Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm befasst sich einerseits mit den wettbewerbsrechtlichen Erfordernissen, die an das Angebot eines Unternehmers gestellt werden, und andererseits mit dem Erstattungsanspruch eines Abmahners gegenüber dem Abgemahnten, wenn dieser die Rechtsanwaltskosten (Abmahnkosten) noch nicht bezahlt hat.
Ergebnis des Urteils ist, dass der in Anspruch genommene Unternehmer zum Unterlassen seines wettbewerbswidrigen Angebots verpflichtet wurde und dass er die Rechtsanwaltskosten des abmahnenden Unternehmens erstatten muss, auch wenn dieses die Honorarrechnung des Anwalts noch nicht beglichen hat.
Dem vorliegenden Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Ebay-Händler war im Bereich des Verkaufs von Haushaltswaren tätig. Hierbei verwendete er weder ein Impressum noch eine ordnungsgemäße Widerrufserklärung oder einen Hinweis darauf, dass der Vertragstext über den mit dem Verbraucher geschlossenen Vertrag gespeichert wird und dem Verbraucher zugänglich ist. Folglich ist er von einem konkurrierenden Unternehmer abgemahnt worden. Insbesondere beanstandete das abmahnende Unternehmen den fehlenden Hinweis auf die Speicherung des Vertragstextes.
Zwar gab der abgemahnte Unternehmer, wie von dem abmahnenden Unternehmen gefordert worden ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, dass er seine Angebote nicht mehr derart gestaltet, dass die erforderlichen Informationen und Hinweise fehlen. Jedoch akzeptierte er die Geltendmachung der Abmahnkosten in Gestalt der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 924,40 Euro nicht. Er bestritt, dass dem abmahnenden Unternehmen diese Kosten überhaupt entstanden seien sowie dass es diese Kosten beglichen habe. Rechtsanwaltskosten könnten seiner Ansicht nach nur dann mittels eines Erstattungsanspruchs geltend gemacht werden, wenn sie tatsächlich vom Anspruchsteller gezahlt worden seien.
Das Oberlandesgericht sah eindeutig einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen, so dass es dem Grunde nach einen Anspruch auf Unterlassung als gegeben ansah:
Durch das fehlende Impressum, die fehlende Widerrufsbelehrung und den fehlenden Hinweis auf die Speicherung werden die Rechte der Verbraucher beeinträchtigt, so dass in der Folge eine Abmahnung rechtlich begründet ist. Die oben genannten Angaben wären in dem Angebot des Abgemahnten erforderlich gewesen, wurden jedoch unterlassen. Auf diese Weise sind diese zum Schutz der Verbraucher bestehenden Marktverhaltensregeln beeinträchtigt. Die Interessen der Verbraucher sind verletzt. Durch die fehlende Widerrufsbelehrung verstieß der Abgemahnte gegen §§ 312c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB. Der mangelnde Hinweis auf die Speicherung des Vertragstextes ist mit 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB, Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB nicht vereinbar. Zuletzt entspricht das Angebot nicht den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG. Diese Norm ist eine Schutzvorschrift und Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Rechte kann dem abmahnenden Unternehmen nicht vorgeworfen werden, sachfremde Ziele sind im Rahmen seiner Rechtsverfolgung gegen den Abgemahnten nicht zu erkennen, außerdem kann sie dieser nicht beweisen.
Das Gericht entschied, dass dem Anspruchsteller grundsätzlich zwar nur ein Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten gemäß § 257 BGB zusteht, wenn diese durch den Abmahnenden noch nicht beglichen worden sind. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG legt fest, dass der Abmahnende einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hat. Der Gesetzgeber hat durch die gesetzliche Verankerung des § 12 UWG lediglich die Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag reglementiert. Hiernach ist grundsätzlich nur ein Anspruch auf Freistellung vorgesehen, den zur Freistellung erforderlichen Geldbetrag kann der Anspruchsteller nicht verlangen. Im Interesse des Abgemahnten wurde nämlich durch Beauftragung eines Rechtsanwalts lediglich eine Verbindlichkeit eingegangen. Vorrangig ist das Prinzip der Naturalrestitution. Die Vorschrift des § 250 BGB über den Geldersatz ist nicht auf § 12 UWG anwendbar. Eine analoge Anwendung wäre nur bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, die der Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift nicht erkannt hat, möglich. Eine solche war nicht ersichtlich.
Der vorliegende Fall gestaltet sich aber anders. Denn das abmahnende Unternehmen hatte dem Abgemahnten bereits eine Frist zur Begleichung der Rechtsanwaltskosten gesetzt. Diese Frist hat der Abgemahnte erfolglos verstreichen lassen. Auf diese Weise hat der Abgemahnte gegen die ihm obliegende Verpflichtung zur Freistellung des abmahnenden Unternehmens von den entstandenen Abmahnkosten verstoßen. Dieser Verstoß führt dazu, dass die Abmahnkosten trotz fehlender Begleichung erstattungsfähig sind und der Abgemahnte zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB. Das erforderliche Schuldverhältnis liegt in dem Wettbewerbsverstoß und der damit verbundenen Abmahnung, die ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen. Das abmahnende Unternehmen hat dem Abgemahnten eben eine Frist gesetzt, die dieser ignorierte und nicht zur Zahlung nutzte. Da nunmehr eine Naturalrestitution nicht mehr möglich ist, ist in diesem Fall ein Geldersatz nach § 281 BGB möglich.
OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2012, Az. I-4 U 134/12
Artikel
14.12.2012