Auch der Onlinedienst Twitter bleibt von Abmahnungen nicht verschont.
Der Sachverhalt im streitentscheidenden Fall:
Für Twitter ist es sicherlich keine große Besonderheit, dass User Links zu externen Internetseiten posten. Das LG Frankfurt musste jedoch genau dieses Phänomen neu beurteilen. In dem konkreten Fall hatte ein Twitter-Nutzer gleich mehrere Links über die Plattform veröffentlicht. Die Verlinkungen führten zu Internetseiten, die negative Äußerungen über ein Unternehmen publizieren sollten. Diese waren schon objektiv wahrheitswidrig. Umso verständlicher ist es, dass das angesprochene Unternehmen unverzüglich den Antrag auf einstweilige Verfügung beim LG Frankfurt am Main stellte. Durch die einstweilige Verfügung sollte sichergestellt werden, dass der Nutzer keine weiteren Links zu Drittseiten veröffentlicht, die der weiteren Vermittlung der wahrheitswidrigen Behauptungen dienen sollten. Das Landgericht gab dem Antrag des Klägers statt und erließ die einstweilige Verfügung gegen den Twitter-User.
Die Gründe für den Streitentscheid:
Mit der Veröffentlichung eines Links kann der Nutzer grundsätzlich haftbar gemacht werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Drittseite nicht im "Eigentum" des Verlinkenden steht. Es reicht stattdessen aus, dass durch die fremde Internetdomain rechtswidrige oder auch rechtsverletzende Inhalte dargestellt werden. Nichtsdestotrotz ist gerade das Missverhältnis zwischen fehlendem Eigentum und rechtlicher Verantwortung umstritten. Eine Rechtsgutsverletzung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Poster sich den fremden Inhalt zu Eigen macht. Insoweit muss er den Drittanbieter insofern nutzen, dass objektiv erkennbar ist, dass sich der Poster mit dem verlinkten Inhalt identifiziert. Die Richter am LG Frankfurt sahen es jedenfalls als erwiesen an, dass der Twitter-Nutzer die Links bewusst veröffentlichen wollte. Ihm war darüber hinaus auch der Inhalt seiner Publikation bekannt. Der Beklagte hätte zudem erkennen können, dass die Informationen auf den Drittseiten wahrheitswidrig waren. Er hat sich mithin den Inhalt zweifelsfrei zu Eigen gemacht.
Die rechtlichen Auswirkungen des Urteils:
Das Internet hat längst die gesamte Welt miteinander vernetzt. Social Networking und andere Internet-Plattformen erleben einen großen Zuspruch. Doch die Angebote werden nicht ausschließlich zu kommunikativen oder informellen Zwecken genutzt. Stattdessen werden auch regelmäßig Links zu externen Seiten gepostet. In diesem Zusammenhang bleibt die Rechtslage allerdings weiterhin umstritten. Der Gesetzgeber hat es bislang versäumt, eine umfassende Definition der Linkhaftung zu verabschieden. Insoweit ist die Einschätzung der Rechtslage unter Juristen nicht unumstritten. Eine Meinung fordert, dass sich der Verlinkende ausdrücklich von den Inhalten der Fremddomain distanzieren muss. Die Gegenmeinung möchte eine Haftung stattdessen immer dann bejahen, wenn der Verfasser den Link bewusst veröffentlicht. Letzteres dürfte hingegen regelmäßig der Fall sein. Die Generalhaftung wird insofern in der Diskussion heftig kritisiert. Allerdings darf das Internet nicht dazu missbraucht werden, dass gar keine Verantwortung für fremde Inhalte übernommen werden muss. Eine extreme Gegenmeinung möchte gerade diese Haftung für Links gänzlich ausschließen. In dem konkreten Fall hätte das LG Frankfurt daher die Klage ablehnen müssen. Der Twitter-Nutzer wäre zur freien Publikation berechtigt. Allerdings geht es in dem Fall gerade darum, dass bewusst wahrheitswidrige Unterstellungen über ein Unternehmen verbreitet werden sollten. Würde dieses Vorgehen legalisiert werden, so müsste die betroffene Firma den "Rufmord" hinnehmen, zumal der Verlinkende nicht auf eigene Internetseiten verwiesen hat. Unter Umständen geht mit den wahrheitswidrigen Behauptungen zugleich ein wirtschaftlicher Verlust einher, da sich andere Leser von dem kritisierten Unternehmen distanzieren. Insofern kann die letzte Meinung keineswegs überzeugen, da sich der Twitter-Nutzer die Informationen zu Eigen gemacht hat, um die Firma gleichsam an den Pranger zu stellen. Rechtswidrige oder auch rechtsverletzende Inhalte sollten generell nicht über Internetdienste verbreitet werden dürfen. Dies widerspricht insoweit auch nicht dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Absatz 1 GG. Die freie Meinungsbildung darf nicht zur Schmähkritik missbraucht werden. Zudem müssen Fakten, die auch über eine Plattform wie Twitter verbreitet werden können, nachweislich der Wahrheit entsprechen. Das LG Frankfurt am Main hat in dem Fall ein klares Zeichen gesetzt. Dennoch wird der Beschluss nur der Beginn einer weiteren Klagewelle sein. Insofern ist auch zu erwarten, dass künftig die Rechtslage von den Gerichten präzise definiert wird, um Rechtsstreite endgültig zu kontrollieren.
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.04.2010, Az. 3-08 O 46/10