In der Gastronomie wird der Kellner nicht nur durch sein Arbeitsentgelt für seine Leistungen entlohnt. Zumeist zeigen sich auch die Gäste zu einem Trinkgeld bereit. Je nach Einrichtung kommt es dabei indes zu Unterschieden in der Verteilung der Summen. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Mainz zeigt jedoch: Wer jahrelang auf die Einnahmen hoffen durfte, muss künftig nicht mit seinen Kollegen teilen.
Ein Bestandteil des Einkommens
Dem Entscheid lag der Sachverhalt zugrunde, wonach ein Angestellter eines Restaurants sämtliche an ihn gezahlten Trinkgelder durch die Gäste behalten durfte. Er war also nicht gezwungen, diese an die übrigen Bediensteten auszuzahlen. Über 17 Jahre hinweg erwirtschaftete er dabei einen durchschnittlichen Betrag von 500 Euro im Monat. Diese Summe plante er folglich fest ein, war auf sie also angewiesen. Durch den Besitzerwechsel des Lokals ergab sich im Arbeitsablauf jedoch eine Veränderung: Der neue Vorgesetzte ließ den Kellner nicht mehr bei den Gästen abkassieren, sondern verteilte diese Aufgabe an die Kollegen, die im festgelegten Rhythmus in den Genuss des Trinkgeldes kamen. Dieses Vorgehen lehnte der Kellner indes ab. Er wurde abgemahnt und anschließend gekündigt, wogegen er jedoch klagte.
Revision eingelegt
Tatsächlich gab der Spruchkörper dem Kellner in der ersten Instanz recht. Er durfte auf das zusätzliche Geld vertrauen, hatte er es doch seit 17 Jahren behalten dürfen, ohne dass dieses Vorgehen von seinem Chef beanstandet wurde. Daran ändere auch der Besitzerwechsel des Lokals nichts. Zwar könne der neue Vorgesetzte noch immer von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Ihm steht es also zu, seinen Angestellten bestimmte Arbeiten zuzuteilen, die Pläne und Schichtzeiten festzulegen oder das System der Trinkgeldteilung zu koordinieren. Davon wurde vorliegend aber nicht das Privileg des Kellners betroffen, die Trinkgelder zu behalten. Ihm stehe hierbei also eine Art Gewohnheitsrecht zu. Dagegen legte der Restaurantinhaber die Revision ein.
Durch jahrelange Praxis bestätigt
Entscheidend für das letztinstanzliche Urteil war es, dass der Klagende nur deshalb recht bekam, weil er über mehr als anderthalb Jahrzehnte die Trinkgelder abkassieren und behalten durfte. Er hatte also einen Grund, auf diese zusätzliche Einnahmequelle zu vertrauen und seinen Lebensstandard danach auszurichten. Insofern sei es ihm nach Ansicht des Gerichts nicht zuzumuten gewesen, täglich mit seinen Kollegen um die Aufteilung der Gelder zu streiten. Doch aus dem Entscheid ergibt sich allgemein betrachtet nur wenig Handfestes. So kann ein Angestellter zwar auf derartige Einnahmen vertrauen, aber dafür muss er die jahrelange Praxis sowie die innere Überzeugung des rechtmäßigen Handelns sowohl bei sich selbst als auch seinem Vorgesetzten nachweisen können.
Einschränkungen im Weisungsrecht
Erst aus diesem Nachweis ergibt sich das Weitere. Dazu zählt nicht alleine das Recht, die Trinkgelder wie bisher üblich zu behalten. Auch die Einteilung des Dienstplans und die Frage, welcher Kellner bei den Gästen abkassieren darf, ist davon betroffen. Etwas Anderes hätte sich erst dann ergeben, wenn der Bedienstete nicht über 17 Jahre, sondern nur über wenige Monate hinweg in den Genuss der Gelder gekommen wäre und man ihm somit das Gewohnheitsrecht nicht hätte zusprechen können. Allerdings wird es für ähnlich gestaltete Sachverhalte auf einige Details ankommen, die im Rahmen der Verhandlung zu beleuchten sind. So ist genau zu erörtern, ob das Gewohnheitsrecht im Einzelfall einschlägig ist.
LArbG Mainz, Urteil vom 09.12.2010, Az. 10 Sa 483/10