martina heck

05.10.2012

Außenprüfung wegen Versicherungssteuer kann auch beim Versicherten zulässig sein

Auch beim Versicherungsnehmer kann das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Erhebung und Abführung von Versicherungssteuer prüfen, wie das Finanzgerichts Köln nunmehr in mehreren parallel geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden hat.

Das BZSt wollte bei einer Reederei überprüfen, ob und inwieweit sie ihre Schiffe bei Versicherungsunternehmen versichert hatte, die außerhalb der Europäischen Union (EU) ansässig sind. In diesem Fall ist nämlich ausnahmsweise der Versicherungsnehmer selbst verpflichtet, die Versicherungsteuer zu erklären und an den Fiskus abzuführen. Den Hintergrund der entschiedenen Verfahren bildeten Erkenntnisse der Finanzverwaltung darüber, dass im Schifffahrtsbereich Versicherungsverträge auf Gesellschaften außerhalb der EU übertragen werden und zwischen verschiedenen Schifffahrtsgesellschaften sogenannte Poolversicherungen abgeschlossen werden. In diesen Fällen sehen die Finanzbehörden Anlass zur Prüfung, welche Personen tatsächlich verpflichtet sind, die Versicherungssteuer zu erklären und an den Fiskus zu zahlen.

Das Finanzgericht Köln (zuständig für Versicherungsteuerfälle ist seit dem 1.7.2010 ausschließlich das BZSt mit Sitz in Bonn; für Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gegen Maßnahmen des BZSt ist bundesweit das Finanzgericht Köln zuständig) hat den gegen die Prüfungsanordnung des BZSt gerichteten Antrag der Reederei auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.

Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind, zulässig. Bei anderen als den in § 193 Abs. 1 AO bezeichneten Steuerpflichtigen ist eine Außenprüfung unter den in § 193 Abs. 2 AO genannten Voraussetzungen zulässig. Die Außenprüfung dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen (§ 194 Abs. 1 AO). Die steuerlichen Verhältnisse anderer Personen können insoweit geprüft werden, als der Steuerpflichtige verpflichtet war oder verpflichtet ist, für Rechnung dieser Personen Steuern zu entrichten oder Steuern einzubehalten und abzuführen (§ 194 Abs. 1 Satz 4, 1. Halbsatz AO).

Wie aus der gesetzlichen Formulierung in § 193 Abs. 1 AO folgt, ist eine Außenprüfung unter anderem bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten, ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Für die Anordnung einer routinemäßigen Prüfung bei Steuerpflichtigen, die unter § 193 Abs.1 AO 1977 fallen, genügt es im allgemeinen, wenn als Begründung die Rechtsgrundlage, d.h. die für die Prüfungsanordnung maßgebende Rechtsvorschrift, angegeben wird. Der Regelung in § 193 Abs. 1 AO liegt der Gedanke zu Grunde, dass die steuerlichen Verhältnisse des genannten Personenkreises grundsätzlich prüfungsbedürftig sind. Insbesondere bedarf es keines besonderen Anlasses für eine Prüfung. Dies bedeutet vor allem, dass das steuerliche Verhalten des Steuerpflichtigen keinen Grund zu Misstrauen gegeben haben muss. Eine Außenprüfung ist unter Umständen auch bei bloß potentiellen Steuerpflichtigen im Sinne von § 193 Abs. 1, § 33 Abs. 1 AO zulässig, wenn eine Steuerpflicht ernstlich in Betracht kommt und konkrete Anhaltspunkte hierfür sprechen.

Hinsichtlich der Anordnung einer Außenprüfung ergeben sich allerdings nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift Grenzen insoweit, als es im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde liegt, ob und bei wem eine Außenprüfung tatsächlich durchgeführt wird. So ist eine Außenprüfung unzulässig, wenn die Prüfungsfeststellungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerlich verwertet werden können, etwa weil die steuerliche Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist  oder fehlende Verwertungsmöglichkeiten aus sonstigen Gründen unzweifelhaft feststehen. Gleichfalls unzulässig sind Außenprüfungen, die sich als Ermittlungen „ins Blaue hinein“ darstellen, d.h. wenn keinerlei Anhaltspunkte für eine mögliche Steuerpflicht vorliegen. Andererseits ist eine Außenprüfung etwa nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die zu prüfenden Steueransprüche möglicherweise verjährt sind.

In dem entschiedenen Fall waren nach Auffassung des Finanzgerichts Köln keine ernstlichen Zweifel daran erkennbar, dass der Antragsgegner eine zulässige Außenprüfung angeordnet hat.

Die Antragstellerin unterhält kraft Rechtsform einen Gewerbebetrieb mit der Folge, dass gemäß § 193 Abs. 1 AO bei ihr eine Außenprüfung grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen zulässig ist. Die Antragstellerin ist auch Steuerpflichtige im Sinne des § 193 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 33 Abs. 1 AO, da sie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG Steuerschuldner der Versicherungsteuer ist. Die hier beabsichtigte Prüfung erstreckt sich auch auf die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse der Klägerin.

Unabhängig davon bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass vorliegend die vom Antragsgegner beabsichtigte Prüfung schon deshalb zulässig ist, weil es gerade darum geht, für die Versicherungsteuer relevante tatsächliche Umstände zu prüfen bzw. aufzuklären. Der Antragsgegner hat insoweit, obwohl dies § 193 Abs. 1 AO nicht verlangt, auch einen konkreten Anlass für die Prüfung bei der Antragstellerin dargelegt. Denn es soll überprüft werden, ob und inwieweit die Antragstellerin in den Prüfungszeiträumen ausnahmsweise als Versicherungsnehmerin selbst verpflichtet gewesen ist, nach § 7 Abs. 3 VersStG die Versicherungsteuer zu entrichten, weil möglicherweise Versicherer, mit denen die Antragstellerin Rechtsbeziehungen unterhält, im Ausland ansässig sind. Wie der Antragsgegner nochmals bestätigt hat, ist gerade dies Zweck der angeordneten Außenprüfung.

Der Prüfungsanordnung steht nach Auffassung des Finanzgerichts Köln darüber hinaus nicht entgegen, dass die Prüfung nicht die Ermittlung der Gewinneinkünfte betrifft, sondern sich auf die steuerlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Versicherungssteuerpflicht bzw. die Entrichtung der Versicherungssteuer erstrecken soll. Denn auch die tatsächlichen Umstände im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin abgeschlossenen Versicherungsverträgen sind Ausfluss ihrer gewerblichen Tätigkeit und damit zulässiger Prüfungsgegenstand. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs  kann sich eine Außenprüfung neben den Gewinneinkünften etwa auch auf den nicht betrieblichen Bereich oder die Sphäre der privaten Aufwendungen, d.h. auf die privaten Verhältnisse des Steuerpflichtigen oder die Verhältnisse, die sich auf eine andere Steuerart (z.B. Grunderwerbsteuer) beziehen, erstrecken, ohne dass die Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO vorliegen müssen. Soweit hiergegen Bedenken geäußert werden, weil die privaten Verhältnisse nur unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO mit geprüft werden dürfen, hält das Finanzgericht Köln derartige Bedenken für die hier vorliegende Konstellation für nicht durchgreifend. Denn bei einer Prüfung der Versicherungsteuer im Zusammenhang mit Schifffahrtsversicherungen handelt es sich ohnehin nicht um die Prüfung an sich rein privater Verhältnisse, sondern um Umstände, die unmittelbar mit der gewerblichen Tätigkeit zusammenhängen. Insoweit erstreckt sich die Prüfung gerade auf Umstände, die ebenfalls aus den zu prüfenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen ersichtlich sind.

Eine Einschränkung der Zulässigkeit einer Außenprüfung betreffend Versicherungsteuer folgt auch nicht aus den Sonderregelungen des Versicherungsteuerrechts. Insbesondere wird die Prüfungsbefugnis nach § 193 Abs. 1 AO nicht durch § 10 Abs. 2 und 3 VersStG beschränkt.

Nach § 10 Abs. 2 VersStG ist bei Personen, die Versicherungen vermitteln oder ermächtigt sind, für einen Versicherer Zahlungen entgegenzunehmen, zur Ermittlung oder Aufklärung von versicherungssteuerrechtlich relevanten Vorgängen eine Außenprüfung nach den §§ 193 bis 203 AO auch insoweit zulässig, als sie der Feststellung der steuerlichen Verhältnisse anderer Personen dient, die als Versicherungsnehmer nach § 7 Abs. 3 VersStG zur Entrichtung der Steuer verpflichtet sind. Nach § 10 Abs. 3 VersStG ist eine Außenprüfung auch bei Personen zulässig, die eine Versicherung im Sinne des § 2 VersStG vereinbart haben oder die als Versicherungsnehmer nach § 7 Abs. 3 VersStG zur Entrichtung der Steuer verpflichtet sind.

Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, wird ausdrücklich auf die Vorschriften der Außenprüfung (§§ 193 bis 203 AO) verwiesen. Des Weiteren folgt aus dem Wortlaut („auch“), dass es sich um eine Erweiterung des Personenkreises, bei dem eine Außenprüfung durchgeführt werden kann, handelt. Diese gesetzgeberische Intention erklärt sich unter anderem dadurch, dass bei dem in § 10 Abs. 2 und 3 VersStG genannten Personenkreis nicht in jedem Fall eine Außenprüfung bereits nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung zulässig ist, etwa wenn Versicherungsvermittler (§ 10 Abs. 2 VersStG) oder Versicherungsnehmer (§ 10 Abs. 3 VersStG) selbst keinen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten und nicht freiberuflich tätig sind. Eine Außenprüfung bei diesen Personen dürfte dann regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 AO zulässig sein. Für diese Fälle wird durch die Sondervorschriften des Versicherungsteuergesetzes ausgehend von einer typisierten Prüfungsbedürftigkeit des betroffenen Personenkreises – vergleichbar der allgemeinen Regelung in § 193 Abs. 1 AO –, klargestellt, dass auch bei diesen Personen eine Außenprüfung, begrenzt auf Zwecke der Versicherungsteuer, ohne weitere Voraussetzungen möglich ist.

Finanzgericht Köln, Beschluss vom 11.07.2012 – 2 V 1565/12 u.a.