martina heck

10.07.2013

“Unregelmäßige Einfuhrumsatzsteuer” kann zum Vorsteuerabzug berechtigen

Das Finanzgericht Hamburg hat in Abkehr von der seit jeher in Deutschland geübten Praxis entschieden, dass eine „Einfuhr für das Unternehmen“ i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht voraussetzt, dass der den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) als Vorsteuer begehrende Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand innehat. Auch die gegenüber dem Inhaber eines Zolllagers nach Art. 203, 204 Zollkodex (ZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG wegen zollrechtlicher Pflichtverletzungen festgesetzte sog. unregelmäßige Einfuhrumsatzsteuer kann bei diesem als Vorsteuer abzugsfähig sein.

In dem entschiedenen Fall betrieb die Klägerin in den Streitjahren u.a. ein Zolllager Typ C. Neben der Lagerung der Waren übernahm sie für ihren Hauptkunden auch die zollrechtliche Abwicklung. Auftraggeber des Hauptkunden waren überwiegend Unternehmen aus Osteuropa, die die Waren i.d.R. an Abnehmer aus osteuropäischen Staaten weiterverkauften. An das Zolllagerverfahren schloss sich jeweils ein Versandverfahren bzw. Verfahren Carnet TIR an. Die Zollanmeldungen erfolgten mittels eines Zolldeklaranten und nicht im Namen und für Rechnung der Klägerin. Eigentum an den von ihr eingelagerten Waren erlangte die Klägerin nicht. Bei einer Prüfung stellte der Zoll Unregelmäßigkeiten fest. Wegen Entziehung von einfuhrabgabepflichtigen Waren aus der zollamtlichen Überwachung i.S.v. Art 203 Abs. 1 ZK und Verletzung von Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens i.S.v. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK erließ das Hauptzollamt (HZA) verschiedene Einfuhrabgabenbescheide, mit denen es u.a. EUSt festsetzte. Die Bescheide ergingen (ausschließlich) an die Klägerin als Schuldnerin der Einfuhrabgaben. Klagen gegen die Einfuhrabgabenbescheide sind z.T. noch anhängig. EUSt entrichtete die Klägerin bislang nur in rechtskräftig durch Urteile festgesetzter Höhe.

Mit ihrer Umsatzsteuererklärung und ihrer Klage machte die Klägerin die festgesetzte EUSt als Vorsteuer geltend, deren Anerkennung der Beklagte verwehrte.

Vor dem Finanzgericht Hamburg hatte die Klägerin Erfolg.

Die Klägerin ist nämlich, so das Finanzgericht Hamburg, bei richtlinienkonformer Anwendung und Auslegung von § 15 Abs.1 Nr. 2 UStG berechtigt, die EUSt vom Betrag der von ihr geschuldeten Umsatzsteuer abzuziehen. Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2009 vom 11.12.2012 war daher insoweit zu ändern, als zugunsten der Klägerin ein um EUR 1.759.321,64 höherer abziehbarer Vorsteuerbetrag anerkannt und ihr gegenüber die Umsatzsteuer 2009 in Höhe von Minus EUR 1.659.781,68 (bisher festgesetzte USt EUR 99.539,96 abzüglich EUSt EUR 1.759.321,64) festgesetzt wird.

Die Einfuhr von Gegenständen im Inland unterliegt als steuerbarer Umsatz der EUSt, § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG kann der Unternehmer die entrichtete EUSt für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, von der für die von ihm erbrachten Leistungen geschuldeten Umsatzsteuer abziehen.

1. Die Klägerin ist Unternehmer und dem Grunde nach zum Abzug von Vorsteuer berechtigt.

Sie übt selbständig mit der nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht betriebenen Lagerung und Distribution von Waren eine gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG aus. Die von der Klägerin im Inland gegen Entgelt erbrachten Lagerhalterumsätze sind sonstige Leistungen i. S. v. § 3 Abs. 9 UStG und als solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Hiermit hat sie im Streitjahr Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i. H. v. EUR 2.110.377 und steuerfreie Umsätze i. H. v. EUR 59.670 bewirkt. Auch soweit die Klägerin steuerfreie Umsätze ausgeführt hat, ist die Steuer für die Einfuhr von Gegenständen nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug tritt nicht ein, da die Umsätze nach § 4 Nr. 3 UStG steuerfrei sind, § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG.

2. Gegenüber der Klägerin ist mit den Einfuhrabgabenbescheiden EUSt für die Einfuhr von Gegenständen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG festgesetzt worden.

a. Damit ist die EUSt geschuldet i. S. v. Art. 168 Buchst. e i. V. m. Art. 201 MwStSystRL.

Der Umsatzsteuer – in Form der EUSt – unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in für den Streitfall nicht relevanten österreichischen Gebieten. Für die EUSt gilt § 21 Abs. 2 UStG, der die sinngemäße Anwendung der Vorschriften für Zölle vorschreibt. Eine Definition der Einfuhr enthält das UStG nicht. Der Begriff lässt sich jedoch anhand von Art. 30, 60 f. und 70 f. MwStSystRL bestimmen. Danach gilt als Einfuhr eines Gegenstands die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 EGV (jetzt Art. 29 AEUV) befindet, in die Gemeinschaft (Art. 30 MwStSystRL). Die Einfuhr des Gegenstandes erfolgt in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Verbringens befindet (Art. 60 MwStSystRL) bzw. bei einem Gegenstand, der sich nicht im freien Verkehr befindet und der vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren unterliegt, in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Gegenstand nicht mehr diesem Verfahren unterliegt (Art. 61 MwStSystRL). Als im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befindlich gelten diejenigen Waren aus dritten Ländern, für die in dem betreffenden Mitgliedstaat die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind (Art. 29 AEUV). Nach Art. 70 MwStSystRL treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt. Bei Gegenständen, die Zöllen oder anderen gemeinschaftlichen Abgaben unterliegen, treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch nach Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Tatbestand und der Anspruch dieser gemeinschaftlichen Abgaben entstehen. Die durch Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL angeordnete enge Verknüpfung des Rechts der Umsatzsteuer bei der Einfuhr mit dem Zollrecht wird durch § 21 Abs. 2 UStG in nationales Recht umgesetzt. Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insbesondere sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden. Der Zweck wird nach dieser Auffassung nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die EUSt kommt.

Im Streitfall sind für die in Rede stehenden, in der Obhut der Klägerin als Lagerhalterin befindlichen Gegenstände seitens des HZA die Tatbestände der Entziehung von einfuhrabgabepflichtigen Waren aus der zollamtlichen Überwachung i. S. v. Art 203 Abs. 1 ZK und der Verletzung von Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens i. S. v. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK als erfüllt sowie der Anspruch auf den Zoll als entstanden angesehen und die hieraus resultierenden Zollschulden festgesetzt worden. Auf dieser Grundlage hat das HZA im Rahmen der Einfuhrabgabenbescheide auch den Tatbestand der Einfuhr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG als erfüllt und den Anspruch gemäß § 13 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG als entstanden angesehen und gegenüber der Klägerin EUSt festgesetzt.

Für den mit der Klage begehrten Vorsteuerabzug ist allein maßgebend, ob die zum Abzug begehrte EUSt wirksam festgesetzt und deswegen entrichtet wurde bzw. geschuldet wird (dazu siehe unten). Ob die EUSt tatsächlich entstanden ist, insbesondere bei zollrechtlichen Pflichtverletzungen gemäß Art. 203, 204 ZK auch dann zwingend zu erfolgen hat, wenn die Nichtgemeinschaftsware dadurch nicht zugleich in den freien Verkehr gelangt, ob mithin die hier in Rede stehenden Einfuhrabgabenbescheide insoweit rechtmäßig sind, muss daher offenbleiben.

b. Entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG setzt das Recht zum Vorsteuerabzug nicht voraus, dass die EUSt entrichtet ist. Die Vorschrift steht insoweit nicht im Einklang mit Art. 168 Buchst. e und Art. 178 Buchst. e MwStSystRL und ist daher insoweit nicht anwendbar. Die Bedingungen gemäß Art. 178 Buchst. e MwStSystRL sind im Streitfall seitens der Klägerin erfüllt.

Nach dem Wortlaut des Art. 168 Buchst. e MwStSystRL ist der Steuerpflichtige befugt, die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die Einfuhr von Gegenständen “geschuldet wird oder entrichtet worden ist”. Hiernach betrifft das Recht des Steuerpflichtigen auf Steuerabzug auch die von ihm geschuldete, das heißt die von ihm noch zu entrichtende Mehrwertsteuer. Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer von der Person oder von den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt, Art. 201 ZK. Der Begriff “geschuldet” setzt eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld voraus und damit, dass der Steuerpflichtige zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags verpflichtet ist, den er als Vorsteuer abziehen möchte. Aus Art. 167 i. V. m. Art. 70 f. MwStSystRL ergibt sich, dass das Recht auf Vorsteuerabzug unabhängig von geleisteten Zahlungen bereits mit der Entstehung des Anspruchs auf die abziehbare Steuer entsteht. Für die “geschuldete oder entrichtete” Mehrwertsteuer gemäß Art. 168 Buchst. a MwStSystRL ist ebenfalls ohne Bedeutung, ob die geschuldete Mehrwertsteuer tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde. Selbst die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts ist nach Art. 178 Buchst. e MwStSystRL hiervon unabhängig. Für sie ist allein Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzt, welches ihn als Empfänger der Lieferung oder Importeur ausweist und den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer ausweist oder deren Berechnung ermöglicht. Durch den Verzicht auf die Entrichtung der EUSt und die sofort mögliche Ausübung ist sichergestellt, dass das grundsätzlich nicht einschränkbare Abzugsrecht integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer bleibt. Das gebietet der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Der Unternehmer soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und Ergebnis, sofern diese Tätigkeit selbst der Mehrwertsteuer unterliegt. Es verbietet sich daher, dem Steuerpflichtigen auch nur für eine gewisse Zeit eine von ihm nicht zu tragende wirtschaftliche Belastung aufzuerlegen, indem er die EUSt erst zahlen muss, bevor er sie nachfolgend wieder abziehen kann.

Die Bedingungen gemäß Art. 178 Buchst. e MwStSystRL, um das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL in Bezug auf die Einfuhr von Gegenständen ausüben zu können, erfüllt die Klägerin. Sie besitzt mit den Einfuhrabgabenbescheiden in Gestalt der (Teil)Erlassbescheide und der Einspruchsentscheidungen die die Einfuhren bescheinigenden Dokumente, welche sie als Importeur und den Betrag der geschuldeten Einfuhrmehrwertsteuer ausweisen.

3. Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführten Gegenstände wurden für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin verwendet. Damit ist dem Merkmal “Einfuhr für das Unternehmen” i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG im Zuge richtlinienkonformer Auslegung Genüge getan.

a. Eine Einfuhr für sein Unternehmen ist nach bisher ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand seinem im Inland belegenen Unternehmensbereich zuordnet, um ihn im eigenen Unternehmen oder zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen. Hierfür soll es nicht ausreichen, dass der Unternehmer den Gegenstand nur wirtschaftlich durch Verwendung zum Bewirken von Umsätzen nutzt. Er müsse ihn im umsatzsteuerrechtlichen Sinne seinem Unternehmen eingliedern, um ihn im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen. Diese Voraussetzung sei nur bei einem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitze. Dies sei der Fall, wenn er befähigt sei, im eigenen Namen mit dem eingeführten Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern zu können, und er einen entsprechenden Herrschaftswillen ausübe. Allein dieser Unternehmer sei in der Lage, den Gegenstand in sein Unternehmen einzugliedern und nur er sei daher zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt; nicht entscheidend sei hingegen, wer Schuldner der EUSt gewesen sei und wer diese entrichtet habe.

Die Rechtsprechung folgte damit der früheren Auslegung der Verwaltung und ist wiederum Grundlage für die den Beklagten bindenden amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien in Abschnitt 199 Abs. 4 u. 5 bzw. ab 01.11.2010 den Umsatzsteuer-Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen in Abschnitt 15.8 Abs. 4 u. 5. Personen, die eine Einfuhr bewirken oder bei der Einfuhr mitwirken, ohne über den Gegenstand verfügen zu können (z. B. Spediteure, Frachtführer, Handelsvertreter), sind danach ausdrücklich nicht zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall wäre der Vorsteuerabzug der Klägerin bezüglich der ihr gegenüber festgesetzten EUSt zu versagen. Verfügungsmacht im vorbezeichneten Sinne hatte die Klägerin nicht. Die der EUSt-Festsetzung zugrunde liegenden Gegenstände befanden sich zu keinem Zeitpunkt im Eigentum der Klägerin, auch konnte sie nach den mit den Eigentümern

geschlossenen Verträgen als Lagerhalterin damit nicht nach Belieben verfahren, insbesondere die Gegenstände nicht wie ein Eigentümer nutzen und veräußern. Die eingelagerten Gegenstände waren auch nicht zwischenzeitlich in das Umlauf- oder Anlagevermögen des Unternehmens der Klägerin eingegliedert.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in anderer Form Verfügungsmacht über die von ihr eingelagerten Gegenstände allein dadurch innehatte, dass sie entweder durch die vertraglichen Vereinbarungen in den mit den Auftraggebern geschlossenen Lagerhalterverträgen hinsichtlich der Waren bestimmte Vorgänge eigenständig veranlassen durfte oder durch die von ihr erfolgten und zu verantwortenden Unregelmäßigkeiten im Zolllagerverfahren rein faktisch die die Einfuhr der Gegenstände auslösenden Vorgänge allein gesteuert hat. Nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg kommt es auf eine derartige Verfügungsmacht des EUSt-pflichtig gewordenen Unternehmers für dessen Vorsteuerabzug i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht an.

Zunächst bietet der – alte und neue – Gesetzeswortlaut für das einengende Merkmal der Verfügungsmacht keine hinreichende Stütze (vgl. Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange UStG, § 15 Rn. 203 unter Hinweis auf FG München, Urteil vom 05.04.1989 – III 64/83 U, EFG 1989, 602)). Der Gesetzgeber hat auch im Zuge der Änderung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15.12.2003 das Kriterium der Verfügungsmacht des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers nicht in das Gesetz aufgenommen. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nimmt Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, wonach die Entstehung der EUSt – anders als § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG – nicht durch eine Lieferung der Gegenstände, sondern durch deren Einfuhr ausgelöst wird. Als Einfuhr gilt die Verbringung eines Gegenstands in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft (s. o.). Dieser Vorgang ist unabhängig von der eigentümerähnlichen Verfügungsmacht, wie eine Lieferung sie vorsieht, und von einem entsprechenden Herrschaftswillen des Handelnden.

Die der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrundeliegenden Erwägungen für die Erforderlichkeit des Kriteriums der Verfügungsmacht sind mit der Neufassung der § 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG durch das StÄndG 2003 zudem weitestgehend entfallen.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG a. F. unterlag der Umsatzsteuer die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet “in das” Inland und nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG a. F. setzte der Vorsteuerabzug voraus, dass die Gegenstände “für sein Unternehmen in das Inland eingeführt” worden sind. Da, so der Bundesfinanzhof, anders als bei § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei der Einfuhr als steuerbarem Vorgang der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer nicht in der Person des Leistungsempfängers vorbestimmt sei, diene das Merkmal “Einfuhr für das Unternehmen” der notwendigen Auswahl des abzugsberechtigten Unternehmers. Den Vorsteuerabzug jenem Unternehmer zuzubilligen, welcher die EUSt entrichtet hat, hielt der Bundesfinanzhof nicht für angezeigt. Danach könnte die Person des Vorsteuerabzugsberechtigten bei gleichartiger Geschäftsabwicklung je nach der vereinbarten Lieferkondition (“unverzollt und unversteuert” oder “verzollt und versteuert”) wechseln; dies müsse bei einem Reihengeschäft zudem nicht einheitlich durchgehalten sein. Die Bestimmung des (einen) abzugsberechtigten Unternehmers müsse sich indes nach objektiven, für alle Fallgestaltungen gleichen Kriterien richten. Dessen Bestimmung müsse für alle Beteiligten am Leistungsaustausch jederzeit übersehbar sein. Die Anknüpfung an die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Einfuhr ermögliche insoweit eine klare Bestimmung. Nach der Neufassung des Gesetzes ist für die Entstehung der EUSt nicht mehr der Zeitpunkt des tatsächlichen Grenzübertritts sondern der der Überführung des Gegenstandes in den freien Verkehr maßgebend. Die zu diesem Zeitpunkt als Einführer im Sinne des Zoll- und Umsatzsteuerrechts verantwortliche Person lässt sich ungleich einfacher bestimmen. Handelt es sich um den Regelfall der Überführung in den freien Verkehr gemäß Art. 201 Abs. 1 ZK, ist die Person der Zollanmelder oder bei indirekter Vertretung (auch) die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird. Diese werden gemäß Art. 201 Abs. 3 ZK Zoll- und über § 21 Abs. 2 UStG auch EUSt-Schuldner. Kommt es hingegen zu einer vorschriftswidrigen Verbringung in das Zollgebiet, einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung oder zu einer Pflichtverletzung des in Anspruch genommenen Zollverfahrens, ist die verantwortliche Person nach ZK im Grundsatz jeweils die tatsächlich regelwidrig handelnde Person. Da sie durch ihr Handeln die Einfuhrabgaben entstehen lässt, ist sie als Einführer gemäß Art. 202, 203 und 204, jeweils Abs. 3, ZK Zoll- und über § 21 Abs. 2 UStG auch EUSt-Schuldner.

Schließlich steht das zusätzliche Erfordernis der Verfügungsmacht nicht im Einklang mit Art. 168 Buchst. e und 178 Buchst. e MwStSystRL. Hiernach besteht das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug bereits, soweit die Gegenstände für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und er ein amtliches Dokument besitzt, das ihn als Importeur ausweist. Die Befähigung, im eigenen Namen mit dem eingeführten Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern zu können, und die Ausübung eines entsprechenden Herrschaftswillens setzt die MwStSystRL nicht voraus. Die richtlinienkonforme Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG gestattet keine diese Vorschrift im Wortlaut ergänzenden und deren Anwendung zuungunsten der Steuerpflichtigen einschränkenden Voraussetzungen.

b. Das Merkmal “für das Unternehmen eingeführt” gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG bedarf der Auslegung. Diese muss im Einklang mit dem entsprechenden Merkmal “für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet” in Art. 168 Buchst. e MwStSystRL erfolgen.

Mit dem Erfordernis “für das Unternehmen” sollen Aufwendungen für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden. Das sind solche, die den nichtunternehmerischen Bereich betreffen. Hierbei handelt es sich um die Sphäre, welche nicht der Umsatzerbringung dient. Der nichtunternehmerische Bereich ist die Sphäre, die nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer fällt. Sie wird durch diejenigen Tätigkeiten gebildet, die keine der Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätze i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellen, weil sie nicht in den entgeltlichen Lieferungen von Gegenständen oder in der Erbringung von Dienstleistungen bestehen. In positiver Hinsicht verlangt das Verhältniswort “für” einen objektiven Zusammenhang des Aufwands mit dem Unternehmen. Dieser ist indes nicht zweckbezogen zu sehen, da das Ziel der Kostenneutralität der Umsatzsteuer gebietet, auch solche Aufwendungen als für das Unternehmen entstanden anzusehen, die der unternehmerischen Tätigkeit (Umsatzerbringung) zwar nicht dienen, aber gleichwohl mit ihr zusammenhängen, z.B. wenn sie durch das Unternehmen ausgelöst werden. Die objektive Verknüpfung des Aufwandes mit dem Unternehmen kann als wirtschaftlicher Zusammenhang bezeichnet werden, denn die unternehmerische Tätigkeit ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, die in den Anwendungsbereich der MwStSystRL fällt (Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL). Auch Kosten auslösende Fehlmaßnahmen, die den mit ihnen beabsichtigten unternehmensbezogenen Zwecken letztlich nicht gedient haben, sind durch die unternehmerische Tätigkeit veranlasst und nicht für einen privaten Verbrauch in Anspruch genommen worden. Um die Mehrwertsteuer nicht zum Kostenfaktor für das Unternehmen werden zu lassen, ist die Vorsteuerabzugsfähigkeit zu bejahen, wenn ein sachlicher (wirtschaftlicher) Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen und eine Verknüpfung mit dem Unternehmen gegeben sind. “Für das Unternehmen” i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG meint mithin grundsätzlich dasselbe, wie “durch den Betrieb veranlasst” i. S. v. § 4 Abs. 4 EStG bzw. nicht “für betriebsfremde Zwecke” i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG.

Diese Auslegung entspricht der Regelung in Art. 168 Buchst. e MwStSystRL, wonach die EUSt abgezogen werden kann, wenn die deren Festsetzung zugrundeliegenden eingeführten Gegenstände “für Zwecke der besteuerten Umsätze” des Steuerpflichtigen verwendet werden.

Die Gegenstände, für deren Einfuhr die hier streitige Mehrwertsteuer geschuldet wird, sind für das Unternehmen bzw. für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin verwendet worden.

Dies folgt daraus, dass die Klägerin im Zuge ihrer Tätigkeit als gewerbliche Lagerhalterin, im Rahmen derer diejenigen Sachverhalte verwirklicht wurden, die zur Festsetzung von EUSt wegen Unregelmäßigkeiten gemäß Art. 203 und 204 ZK geführt haben, ausschließlich besteuerte bzw. steuerbare Umsätze bewirkt hat und die Übernahme von Dienstleistungen in Ansehung der hier in Rede stehenden eingeführten Gegenstände allein zu diesem Zweck erfolgte. Ohne die eingeführten Gegenstände hätte sie keine Lagerleistungen erbringen können. Die Festsetzung der EUSt ist mithin unmittelbare Konsequenz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin.

Ableiten lässt sich dieses zunächst aus der Regelung für die – hier nicht einschlägigen – gemischten Aufwendungen i. S. v. Art. 173 MwStSystRL. Für die Aufteilung von gemischten Aufwendungen, welche bei einem Steuerpflichtigen zu einer Belastung mit Mehrwertsteuer geführt haben, einerseits in solche, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht und andererseits in solche, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug nicht besteht, ist nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 06.09.2012 – C-496/11, DStR 2012, 1859)) zum Zwecke der Abgrenzung nach Art. 17 Abs. 5 der 6. MwStRL (gleichlautend mit Art. 173 Abs. 1 MwStSystRL) grundsätzlich darauf abzustellen, ob die Aufwendungen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden wirtschaftlichen Tätigkeiten auf der Ausgangsstufe aufweisen. Das Recht auf Abzug von auf der Eingangsstufe entrichteter Mehrwertsteuer ist danach gegeben, wenn die getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der auf der Ausgangsstufe versteuerten, zum Abzug berechtigenden Umsätze gehören. Ein Recht zum Vorsteuerabzug wird darüber hinaus zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die angefallenen Kosten zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen. Dieses Kriterium für den Abzug von Mehrwertsteuer als Vorsteuer ist von grundsätzlicher Art und gilt nach Ansicht des Senats als solches daher auch jenseits der Aufteilung gemischter Aufwendungen. Nichts anderes kann darüber hinaus gelten, wenn dem Steuerpflichtigen Kosten nicht durch mit EUSt belastete Aufwendungen, sondern unmittelbar durch von ihm geschuldete EUSt entstehen. Die Anwendung des Mehrwertsteuersystems und damit des Abzugsmechanismus hängen davon ab, dass ein Steuerpflichtiger als solcher handelt. Das tut er, wenn er für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. v. Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 2 MwStSystRL handelt (EuGH, Urteile vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi, Slg. 2001 I-1831 und vom 22.03.2012 – C-153/11, DStR 2012, 653)). Im Streitfall ist die Festsetzung von EUSt als Kosten der Klägerin direkte und unmittelbare Folge ihrer wirtschaftlichen Kerntätigkeit, nämlich der – in Teilen fehlerhaften – Erbringung von mehrwertsteuerbaren gewerblichen Lagerhalterleistungen. Soweit und solange ein Steuerpflichtiger die von ihm geschuldete EUSt nicht wieder in Abzug bringen kann, stellt sie ein Kostenelement der von ihm erbrachten Dienstleistungen dar, welches das Ergebnis seiner wirtschaftlichen Tätigkeit negativ beeinflusst.

Den Abzug der EUSt als Vorsteuer gebietet insbesondere die Gewährleistung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer.

In ständiger Rechtsprechung weist der EuGH darauf hin, dass das in den Art. 167 und 168 MwStSystRL geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen.

Wie bereits ausgeführt, ist die in Rede stehende EUSt allein wegen zum Teil fehlerhafter Ausübung der Dienstleistung der Klägerin als Lagerhalterin entstanden und wird daher von ihr ausschließlich im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldet. Ein Zusammenhang mit anderen – nichtunternehmerischen bzw. nichtwirtschaftlichen – Tätigkeiten der Klägerin scheidet aus. Die nach dem vorgenannten Grundsatz gebotene vollständige Entlastung von dieser Mehrwertsteuer (EUSt) kann allein durch deren vollständigen Abzug als Vorsteuer erreicht werden. Nur hierdurch wird die Neutralität hinsichtlich der durch die EUSt-Festsetzung bereits eingetretenen steuerlichen Belastung der Klägerin wieder hergestellt. Durch das Abzugssystem soll bereits die auch nur vorübergehende wirtschaftliche Belastung vermieden werden, die einträte, wenn die EUSt erst nach ihrer Entrichtung als Vorsteuer abgezogen werden dürfte, und daher der Vorsteuerabzug davon nicht abhängig gemacht werden darf. Erst recht muss dies für eine dauerhafte Belastung gelten. Die Gefahr einer dauerhaften Belastung der Klägerin mit der gegen sie festgesetzten EUSt bestünde aber bei einer Versagung des diesbezüglichen Vorsteuerabzugs. Insbesondere ist im Streitfall nicht naheliegend, dass die Klägerin die EUSt aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche von dritter Seite erstattet bekommt und daher – jedenfalls wirtschaftlich – entlastet wird Die Entstehung der EUSt gemäß §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art 203, 204 ZK beruht auf Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Zollverfahren, für die allein die Klägerin verantwortlich ist. Eine Festsetzung der EUSt (auch) gegen den oder die Auftraggeber der Klägerin erfolgte nicht. Da die Unregelmäßigkeiten gerade keine vertragsgemäße Abwicklung der geschuldeten Lagerhaltertätigkeit darstellen, dürfte ein Rückgriff der Klägerin wegen der EUSt als ihr entstandene Zusatzkosten bei den Auftraggebern ausscheiden.

5. Der Inhalt der Einfuhrabgabenbescheide trägt ebenfalls zur Stützung des vorliegend gefundenen Ergebnisses bei. Allein die Klägerin ist in den Bescheiden als mit der Entstehung der Zollschuld und der EUSt in Zusammenhang stehende Person benannt. Selbst wenn, was im Streitfall unstreitig nicht gegeben ist, die Auftraggeber der Klägerin diese mit der Durchführung des Zolllagerverfahrens betraut hätten, um die Waren gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt selber in den freien Verkehr zu überführen und nicht wieder Drittländer ausführen zu lassen, könnten die Auftraggeber die hier wegen Unregelmäßigkeiten gemäß Art 203 und 204 ZK i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG angefallene EUSt wegen der Anforderungen gemäß Art. 178 Buchst. e MwStSystRL auf der Grundlage der ergangenen Bescheide nicht als Vorsteuer abziehen. Sie sind in den Einfuhrabgabenbescheiden nicht als Empfänger der Lieferung oder Importeur ausgewiesen (Art. 178 Buchst. e MwStSystRL). Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer bis zur Stufe des Letztverbrauchs erfordert indes deren Abzug als Vorsteuer. Dieser kann im vorliegenden Fall nur in der Person der Klägerin umgesetzt werden.

Durch das Erfordernis, dass der Steuerpflichtige in dem die Einfuhr bescheinigenden Dokument zum einen namentlich benannt sein muss und zum anderen im Besitz dieses Dokumentes sein muss, um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, ist die Gefahr eines Missbrauchs oder eines fehlerhaften Abzugs nach Auffassung des erkennenden Senats bereits in ausreichender Weise ausgeschlossen. Insbesondere besteht hiernach nicht die Gefahr einer doppelten Geltendmachung und Anrechnung der EUSt. Im Fall betrügerischer Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug kann die zuständige Finanzbehörde zudem rückwirkend die Zahlung der abgezogenen Beträge verlangen oder von vorneherein den Vorsteuerabzug versagen. Über die in Art. 168 Buchst. e, Art. 178 Buchst. e MwStSystRL aufgestellten Anforderungen hinausgehende Begrenzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug durch nationale Vorschriften sind daher auch vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

 

Das Finanzgericht hält die Auslegung der im Streitfall anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht für zweifelhaft und sieht sich daher nicht veranlasst, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 FGO zuzulassen. Mit der vorliegenden Entscheidung weicht das erkennende Gericht von Abschnitt 15.8 Absatz 4 UStAE (zuvor Abschnitt 199 Abs. 4 der UStR) und von der bisherigen, zitierten Rechtsprechung des BFH ab, wonach die Verfügungsmacht des Unternehmers über die eingeführten Gegenstände und deren Eingliederung in sein Unternehmen notwendige Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug sind. Die Rechtsprechung beruht auf der Gesetzesfassung des UStG vor dem StÄndG 2003. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine erneute Entscheidung des BFH, zumal dieser selbst in den – soweit ersichtlich – letzten Entscheidungen zu den vorliegenden Rechtsthemen die bisherigen Rechtsgrundsätze als zweifelhaft und klärungsbedürftig bezeichnet hat.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 19.12.2012 – 5 K 302/09 (gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, Az. des BFH: V R 8/13)