Rechtsanwalt Ingo Driftmeyer

24103, Kiel
Rechtsgebiete
Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht und Medienrecht Wettbewerbsrecht
22.05.2012

BGH:  Einleitender Zusatz zur Widerrufsbelehrung kein Wettbewerbsverstoß

BGH, Urteil vom 9. November 2011 - I ZR 123/10

Fehler in der Widerrufsbelehrung stellen im Online-Handel über Webshops, eBay und Amazon den nach wie vor den häufigsten Grund für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen dar.

Ein Händler ließ eine Abmahnung gegen einen Mitbewerber aussprechen, da er durch einen zusätzlichen Einleitungssatz vom amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung abwich.

Danach fand der Abmahner sich im gerichtlichen Verfahren als Beklagter einer negativen Feststellungsklage wegen unberechtigter Abmahnung wieder.

Im vorliegenden Fall ging es um den Einleitungssatz „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht“, welcher der Widerrufsbelehrung vorangestellt war.

Eine derartige Formulierung hatten das LG Kiel (Urteil vom 09.07.2010, Az: 14 O 22/10) und das OLG Stuttgart (Urteil vom 11.12.2008, 2 U 57/08) noch für wettbewerbswidrig gehalten.

Lesen Sie hier, aus welchen Gründen der BGH die Abmahnung für unberechtigt hielt.


I. Deutlichkeitsgebot bei der Widerrufsbelehrung

Nach§§ 312b, 355, 360 BGB, Art. 246 EGBGB muss der Unternehmer den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und  Einzelheiten der Ausübung unterrichten.

Den Anforderungen einer klaren und verständlichen Belehrung kommt der Unternehmer jedenfalls dann nach, wenn er das amtliche Muster der Widerrufsbelehrung verwendet.

Bei Verwendung des amtlichen Musters gilt die (unwiderlegliche) gesetzliche Vermutung, dass der Belehrungspflicht Genüge getan ist, Art. 246 § 2 Abs. 3 EGBGB.


II. Wegfall der gesetzlichen Vermutung durch Abweichung vom Muster?

Die Anwälte des abmahnenden Verkäufers hatten vor dem BGH vorgebracht, der Einleitungssatz, wonach dem „Verbraucher“ ein Widerrufsrecht zustehe, mache den Inhalt der Belehrung unklar. Denn zum einen sei in der Rechtsprechung des BGH teilweise unklar, wie der Verbraucherbegriff in § 13 BGB (nach dem objektiven Geschäftszweck oder aus Sicht des Verkäufers) auszulegen sei, zum anderen unterscheide sich der Verbraucherbegriff im Sinne der Vorschrift vom landläufigen Verständnis.

Dem erteilte der BGH eine Absage.

Die Widerrufsbelehrung habe den Zweck, den Verbraucher über seine Rechte aufzuklären und ihn in die Lage zu versetzen, das Widerrufsrecht auszuüben.

Daher dürfe die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderslautenden als die gesetzlich vorgesehenen Erklärungen enthalten.

Sehr wohl zulässig seien jedoch solche Zusätze, die den gesetzlich vorgesehenen Inhalt nur verdeutlichen, ohne einen eigenen abweichenden Inhalt zu haben.

Hier sei aber insbesondere auch zu beachten, dass der Einleitungssatz der eigentlichen Widerrufsbelehrung vorangestellt ist. Damit sei er selbst nicht Teil der Widerrufsbelehrung und könne diese von vornherein inhaltlich nicht nachteilig verändern.

Der Zusatz sei auch deshalb unschädlich, weil es nicht im Verantwortungsbereich des Online-Händlers liege, ob der Kunde sich zutreffend oder unzutreffend selbst als Verbraucher einstufe oder ob er die Widerrufsbelehrung überhaupt zur Kenntnis nimmt. Seine Pflicht beschränke sich darauf, dem Kunden eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zur Verfügung zu stellen.

III. Anmerkung

Das Urteil ist zu begrüßen, da es im fernabsatzrechtlich sensiblen Bereich der Widerrufsbelehrung dem sklavischen Anhaften am Wortlaut der amtlichen Widerrufsbelehrung und der sich daraus ergebenden teils ausbeuterischen Abmahntätigkeit von selbst ernannten Wettbewerbspolizisten eine Grenze setzt. Es entspricht dem unmittelbaren Rechtsgefühl und zeigt, dass es lohnenswert sein kann, sich gegen eine Abmahnung auch aktiv zur Wehr zu setzen.

Gleichwohl ist aus der eingehenden Auseinandersetzung mit der Fragestellung des Falles zu erkennen, dass auch eine geringfügige Abweichung nicht einfach als unbeachtlicher Bagatellverstoß abgetan werden kann. Auch ist festzustellen, dass sich eine einheitliche Linie der BGH-Senate noch nicht abzeichnet. So hatte der VIII Zivilsenat des BGH Ende 2010 – allerdings nicht für den Bereich des Wettbewerbsrechts - noch entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung ohne die vorgesehenen Überschriften und Zwischenüberschriften unwirksam sei (BGH, Urteil vom 1. 12. 2010 - VIII ZR 82/10).