Ist es irreführend, wenn ein Rechtsanwalt auf seinem Briefkopf angibt, dass er berechtigt sei, auch vor dem Oberlandesgericht aufzutreten?
Diese Frage hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20. Februar 2013 verneint. Geklagt hatten zwei Rechtsanwältinnen aus Köln, die in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammengeschlossen waren. Bei dem Beklagten handelte es sich ebenfalls um einen Rechtsanwalt mit Sitz in Wettenberg im Landgerichtsbezirk Gießen. Der Beklagte war vor dem 1. Juni 2007 als Rechtsanwalt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zugelassen. Vor dem 1. Juni 2007 durfte ein Rechtsanwalt nur vor einem Oberlandesgericht auftreten, wenn er an diesem Oberlandesgericht auch zugelassen war. Zum Beispiel durfte vor dem 1. Juni 2007 ein Rechtsanwalt, der beim Oberlandesgericht München zugelassen war, nicht vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf auftreten. Die Rechtslage hat sich seit dem 1. Juni 2007 geändert, so dass ein Rechtsanwalt, der bei einem Oberlandesgericht zugelassen ist, auch vor allen anderen Oberlandesgerichten auftreten darf.
Die Klägerin war daher der Meinung, der Beklagte werbe mit einer Selbstverständlichkeit, wenn er auf seinem Briefkopf herausstelle, dass er bei einem Oberlandesgericht zugelassen sei. Eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten kann aber eine irreführende Werbung darstellen und ist daher zu unterlassen. Die Klägerin verlangte daher von dem Beklagten gestützt auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, es zu unterlassen, auf dem Briefkopf die Zulassung beim Oberlandesgericht aufzuführen.
Die Frage, ob eine werbende Aussage irreführend ist oder nicht, kann nur mit Blick auf den Adressaten der Werbung beantwortet werden. Es ist zu ermitteln, ob durch die Werbung bei dem potentiellen Mandanten als Adressat der Werbung im vorliegenden Fall der Eindruck einer besonderen Qualifikation des Beklagten entsteht. Das Berufsrecht der Rechtsanwälte wurde seit dem Jahr 2002 gelockert und erst seit dem Jahr 2007 sind Rechtsanwälte befugt, vor allen Oberlandesgerichten aufzutreten.
Dem potentiellen Mandanten dürfte die Geschichte um die Liberalisierung des Berufsrechts der Rechtsanwälte nicht geläufig sein. Für einen potentiellen Mandanten ist es nach Auffassung des BGH daher weder bekannt noch selbstverständlich, dass jeder zugelassene Rechtsanwalt auch vor jedem deutschen Oberlandesgericht auftreten darf.
Der Beklagte hat mit dem Hinweis auf dem Briefkopf dem potentiellen Mandanten auch keine besondere Qualifikation vorgespielt. Der potentielle Mandant und auch der Beklagte haben nach Auffassung des BGH aufgrund der wechselvollen Geschichte des Berufsrechts der Rechtsanwälte ein berechtigtes Interesse an der Information, dass der Beklagte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt auftreten dürfe.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2013, Az. I ZR 146/12