Wer über ein eigenes Mailkonto verfügt, wird dort nicht nur jene privaten oder geschäftlichen Schreiben vorfinden, die ihm wichtig erscheinen. Im Regelfall wird sich auch manch dubioses Angebot ansammeln. Gutscheine und Gewinnversprechen etwa. Doch was genau hat der Verbraucher eigentlich zu befürchten, wenn er einen solchen Gutschein, der fälschlicherweise an ihn geschickt wurde, einreicht?
Ein unverhoffter Bonus
Das Landgericht in Gießen hatte sich eines Falles zu widmen, bei dem eine Privatperson einen Gutschein per Mail zugesandt bekam. Dieser war für die Nutzung bei Käufen in einem Onlinekaufhaus einsetzbar. Allerdings konnte der Empfänger anhand der falschen Bezeichnungen schnell erkennen, dass nicht er den Gutschein erhalten sollte. Er hatte ihn also irrtümlicherweise bekommen. Jedoch verzichtete er darauf, den Fehler ordnungsgemäß zu melden oder den Coupon verfallen zu lassen. Er löste ihn ein – und sah sich schnell staatsanwaltlichen Ermittlungen gegenüber. Die ausführende Gewalt vermutete in dem Vorgehen des Verbrauchers den Verdacht zum Computerbetrug und strebte eine Durchsuchung seiner Räumlichkeiten an. Das Gericht wies dieses Begehren per Entschluss allerdings zurück.
Kein aktiver Betrug
Infrage kam nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein Verstoß gegen § 263 a des Strafgesetzbuches, der den Computerbetrug umfasst. Dafür hätte der Beschuldigte unter Verwendung eines Computers oder ähnlichen Hilfsmittels eine Täuschungshandlung vornehmen müssen, um sich auf rechtswidrige Weise einen Vermögensvorteil zu beschaffen. Diese Kriterien lassen sich bei oberflächlicher Betrachtung auch erkennen. Das Landgericht Gießen vertrat gerade hinsichtlich der unbefugten Verwendung jedoch die Ansicht, dass das Kaufhaus, das den Gutschein irrtümlich versandte, gar nicht die Berechtigung des Empfängers prüfte. Es kam mithin zu keiner Täuschung – diese setzte vielmehr voraus, dass zumindest die Annahme existierte, der den Gutschein einlösende Bürger könne dazu nicht berechtigt gewesen sein. Dieses Kriterium lag in dem Fall jedoch nicht vor.
Kein Betrug durch Unterlassen
Demgegenüber wurde von der Staatsanwaltschaft aber auch geltend gemacht, dass sich der Beschuldigte zumindest des Computerbetruges durch Unterlassen strafbar gemacht haben könnte. Das wäre insbesondere dann anzunehmen gewesen, wenn der Bürger eine besondere Pflicht besessen hätte, sich gegenüber dem Unternehmen zu äußern und dieses auf die fehlerhafte Versendung des Gutscheins hinzuweisen. Eine solche Obliegenheit bestand indes nicht, da beide Seiten in keiner geschäftlichen oder ähnlichen Beziehung zueinander standen. Der Betroffene war also nicht angehalten, den Irrtum zu korrigieren und dazu seinerseits Schritte einzuleiten. Neben dem aktiven Betrug konnte das Landgericht Gießen folglich auch die Täuschungshandlung durch Unterlassen nicht erkennen.
Die Durchsuchung verweigert
Im weiteren Verlauf wurden zusätzliche Vermögensdelikte wie etwa die Unterschlagung behandelt, aber ebenfalls negativ beschieden. Das Landgericht verweigerte der Staatsanwaltschaft damit den gewünschten Beschluss zur Durchsuchung der Räumlichkeiten des Beschuldigten. Doch daraus sollte nicht die pauschale Aussage abgeleitet werden, dass irrtümlich erhaltene Gutscheine künftig sorglos genutzt werden dürfen. Unbeachtet ließ das Gericht nämlich den zivilrechtlichen Aspekt des Vorgehens: So wird das Kaufhaus seine Ansprüche gegen den Verbraucher geltend machen können. Zumindest um eine Kostenersparnis kommt dieser also nicht herum. Wer künftig solche Gutscheine im Mailfach vorfindet, sollte diese also entweder verfallen lassen oder dem versendenden Unternehmen eine kurze Nachricht über diesen Irrtum mitteilen. Darin dürfte die einzige Option liegen, sowohl von straf- als auch zivilrechtlichen Unannehmlichkeiten verschont zu bleiben.
LG Gießen, Beschluss vom 29.05.2013, Az. 7 Qs 88/13