Im Bereich der Krankenhausversorgung kommt dem Begriff "Zentrum" eine besondere Bedeutung zu. Wenn eine Klinik mit einem "Neurologisch/Vaskulären Zentrum“ wirbt, dann schließen Patienten auf eine besondere Größe und Qualifizierung dieser Abteilung. Wenn das nicht der Fall ist, ist diese Werbung irreführend. Zu diesem Urteil kam der Bundesgerichtshof im Januar 2012. Er befasste sich in seiner Entscheidung vor allem mit der Frage, ob der Begriff "Zentrum" einen Bedeutungswandel erfahren hat. Laut dem Gericht ist das nicht der Fall, jedenfalls nicht so stark wie beim Begriff "Center".
Der Rechtsstreit entspann sich zwischen zwei Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern. Diese liegen rund 35 Kilometer voneinander entfernt und versorgen daher den weitgehend gleichen Personenkreis. Eine der Kliniken besitzt eine eigene neurologische Fachabteilung. Für die andere Klinik ist eine solche Fachabteilung nicht vorgesehen. Sie bildete aber für zwei ihrer Fachabteilungen eine Unterabteilung, mit einem Neurologen als Chefarzt. Diese bezeichnete sie als "Neurologisch/Vaskuläres Zentrum". Im Internet und einem Newsletter wies die Klinik auf dieses Zentrum hin. Daraufhin klagte die erste Klinik auf Unterlassung. Sie argumentierte mit der besonderen Bedeutung des Wortes "Zentrum". Dem angesprochenen Personenkreis würde auf diese Weise eine große und besonders befähigte Abteilung suggeriert. Es entstünde der Eindruck einer überdurchschnittlichen Qualifizierung, verglichen mit einer normalen neurologischen Fachabteilung. Darum sei die Werbeaussage der Klinik irreführend.
Die beklagte Klinik unterlag zunächst vor dem Landgericht Rostock. Im Berufungsverfahren konnte sie sich aber durchsetzen. Das Oberlandesgericht folgte ihrer Argumentation: Demnach hat das Wort "Zentrum" einen Bedeutungswandel erfahren. Ähnlich wie der Begriff "Center" diene es nur noch der namentlichen Bezeichnung einer Einrichtung. In juristischer Formulierung: Das Verkehrsverständnis des Wortes "Zentrum" umfasse nicht mehr die Vorstellung einer besonderen Qualifikation der Einrichtung. Gegen das Berufungsurteil ging die Klägerin in Revision. Daher befasste sich der Bundesgerichtshof abschließend mit dem Fall.
Er folgte der Argumentation der Klägerin und hob das Berufungsurteil in den entscheidenden Passagen auf. Das Gericht stützte sich dabei auf seine bisherige Rechtsprechung zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach ist eine Werbung irreführend, wenn sie bei einem erheblichen Teil der umworbenen Personen falsche Vorstellungen des jeweiligen Angebotes hervorrufen kann. Daher prüfte das Gericht erneut, ob sich das Verständnis des Begriffes "Zentrum" tatsächlich gewandelt hat. Das Berufungsgericht hatte u.a. auf den Begriff des "Medizinischen Versorgungszentrums" Bezug genommen. Damit werde lediglich eine bestimmte Form der Zusammenarbeit von Ärzten beschrieben. Das sei den Patienten auch bewusst.
Der BGH folgte dieser Einschätzung aber nicht. Denn es kommt laut dem BGH immer auf den Gesamteindruck der Werbung an. Für potentielle Patienten erwecke der Begriff unzweifelhaft den Eindruck überdurchschnittlicher Ausstattung und Erfahrung. Die Unterabteilung verfüge aber nicht über eine überdurchschnittliche Kompetenz im Bereich neurologischer Erkrankungen. Daher war die Werbung mit der Bezeichnung "Neurologisch/Vaskuläres Zentrum" irreführend. Denn sie beeinflusst Patienten mit neurologischen Beschwerden sich zur Behandlung in die vermeintlich überdurchschnittlich kompetente Unterabteilung zu begeben. Die beklagte Klinik habe mit der Bezeichnung zumindest fahrlässig gehandelt. Daher habe die Klägerin auch Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, wie sie im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelt ist. Das Urteil des BGH erging am 18. Januar 2012 mit dem Az. I ZR 104/10.