Die Frist für die Beurteilung der Dinglichkeitsvoraussetzung bei einstweiligen Verfügungen beginnt ab Erlangung der tatsächlichen Erkenntnis über den Wettbewerbsverstoß.
Wettbewerbsstreit über vermeintlichen Versicherungsschutz
Die Verfahrensparteien standen wegen der Frage über die Wirksamkeit eines Versicherungsvertrages sowie - für die anschließende Beurteilung des Unterlassungsanspruches wesentlicheren Aspekt - der Frage, ob der Verfügungsgegner mit dem Versicherungsschutz durch den Verfügungskläger werben darf, vor Gericht. Für das Landgericht Dortmund, vor dem der Antrag auf eine einstweilige Verfügung verhandelt wurde, gab es hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Wettbewerbsverstoßes durch den Verfügungsgegner keine Probleme. Mit nur einem Satz stellten die Richter fest, dass sich der Verfügungsanspruch des Antragsstellers aus gleich Anspruchsgrundlagen herleiten ließe, nämlich einerseits aus § 3 und 4 Nummer 10 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) sowie andererseits aus §§ 1004 Absatz 1 und den 823 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Deadline überschritten? Hat Antragssteller sein Recht auf einstweilige Verfügungen „verwirkt“?
Problematischer war dagegen die Beurteilung der Frage, ob die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Voraussetzung der Dringlichkeit noch gegeben ist. Der Verfügungsbeklagte erklärte, dass "keine Eilbedürftigkeit gegeben (sei), da der Verfügungsklägerin seit über 1 Jahr bekannt sei, dass sich die Verfügungsbeklagten seit über 1 Jahr einer Vertragsbeziehung mit der Verfügungsklägerin berühmten". Der Antragssteller habe somit sein Recht auf eine einstweilige Verfügung verwirkt. Dem schloss sich Dortmunder Landgericht aber nicht an. Im Gegenteil: Es hielt die Dringlichkeit für durchaus noch gegeben.
Frist und Fristbeginn
Da das Gesetz keine Angaben über eine Frist macht, in der ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung spätestens bei einem Gericht eingereicht werden muss, werden in der gerichtlichen Praxis unterschiedliche Ansichten vertreten. Während einige Gerichte eine starre Frist von einem Monat für angemessen erachten und Verzögerungen von nur 1 Tag zum Anlass nehmen, Anträge abzuweisen, geben sich andere Gerichte liberaler und akzeptieren zum Teil noch Anträge, die wesentlicher später eingereicht werden. Als eine gewissermaßen etablierte Frist, die die meisten Gerichte als Mindestzeitraum ansetzen, um Anträge für einstweilige Verfügungen noch anzunehmen, gilt die von einem Monat. Doch ab wann fängt die Ein-Monats-Frist, zu laufen? Der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm folgend, von dem das Landgericht Dortmund auch die Ein-Monats-Frist übernommen hat, ist nach Ansicht der Richter der Moment der Kenntnisnahme entscheidend bzw. der Augenblick, an dem der Antragssteller den wettbewerbswidrigen Umstand hätte erkennen müssen. "Die Verfügungsklägerin hat aber glaubhaft gemacht, konkrete Kenntnis von der Werbetätigkeit der Verfügungsbeklagten erst eben durch die E-Mail des Journalisten Endlweber vom 11.02.2013 erhalten zu haben", schreiben die Richter in ihrem Urteil, womit der Antragseingang des Verfügungsklägers am 07.03.2013 als rechtzeitig im Sinne der Dringlichkeit zu erachten ist.
Keine Marktbeobachtungspflicht
Niemand könne von dem Antragssteller erwarten, er hätte den Umstand schon vorher erkennen müssen. Denn diese Pflicht würde auf eine pauschale Marktbeobachtungspflicht hinauslaufen, wonach jeder Unternehmen die Tätigkeiten aller Marktteilnehmer beobachten und nach möglichen Rechtsverletzungen analysieren müsste. Weder ist die Umsetzung praktisch möglich, noch gibt es eine entsprechende Pflicht hierzu, weshalb die Richter als Fristbeginn den Moment gelten ließen, ab dem der Antragsteller tatsächliche Kenntnis über den Wettbewerbsverstoß erlangt hat.
LG Dortmund, Urteil vom 17.4.13, Az. 19 O 114/13