Ziel des Insolvenzanfechtungsrechts ist es, den insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor den Zeitpunkt der Antragsstellung vorzuverlagern. Dabei sollen u.a. Zahlungen des Schuldners im Vorfeld des Insolvenzantrags, die einzelne Gläubiger bevorzugen, rückgewährt werden, um die Insolvenzmasse zu mehren.
Nach Ansicht (nahezu) aller Wirtschaftskreise hat sich In den letzten Jahren vor allem die sogenannte Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO zum scharfen Schwert des Insolvenzverwalters entwickelt. Was ursprünglich als Ausnahmetatbestand konzipiert war, um Vermögensverschiebungen des Schuldners rückabzuwickeln oder die Rückerstattung von Zahlungen in Fällen zu ermöglichen, in denen der Schuldner und ein Gläubiger – zu Lasten aller anderen – gemeinsame Sache machen, hat sich zur gängigen Anspruchsgrundlage von Anfechtungen entwickelt.
Anwendung des Insolvenzanfechtungsrechts soll eingeschränkt werden
Wirtschaftsverbände und teilweise auch die Politik fordern deshalb seit Jahren, der exzessiven Anwendung des Insolvenzanfechtungsrechts Einhalt zu gebieten. Ende 2013 nahm die Große Koalition im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung auf, mit dem Ziel mehr Planungssicherheit beim Anfechtungsrecht zu erreichen: „Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen.“
Nachdem die Umsetzung dieses Entschlusses nur schleppend vorankam, und es zwischenzeitlich so aussah, als würde das Vorhaben ganz aufgegeben, liegt seit 16.03.2015 ein durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ausgearbeiteter Referentenentwurf vor, d.h. ein noch nicht durch die Bundesregierung beschlossener Gesetzesentwurf. Die an der Materie interessierten Kreise hatten bis zum 12.06.2015 Zeit, Stellungnahmen abzugeben und haben davon reichlich Gebrauch gemacht.
In den folgenden Zeilen wird der Stand der Novellierung des Anfechtungsrechts laufend dokumentiert, angefangen vom derzeit gültigen Gesetzestext, über die Änderungen und Ergänzungen des Referentenentwurfs bis zum verabschiedeten „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“.
Eckpunkte der geplanten Änderungen
Die wesentlichen Eckpunkte des Referentenentwurfs sind folgende:
- Eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger soll zukünftig zusätzlich den Tatbestand der „Unangemessenheit“ erfüllen müssen.
- Bei der Vorsatzanfechtung soll nunmehr zwischen sogenannten Deckungshandlungen und sonstigen Rechtshandlungen unterschieden werden. Bei Deckungshandlungen soll die Anfechtungsfrist von 10 auf 4 Jahre verkürzt werden.
- Eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger soll zukünftig zusätzlich den Tatbestand der „Unangemessenheit“ erfüllen müssen.
- Bei der Vorsatzanfechtung soll nunmehr zwischen sogenannten Deckungshandlungen und sonstigen Rechtshandlungen unterschieden werden. Bei Deckungshandlungen soll die Anfechtungsfrist von 10 auf 4 Jahre verkürzt werden .
- Im Fall von Deckungshandlungen soll dann weiter zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung unterschieden werden.
- Kongruente Deckungshandlungen sollen in besonderem Maße vor der Vorsatzanfechtung geschützt sein, in dem es im Rahmen der Vermutungsregelung nicht mehr auf die drohende, sondern auf die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ankommen soll.
- Die Gewährung von Zahlungserleichterungen, u.a. von Ratenzahlungen, soll mit Wirkung zugunsten des Anfechtungsgegners explizit in den Gesetzestext aufgenommen werden.
- Das Bargeschäft soll konkretisiert werden, insbesondere für das Arbeitsentgelt.
- Die Verzinsung des Anfechtungsanspruchs soll eingeschränkt werden.
Der Referentenentwurf im Detail
Kursiv und fett geschriebene Passagen sollen den bisherigen Gesetzestext ergänzen, durchgestrichene Textpassagen sollen entfallen.
131 InsO-ReFE Inkongruente Deckung
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
- wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
- wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
Eine Rechtshandlung ist nicht allein deshalb nach Satz 1 anfechtbar, weil der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten vollstreckbaren Titels erwirkt hat.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 Satz 1 Nummer 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte
133 InsO-ReFE Vorsätzliche Benachteiligung
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger unangemessen zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nicht vor, wenn
- für eine Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, die zur Fortführung seines Unternehmens oder zur Sicherung seines Lebensbedarfs erforderlich ist, oder
- die Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist.
Es wird vermutet, dass der andere Teil den Vorsatz des Schuldners kannte, wenn er zur Zeit der Rechtshandlung wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger unangemessen benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt bei der Vermutung nach Absatz 1 Satz 3 an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die eingetretene. Die Kenntnis des anderen Teils vom Vorsatz des Schuldners kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass
- der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung nach § 802b Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung abgeschlossen hat oder
- der Schuldner beim anderen Teil im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs um eine Zahlungserleichterung nachgesucht hat.
(2) (4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
§ 142 InsO-ReFE Bargeschäft
Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 gegeben sind.
Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.
§ 143 InsO-ReFE Rechtsfolgen
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen.
(2) unverändert
(3) unverändert