/13) hat das Verwaltungsgericht Lüneburg noch nicht entschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht abgelehnt, die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg blieb ebenfalls erfolglos.
Der Hundehalter trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, dass die rechtliche Einordnung in dem angefochtenen Beschluss zwar noch zutreffen möge, das Verwaltungsgericht aber einen Fall entschieden habe, der von dem Bescheid der Antragsgegnerin nicht erfasst werde. So seien in dem Bescheid lediglich Lärmbelästigungen an zwei Tagen am 13.01.2013 in der Zeit von 7.24 Uhr bis 19.35 Uhr und am 20.01.2013 in der Zeit von 7.55 Uhr bis 13.44 Uhr aufgeführt worden. Angaben zur Intensität der Belästigung (Dezibelangaben) oder zu Belästigungen während der Nacht- oder Mittagszeit fehlten dagegen. Das Verwaltungsgericht habe „auf unglaubliche Art und Weise“ Uhrzeitprotokolle aus Juni und Oktober in das Verfahren eingeführt und den Bescheid um einen Sachverhalt erweitert, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Dadurch habe das Verwaltungsgericht versucht, den offensichtlich rechtswidrigen Bescheid der Antragsgegnerin in einen rechtmäßigen Bescheid umzuwandeln. Gegenstand dieses Verfahrens seien
„2 (!!!) Tage an Hundegebell und eine derart drakonische Maßnahme, dass hier von evidenter, für jeden Jurastudenten im ersten Semester greifbarer Rechtswidrigkeit auszugehen“
sei. Es werde im Übrigen bezweifelt, dass es die Lärmprotokolle gebe. Zudem könne der Lärm auch durch Hunde der Nachbarn verursacht worden sein. Ein Mensch, der auf dem Lande lebe und dessen Hund zweimal gebellt haben solle, dürfe nicht mit derart drakonischen Strafen überzogen werden. In einem ländlichen Gebiet sei Hundegebell grundsätzlich ortsüblich und zu akzeptieren.
Dieses Vorbringen war nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Das Verwaltungsgericht ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nämlich zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 offensichtlich rechtmäßig ist und der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage daher keinen Erfolg haben kann.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, findet der angefochtene Bescheid seine Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 NHundG. Das NHundG enthält spezialgesetzliche Regelungen zur Gefahrenabwehr, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG dem Nds. SOG vorgehen. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 NHundG können die zuständigen Behörden die zur Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen. Dabei überwacht die Gemeinde die Einhaltung der §§ 2 bis 6 und 14 NHundG (§ 17 Abs. 1 Satz 1 NHundG). Nach § 2 NHundG sind Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Für den Gefahrenbegriff ist auf das Nds. SOG zurückzugreifen. Nach § 2 Nr. 1a Nds. SOG liegt eine Gefahr vor, wenn eine Sachlage gegeben ist, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.
Häufiges übermäßig lautes und lang anhaltendes Hundegebell insbesondere zu üblichen Ruhezeiten, d.h. zur Mittags- oder Nachtzeit bzw. an Sonn- und Feiertagen, kann den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob hier eine Ordnungswidrigkeit nach § 11 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit der Antragsgegnerin oder nach § 117 OWiG verwirklicht wird. Dies ist nicht zu beanstanden, da beide Tatbestände erfüllt sind.
Nach § 117 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Bellen der Hunde, die der Antragsteller auf seinem Grundstück hält, eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft im Sinne des § 117 Abs. 1 OWiG darstellt. Belästigungen sind Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens, die noch keine Gesundheitsschäden bewirken. Lautes Hundegebell ist aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche Wohlbefinden eines Menschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind dann erheblich, d.h. nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen. Dabei ist auf die Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie auf den konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission sowie deren Ortsüblichkeit abzustellen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin ihren Bescheid nicht nur auf die Beschwerden von Nachbarn über Hundegebell an zwei Tagen gestützt, wobei es sich hierbei im Übrigen auch nicht um zweimaliges Bellen eines Hundes, sondern um wiederholtes und teilweise ununterbrochenes Gebell von mehreren Hunden an zwei Sonntagen im Januar 2013 in der Zeit von 7.34 Uhr bis 19.35 Uhr (am 13.1.2013) bzw. von 7.55 Uhr bis 13.44 Uhr (am 20.1.2013) gehandelt hat. Vielmehr hat die Antragsgegnerin in der Begründung ihres Bescheides ausdrücklich auf weitere ihr vorliegende Nachbarbeschwerden und Lärmprotokolle hingewiesen. Außerdem wird in dem Bescheid angeführt, dass es bereits im letzten Jahr vielfach Beschwerden über Lärmbelästigungen durch Hunde des Antragstellers gegeben habe und aufgrund dessen am 26.07.2012 ein Ortstermin durchgeführt worden sei, in dem Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmimmissionen vereinbart worden seien. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung daher zu Recht die in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin enthaltenen Beschwerden und Lärmprotokolle der Nachbarn berücksichtigt. Von einer unzulässigen Einführung eines neuen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht kann somit keine Rede sein. Dass der Antragsteller das Vorliegen der Lärmprotokolle bezweifelt, bisher jedoch davon abgesehen hat, Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge zu nehmen, ändert nichts daran, dass deren Inhalt Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Aufgrund der zahlreichen Nachbarbeschwerden und der detaillierten Aufzeichnungen über Lärmbelästigungen durch das Gebell der auf dem Grundstück des Antragstellers gehaltenen Hunde ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht nach summarischer Prüfung von einer über das übliche und zumutbare Maß hinausgehenden Beeinträchtigung der Nachbarschaft ausgegangen ist. So liegen ausweislich der Verwaltungsvorgänge bereits seit April 2012 Beschwerden von Nachbarn über tagsüber und nachts auftretendes lautes Gebell von bis zu sechs Hunden auf dem Grundstück des Antragstellers vor. Die von den Nachbarn aufgestellten Lärmprotokolle vom 02.06.2012, 22.06.2012, 23.06.2012, 02. und 03.07.2012, 15.10.2012, 16.10.2012, 13.01.2013, 19.01.2013 und 20.01.2013 belegen, dass das Bellen nicht nur vereinzelt, sondern häufig in kurzen Zeitabständen und teilweise auch jeweils längere Zeit andauernd aufgetreten ist. Weiter ergibt sich aus den Aufzeichnungen, dass die Hunde auch nachts und in den frühen Morgenstunden sowie sonntags immer wieder gebellt haben. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher der Hunde des Antragstellers wann im Einzelnen gebellt hat. Maßgebend ist, dass es sich jeweils um Gebell von auf dem Grundstück des Antragstellers gehaltenen Hunden gehandelt hat. Zweifel an der Richtigkeit der von den Nachbarn gefertigten Aufzeichnungen sind nicht ersichtlich. Die Häufigkeit und Dauer des von den Hunden des Antragstellers verursachten Gebells kann in einem Wohngebiet nicht als ortsüblich und zumutbar angesehen werden, zumal Störungen während der Nachtruhe und an Sonntagen besonders schwer wiegen.
Soweit der Antragsteller das Fehlen von Dezibelangaben zur Intensität der Lärmbeeinträchtigungen beanstandet, kommt es darauf nicht an. Zwar ist den in Regelwerken wie der TA-Lärm enthaltenen Immissionsrichtwerten im Regelfall in Bezug auf die Erheblichkeit gesundheitsschädlicher Umwelteinwirkungen eine indizielle Bedeutung beizumessen. Der Tatbestand des § 117 Abs. 1 OWiG wird aber nicht nur dann verwirklicht, wenn der Lärm gesundheitsschädigend ist, sondern dafür reicht eine lärmbedingte erhebliche Belästigung aus. Die Erheblichkeit und Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr lässt sich nicht nach der Höhe eines messbaren Geräuschpegels bestimmen. Bei Lärm, der von einer Tierhaltung ausgeht, ist es für die Annahme einer erheblichen Belästigung daher nicht erforderlich, dass bestimmte Immissionsrichtwerte überschritten werden.
Daneben hat der Antragsteller auch den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung verwirklicht. Nach § 3 Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung müssen Haustiere und andere Tiere so gehalten werden, dass Personen nicht gefährdet werden (Satz 1). Insbesondere ist darauf zu achten, dass Tiere nicht durch Bellen, Heulen oder durch ähnliche Geräusche andere in ihrer Ruhe stören (Satz 2). Wer vorsätzlich oder fahrlässig dagegen verstößt, handelt nach § 11 Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung ordnungswidrig. Dass die von dem Antragsteller gehaltenen Hunde durch ihr häufiges und lang anhaltendes Bellen die Nachbarn des Antragstellers in ihrer Ruhe gestört haben, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
Dass der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung Ermessensfehler unterlaufen sind, ist von dem Antragsteller nicht geltend gemacht worden und im Übrigen auch nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die getroffenen Anordnungen verhältnismäßig sind.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 05.07.2013 – 11 ME 148/13