Die Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigungsansprüchen nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erfolgt in zwei Stufen. Zunächst müssen diese Ansprüche schriftlich, außergerichtlich geltend gemacht werden innerhalb einer Frist von zwei Monaten, § 15 Absatz 4 AGG. Bei Ablehnung dieser Ansprüche muss eine Klage auf Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz innerhalb von drei Monaten, nach dem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden, § 61b Arbeitsgerichtsgesetz.
Der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 22. Mai 2014 zum Urteil (BAG vom 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13) ist zu entnehmen, dass die Frist der ersten Stufe auch gewahrt wird, wenn die Klage noch innerhalb dieser Frist vor dem zuständigen Arbeitgericht erhoben wird und dem Beklagten „demnächst“ im Sinne von § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt wird.
Das Bundesarbeitgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Eine Klägerin mit einer Schwerbehinderung hatte sich bei einem Bäderbetrieb beworben. Die Klägerin hatte eine entsprechende Ausbildung absolviert. Die Beklagte stellte ihr einen Arbeitsplatz in Elternzeitvertretung in Aussicht. Als bei der Begehung des Bäderbetriebes die Beklagte von der Behinderung der Klägerin erfuhr zog die Beklagte das Arbeitsangebot wieder zurück. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Diese Klage wurde der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist zugestellt.
Das BAG hat hier zugunsten der Klägerin eine Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO angenommen:
„Eine Rückwirkung nach § 167 ZPO ist grundsätzlich anwendbar, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnte“. Weiter führte das BAG aus: „durch die Klageerhebung kann auch gleichzeitig das Schriftformerfordernis nach § 15 Absatz 4 AGG gewahrt werden“.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist eine Zustellung einer Klage jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretene Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet.
Dabei hatte das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom vom 21.6.2012 (8 AZR 188/11) die Auffassung vertreten, dass § 167 ZPO keine Anwendung findet auf Schadensersatz und Entschädigungsansprüche nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Damals hatte eine 47 jährige Bewerberin geklagt, die sich auf eine Stellenausschreibung als Call Center Agent beworben hatte und abgelehnt worden ist. In der damaligen Stellenausschreibung wurden Mitarbeiter/innen zwischen 18 und 35 Jahren gesucht. Sie hatte nach Ablauf der Zweimonatsfrist Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben. In diesem Fall hätte auch unter Anwendung des § 167 ZPO die Frist der ersten Stufe nicht mehr gewahrt werden können, da die Klage nicht rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist bei dem zuständigen Arbeitsgericht eingegangen ist.
Fazit:
Die Schriftform und die Frist (der ersten Stufe), bezogen auf die außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigungsansprüchen nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsetz kann gewahrt werden, wenn eine solche Klage innerhalb der Zweimonatsfrist vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben wird und diese dem Beklagten „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zugestellt wird.