Nimmt man die gesetzliche Regelung in § 312 d Abs. Satz 1 BGB wörtlich,
"Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu."
So würde man die zu Anfang gestellte Frage bejahen. Nicht nur, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig von einem Verbraucher spricht, verwendet der Gesetzgeber zu dem das Wort "Fernabsatzvertrag".
Ein solcher Vertrag wird nach § 312b Abs.1 S.1. BGB wie folgt gesetzlich definiert:
"Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.".
Es muss demnach immer die Konstellation eines Vertrages zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vorliegen um ein Widerrufsrecht aus Fernabsatzverträgen abzuleiten, sollte man meinen.
Das Amtsgericht Cloppenburg (Urteil vom 02.10.2012, Az.: 21 C 193/12), vor dem sich zwei Unternehmer darüber stritten, ob der Klägerin als Unternehmerin ein Widerrufsrecht nach § 312 d Abs. Satz 1 BGB zustehe, verneinte die einleitende Frage. Das Gericht sprach der Unternehmerin ebenfalls ein Widerrufsrecht zu und begründete dies wie folgt:
"Die Parteien haben nämlich ein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart, was aufgrund der Vertragsfreiheit der Parteien möglich ist (vgl. Palandt, Vorbem. v. § 355 BGB Rz.5). Dieses Widerrufsrecht wurde nach dem Wortlaut der AGB's des Beklagten, die unstreitig dem Kaufvertrag zugrunde lagen, sämtlichen Käufern eingeräumt, ohne dies auf Verbraucher zu beschränken. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine derartige Beschränkung weder aus dem Kontext noch aus dem Bezug auf die § 312 c Abs.2 BGB i.V.m. § 1 Abs.1, 2 und 4 BGB-InfoV und § 312 e Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV. Denn auf diese Vorschriften wird erst in Rahmen der Belehrung hinsichtlich des Fristenbeginns sowie in Bezug auf die Informationspflichten hingewiesen. Das eigentliche Widerrufsrecht wird aber ohne jeglichen Zusatz oder Hinweis eingeräumt, so dass es auch der Klägerin als Unternehmerin zusteht. Als Teil der AGB's der Beklagten ist diese Regelung nämlich danach zu beurteilen, welche Bedeutung ihr aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. BGH, VIII ZR 115/81). Der vom Beklagten angesprochene durchschnittliche Kundenkreis hat aber keine Vorstellung davon, dass gesetzlich lediglich den Verbrauchern ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, nicht jedoch Unternehmern. Wird dies in den AGB's dann nicht klar formuliert, geht dies zulasten des Beklagten, § 305 c Abs.2 BGB. Darf der Vertragsgegner somit annehmen, er schließe ein Geschäft ab, das er widerrufen kann, so sind die AGB's so auszulegen, dass dem Kunden ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird (vgl. BGH, VIII ZR 115/81). So ist es hier."
Nach der Rechtsansicht des AG Cloppenburg räumt zumindest derjenige Verkäufer vertraglich auch Unternehmern im Sinne von § 14 BGB ein Widerrufsrecht ein, welcher die Widerrufsbelehrung ohne einleitende Einschränkung auf Verbraucher in den AGB verwendet. Ob diese Rechtsansicht auch Bestand haben wird, wenn die Widerrufsbelehrung nicht in den AGB wiedergegeben wird, lässt das Urteil des AG Cloppenburg allerdings offen.
Hier gab es jedoch schon entsprechende Andeutungen durch das OLG Hamburg (Urteil v. 03.06.2010, Az: 3 U 125/09):
"Das gesetzlich vorgesehene Widerrufsrecht steht nur dem Verbraucher (i.S. von § 13 BGB), nicht jedoch einem Unternehmer (i.S. von § 14 BGB) zu. Wird auch ein Käufer, der Unternehmer im Sinne von § 14 BGB ist, über das Widerrufsrecht belehrt, so hätte dies zur Folge, dass auch dem Unternehmer ein Widerrufsrecht im Sinne eines vertraglichen Rücktrittsrechts zustünde (Palandt-Grünberg, BGB, 69. Auflage, 2010, § 355 Rn. 13, unter Bezugnahme auf BGH NJW 1982, 2313). Das Verlangen des Beklagten, den „Vorspann“ wegzulassen, würde dazu führen, dass der Kläger -über seine gesetzliche Verpflichtung hinaus- jedem Kunden ein Widerrufsrecht zubilligen müsste. Die gegenteilige Rechtsansicht des Beklagten ist nicht überzeugend."
Es stellt sich daher den Verkäufern die Frage, wie eine solche Einschränkung vorgenommen werden kann. Genau hier begann bei manchem Händler die Abwägung zwischen "Widerrufsrecht für Unternehmer" oder "wettbewerbsrechtlicher Abmahnung durch einen Mitbewerber".
Grund für diese Abwägung waren insbesondere die folgenden Urteile zu wettbewerbswidrigen Formulierungen, die den Unternehmer vom Widerrufsrecht ausschließen sollten und von den Gerichten bisher "verboten" wurden:
LG Kiel, Urteil v. 09.07.2010, Az.: 14 O 22/10:
„Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn Sie Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind. …“;
OLG Stuttgart, Urteil v. 11.12.2008, Az.: 2 U 57/08:
“Ausschließlich Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht”.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese schwierige Situation für die Händler mit Urteil vom 09.11.2011 (Az.: I ZR 123/10) entschärft, indem er den folgenden Satz als wettbewerbsrechtlich zulässig bewertete:
"Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht".
Wichtige Anmerkung wäre hierbei, dass der BGH in seiner Entscheidung viel Wert darauf gelegt hat, dass der Zusatz außerhalb der Wiedergabe der Musterwiderrufsbelehrung benutzt wurde.