Auch wenn es manchmal schwierig ist, allgemeines geltendes Recht auf das Internet zu übertragen, so gelten dort doch grundsätzlich Gesetze, so wie in der "analogen Welt".
Hätte also ein Patient in einer Zeitung seinen Arzt als Pfuscher bezeichnet und sich auch sonst in seinem Beitrag in den Bereichen um Verleumdung, üble Nachrede, Beleidigung oder gar Geschäftsschädigung bewegt, so würde es niemanden wundern, wenn es darüber zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung gekommen wäre. Dabei wäre vermutlich auch die Zeitung zur Verantwortung gezogen worden.
Dass im Internet manche Anwendung so leicht und spielerisch daherkommt, ändert nichts daran, dass gewisse "Spielregeln" auch hier einzuhalten sind, will man nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
So hatte das LG Berlin (Urteil vom 05.04.2012, Az.: 27 O 455/11) über einen Fall zu entscheiden, in dem auf Google Maps ein anonymer Verfasser einen negativen Erfahrungsbericht über den Arzt einer Berliner Praxis für plastische Chirurgie veröffentlicht hatte:
"Vorsicht!!!!!!!!!!! der Fuscher!!!! schlimmer kann man einen Menschen nicht verunstalten: seit dieser "Behandlung" kann ich nicht mehr anziehen, was ich will, ich muss genau überlegen womit ich was abdecken kann. Meine Arme, Mein Po- alles mit Dellen überseht und hängt unvorstellbar hässlich ab. Was ich schon investiert habe in Korrekturoperationen-> nichts hilft mehr! Seid vorsichtig! Seid gewarnt!!! Er ist furchtbar!"
Gegen diese öffentliche und wenig schmeichelhafte Beurteilung wollte sich der Arzt natürlich wehren und rief das Gericht an.
Da der Verfasser anonym war und vermutlich seine Identität auch nicht feststellbar war, nahm er folgerichtig den Provider der Seite - in diesem Falle Google - im Rahmen der sogenannten Störerhaftung auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht Berlin folgte seinem Antrag und stufte den Text als Tatsachenbehauptung ein. Damit tritt - ungeachtet der Frage, ob die geäußerten Behauptungen wahr oder unwahr sind - die Störerhaftung ein. Daher war auch unerheblich, dass der Arzt in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt hatte, im betreffenden Zeitraum keine Behandlung mit den genannten Komplikationen vorgenommen zu haben.
Zwar gilt, dass ein Provider nicht alle Einträge auf allen von ihm betriebenen Seiten kontrollieren kann und muss. Spätestens aber mit der Aufforderung des Arztes zur Entfernung des Eintrags hatte Google Kenntnis von der Angelegenheit und wäre danach zur Löschung verpflichtet gewesen. Google hatte dies aber abgelehnt und erklärt, es handele sich hier um eine zulässige Meinungsäußerung.
Das Gericht gab dem Antragsteller zunächst in einem Eilverfahren recht, wogegen Google keinen Widerspruch einlegte, aber den prozessgegenständlichen Beitrag entfernte. Im Hauptverfahren folgte das Gericht ebenfalls dem Antrag des Klägers.
Der BGH hatte zuvor bereits in einem anderen Fall ähnlich entschieden (Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10) und damit den Rahmen für die Störerhaftung von Internet-Providern für anonym geäußerte Tatsachenbehauptungen gesteckt.
Weitere Urteile in diesem Tenor werden sicher folgen. Damit dürfte es für Provider zukünftig schwieriger werden, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Ob nun hinter dem Button auf einer virtuellen Landkarte (wie bei Google Maps) oder in einem Forum - die Verantwortlichkeit für die Inhalte liegen im Rahmen der Störerhaftung beim Betreiber der Seite - in der "analogen Welt" eine Selbstverständlichkeit, die sich nun auch im Internet durchsetzen wird.
Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass zukünftig auch Bewertungen - z.B. bei eBay - nicht mehr so einfach als zulässige Meinungsäußerungen abgetan werden können.
LG Berlin, Urteil vom 05.04.2012, Az.: 27 O 455/11
Artikel
06.02.2013