Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen führen mangels Täuschung nicht zu einer Strafbarkeit wegen Betruges.
Wer Abmahnungen verschickt, die sich im Nachhinein als rechtsmissbräuchlich herausstellen, macht sich nicht zwingend wegen Betrugs strafbar. Hierfür bedarf es einer Täuschung im Sinne des Betrugstatbestands, welche in dem vorliegenden Fall nicht gegeben war. Das entschied das OLG Köln in seinem Beschluss vom 14.05.2013 (Az. III-1 RVs 67/13).
Ein Anwalt, der hauptsächlich im Bereich des gewerblichen Rechtsschutz tätig war, hatte einen Schuhhändler abgemahnt. Dieser hatte über ein Auktionsportal die "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" mit dem Kürzel "UVP" zum Vergleich mit den von ihm angebotenen Preisen angegeben. Zum Zeitpunkt der Abmahnungen hielt ein großer Teil der Rechtswissenschaft ein derartiges Verhalten für irreführend und damit wettbewerbswidrig. Da der Händler den von dem Anwalt geforderten Schadensersatz nicht zahlen konnte, schlug ihm der Anwalt vor, ihn für weitere Abmahnungen in der Schuhbranche zu mandatieren. Er könne den geforderten Schadensersatz dann mit seinem Anteil aus den Abmahnungen begleichen. Daraufhin verschickte der Anwalt zahlreiche Abmahnungen im Namen des Schuhhändlers, in denen er behauptete, sein Mandant vertreibe Schuhe "in großem Umfang". Den geforderten Anwaltsgebühren legte er Gegenstandswerte zugrunde, die aufgrund des geringen Geschäftsvolumens des Schuhhändlers stark überhöht waren. Hierdurch erhöhten sich auch die Anwaltsgebühren enorm.
Die Vorinstanzen hatten sowohl den Anwalt als auch den Schuhhändler wegen vielfachen Betrugs verurteilt.
Das Oberlandesgericht hob das Urteil des Vorinstanz in der Revision auf. Der Tatbestand des Betruges sei nicht erfüllt, da nicht über eine Tatsache getäuscht wurde.
Es liege keine Täuschung in der Behauptung des Anwalts, das Geschäftsvolumen seines Mandanten sei "groß". Dies sei lediglich eine subjektiv konnotierte Wertung, die keinen Tatsachenkern enthalte. Obwohl das Geschäftsvolumen des Schuhhändlers vergleichsweise gering war, könne es trotzdem als "groß" betitelt werden, ohne dass hierin eine unwahre Tatsachenbehauptung läge.
Auch durch die Angabe der überhöhten Gegenstandswerte, die der Berechnung des Anwaltshonorars zugrunde lagen, wurde nicht getäuscht. Der Streitwert eines Unterlassungsbegehrens könne nach freiem Ermessen bestimmt werden. Da in den Abmahnschreiben nicht substantiiert dargelegt wurde, wie die Gegenstandswerte zustande kamen, sei auch die Angabe der Gegenstandswerte keine Tatsachenbehauptung, sondern vielmehr eine freie Schätzung.
Es sei auch nicht darüber getäuscht worden, dass die Abmahnschreiben lediglich auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet und damit unzulässig waren. Es handele sich zwar zweifelsohne um eine missbräuchliche, nur zur Bereicherung dienende Abmahnung. Dies werde in dem Schreiben aber weder ausdrücklich noch schlüssig behauptet. In einer Abmahnung sei nicht stets die schlüssige Erklärung verkörpert, dass keine sachfremden Motive verfolgt werden.
Es sei auch keine Täuschung in der Geltendmachung der nicht existierenden Schadensersatzforderungen zu erkennen. Das Einfordern einer Leistung, auf die eigentlich kein Anspruch besteht, sei nur in Ausnahmefällen eine Täuschung über Tatsachen - etwa dann, wenn die Forderung mit unwahren Grundlagen gestützt wird. Ein solcher Ausnahmefall liege hier aber nicht vor.
Der Betrugstatbestand sei somit nicht erfüllt.
Das OLG Köln mahnte durch seinen Beschluss die saubere Prüfung des Betrugstatbestands an. Richtigerweise stellen schwammige Formulierungen und Behauptungen ohne substantiierte Grundlagen noch keine Täuschung über Tatsachen dar.
Es sei außerdem noch erwähnt, dass die Angabe eines Preises mit dem Kürzel "UVP" seit einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2007 nicht mehr irreführend und damit auch nicht mehr abmahnfähig ist.
OLG Köln, Beschluss vom 14.05.2013, Az. III-1 RVs 67/13