Derselbe Fall, unterschiedliche Meinungen. Während ein Kölner Amtsgericht die Befristung von Gutscheinen für unzulässig erklärt, kann das Landgericht Berlin keine Benachteiligung sehen.
Wenn das Gutscheingeschäft deutsche Gerichte spaltet
Was in den USA schon seit Jahrzehnten zum wirtschaftlichen Alltag gehört, setzt sich auch in Deutschland immer mehr durch: Die Rede ist von Gutscheinen. Einen neuen Aufschwung erlebte das Geschäft mit Preisnachlässen durch das Internet, wo immer mehr Kunden nach Gutscheinen oder deren Codes suchen, um preisgünstiger einkaufen zu können. Doch in letzter Zeit gab es vermehrt Streit vor Gerichten, ob und inwieweit Gutscheine zeitlich begrenzbar sind. Hintergrund ist das Verjährungsrecht. Wer ein Leistungsanspruch gegenüber einer anderen Person hat, kann dieses Recht nicht bis in alle Ewigkeit durchsetzen. Vielmehr verjähren Ansprüche mit Ausnahme von einigen Sonderfällen grundsätzlich nach drei Jahren. So sieht es der Paragraf 195 BGB vor. Nach Verstreichen dieser Frist steht es dem Schuldner, also der Person, demgegenüber ein Forderungsrecht besteht, die Möglichkeit offen, die Leistung zu verweigern. Nun stellt sich die Frage, ob zeitliche Beschränkungen von Gutscheinen auf weniger als die besagte "regelmäßige Verjährungsfrist" von drei Jahren zulässig sind.
AG Köln: Zu kurze Gutscheinbefristungen benachteiligen Verbraucher
Ein Kölner Amtsgericht hat im vorigen Jahr im Interesse der Verbraucher entschieden, dass zeitliche Begrenzungen von Gutscheinen auf weniger als drei Jahren unzulässig sind (Az.: 118 C 48/12). Das Gericht argumentierte dabei mit dem Paragrafen 307 BGB, wo festgehalten wird, dass wer AGB nutzt (in diesem Fall der Anbieter von Gutscheinen), seinen Vertragspartner nicht "unangemessen benachteiligen" darf. Dabei ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifelsfall dann anzunehmen, wenn die AGB-Klausel von dem Grundgedanken einer gesetzlichen Reglung in unzumutbarer Weise abweicht. Die Kölner Richter urteilten, dass die in den AGB festgehaltene Begrenzung eines Gutscheins auf ein Jahr dem Grundgedanken des Paragrafen 195 BGB (regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren) widerspricht und deshalb unwirksam sei.
LG Berlin: Wer monetäre Vorteile hat, kann gar nicht benachteiligt werden
Im Gegensatz dazu zeigt sich das Landgericht Berlin weniger verbraucherfreundlich. Gestritten wurde vor dem Landgericht wieder über dieselbe Frage, ob die Begrenzung von Gutscheinen erlaubt ist. Obwohl der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, mit denselben Argumenten des Kölner Amtsgerichts seine Meinung vertrat, konnte er die Berliner Richter nicht überzeugen. Zwar knüpfte das Landgericht ebenfalls an den Paragrafen 307 BGB, wo es um die Benachteiligung des Vertragspartners geht, interpretierte die Reglung aber anders. Eine Benachteiligung wollten die Richter nicht in der Tatsache sehen, dass der Beklagte, ein Betreiber eines Gutscheinportals, die (Verjährungs-)Rechte seiner Kunden beschnitt. Vielmehr betrachtete das Landgericht das Geschäft mit Gutscheinen in seiner Gesamtheit. Gutscheine erlauben dem Kunden, nur einen Bruchteil dessen zu bezahlen, was die Gegenleistung eigentlich Wert ist. Wer einen solchen Vorteil habe, kann gar nicht benachteiligt werden, was wiederum eine Begrenzung der Verjährungsfrist trotz des einschlägigen Wortlautes des Paragrafen 307 in Verbindung mit 195 BGB als zumutbar erscheinen lasse. Angesichts des Umstandes, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stets zugunsten des Gutscheinnutzers ausfalle, so die Auffassung der Berliner Richter, könne von einer Benachteiligung keine Rede seien.
LG Berlin, Urteil vom 25.10.11, Az. 15 O 663/10