Rechtsanwalt Knut Hanke

44787, Bochum
Rechtsgebiete
Arbeitsrecht Sozialrecht
11.05.2017

Muss man eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben?

Viele Empfänger von SGB II-Leistungen fragen sich, ob sie zum Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen verpflichtet sind. Der Wortlaut der Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB II deutet auf eine Pflicht zum Abschluss einer EGV hin. Darin heißt es:

Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen.

Das Bundessozialgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung hierzu nicht eindeutig geäußert, sieht aber die Nichtigkeit von Eingliederungsvereinbarungen wegen eines qualifizierten Rechtsverstoßes gegen ein gesetzliches Verbot durch einen Formenmissbrauch als naheliegend an, wenn durch sie faktisch in der Form eines einseitig regelnden Verwaltungsakts gehandelt wird (BSG, Urteil vom 23.06.2016 – B 4 AS 30/15 R).

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=188075

Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn im Gespräch mit dem Fallmanager nichts konkret ausgehandelt wird und der Inhalt der EGV komplett einseitig vorgegeben wird. Eine solche Eingliederungsvereinbarung wird der aus § 15 SGB II folgenden Pflicht zum Abschluss einer  Vereinbarung darüber, welche Leistungen der Arbeitslose zur Eingliederung in Arbeit erhält oder welche konkreten Bemühungen er zu unternehmen hat nicht gerecht.

Für den auf die Alg II-Leistungen angewiesenen Betroffenen ist im Ergebnis entscheidend, dass allein die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, nicht mit Sanktionen nach § 31 SGB II belegt werden kann. Das bedeutet, dass das Arbeitslosengeld nicht versagt werden darf, wenn sich der Antragsteller weigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Keinesfalls sollte aber grundsätzlich die Bemühung um Arbeit oder anderer Inhalte einer möglichen EGV abgelehnt werden, sondern allenfalls der Abschluss einer bestimmten Vereinbarung, wenn tatsächlich nichts vereinbart werden soll, sondern allenfalls einseitige Vorgaben erfolgen. Der Inhalt der Vereinbarung soll nach dem Willen des Gesetzgebers ausgehandelt werden.

Im Falle des Scheiterns einer Vereinbarung kann das Jobcenter einen Bescheid erlassen, der inhaltlich dem entspricht, was der Fallmanager vereinbaren beziehungsweise vorgeben wollte. In diesem Fall besteht für den Betroffenen aber die Möglichkeit, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen und den Inhalt des die EGV ersetzenden Verwaltungsaktes einer weiteren Prüfung durch die Behörde und später eventuell auch durch das Sozialgericht zu unterziehen.

Falsch ist jedenfalls die verkürzte Aussage, dass derjenige, der eine EGV nicht unterschreibt bereits deswegen keine Leistungen erhält. Empfehlenswert ist es daher, nicht prinzipiell den Abschluss jeder EGV zu verweigern, sondern allenfalls bestimmte Inhalte. Gegebenenfalls kann man sich hierbei auch Bedenkzeit erbitten, gerade auch um sich hierzu beraten zu lassen.

 

Von Rechtsanwalt Knut Hanke, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht