Ist die Kündigung eines Handelsvertrags durch eine E-Mail möglich? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Oberlandesgericht München am 26.01.2012.
Grundsätzlich ist es möglich, einen Handelsvertrag durch eine E-Mail zu kündigen. Eine Kündigung ist in einigen Fällen sogar konkludent möglich, das heißt durch ein schlüssiges Verhalten, woraus auf eine Kündigung zu schließen ist. Insgesamt ist hervorzuheben, dass eine Kündigung ohne bestimmte Bedingungen problemlos formfrei erfolgen kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass keine zusätzlichen Voraussetzungen für die Kündigung vertraglich vereinbart worden sind.
In dem vom Oberlandesgericht München zu entscheidenden Fall wurde vereinbart, dass eine Kündigung schriftlich zu erfolgen hat. Die Gretchenfrage ist nun gewesen, ob eine E-Mail eine schriftliche Kündigung darstellt oder nicht. Problematisch ist die Tatsache, dass eine E-Mail in der Regel keine Unterschrift enthält, sodass gerade der Sinn des Schriftformerfordernisses nicht eingehalten werden kann. Aus diesem Grund entschied die Vorinstanz, dass eine E-Mail nur dann als eine wirksame schriftliche Kündigung zu behandeln sei, wenn diese eine eingescannte und eigenhändig unterzeichnete Erklärung darstelle.
Das nicht unumstrittene Urteil des Münchner Oberlandesgerichts folgte der Ansicht der Vorinstanz nicht und entschied sich anders. Nach Meinung des Oberlandesgerichts könne der Handelsvertrag wirksam durch eine E-Mail gekündigt werden. Voraussetzung dafür müsse lediglich sein, dass beim Empfänger des Kündigungsschreibens keine Zweifel über die Identität des Absenders bestünden. Das Schriftformerfordernis diene dazu, die Identität des Absenders sicherzustellen. Dies sei im vorliegenden Fall durch eine E-Mail zu genüge getan. Ferner würde durch eine solche Regelung dem modernen Stand der Technik und der weitverbreiteten Praxis Rechnung getragen werden. Ein eingescannter Ausdruck mit persönlicher Unterschrift, welcher als E-Mail versendet wird, sei nach Meinung des Gerichts nicht lebensnah und im Geschäftsverkehr absolut unüblich. Dann nämlich würden die Vorteile von E-Mails gegenüber dem Telefax nahezu vollständig verdrängt werden. Das Oberlandesgericht führt weiter aus, dass es nicht verkenne, dass eine elektronische Unterschrift keineswegs per se auf den tatsächlichen Verfasser schließe. Aus diesem Grund müsse immer der Einzelfall geprüft werden. Es müsse immer darauf abgestellt werden, ob beim Empfänger Zweifel über die Identität des Absenders bestehen dürfen. Bestehen keine Zweifel und kommt es dem Empfänger nicht auf die handgeschriebene Unterschrift an, so sei dem Schriftformerfordernis auch mit einer E-Mail genüge getan.
Bedeutung des Urteils in der Praxis
Das Urteil des Münchener Oberlandesgerichts ist äußerst umstritten. Deshalb ist es empfehlenswert in der Praxis den herkömmlichen Weg zu wählen und mit einem eigenhändig unterschreibenden Brief zu kündigen, sofern ein Schriftformerfordernis vereinbart worden ist. Die bisherige Rechtsprechung und auch die Literatur teilen die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München nicht, beziehungsweise nur teilweise. Ob andere Gerichte sich in der Zukunft an dem Münchener Urteil orientieren werden, steht in den Sternen. Nach jetzigem Stand spricht allerdings vieles dagegen und es erscheint mehr als fraglich, dass sich diese Rechtsauffassung durchsetzen wird.
OLG München, Urteil vom 26.01.2012, Az. 23 U 3798/11