Rechtsanwalt Frank Weiß

73728, Esslingen
Rechtsgebiete
IT-Recht Urheberrecht und Medienrecht Gewerblicher Rechtsschutz
12.02.2013

Binary Services GmbH - LG Regensburg

Abmahnungen sind heute bei gewerblichen Händlern die sich im Internet präsentieren nichts Ungewöhnliches. Soziale Netze wurden hier bis vor kurzem von Abmahnungen verschont. Die Zeiten ändern sich jedoch. Offensichtlich ändern die Abmahner hier mit zunehmender Bedeutung von Facebook und Co ihre Abmahn-Strategie. Zwischenzeitlich werden bei Facebook und Co nicht nur Verstöße gegen das TMG zur Abmahnung gebracht. Erst kürzlich lag uns die erste Abmahnung wegen eines eingeblendeten Vorschaubildes vor.

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Regensburg / Urteil vom 31.01.2013, Az. 1 HK O 1884/12) hatte in Bezug auf einen Verstoß gegen die Impressumpflicht eines gewerblichen Anbieters auf seiner Facebook-Seite zu entscheiden. Die rechtliche Problematik ist nicht neu. Das Besondere, das das Urteil so interessant macht waren jedoch vielmehr die äußeren Umstände die diese einzelne Abmahnung begleiteten, wie z.B. die Tatsache, dass der vom abmahnenden Firma Binary Services GmbH beauftragte Rechtsanwalt Hans-Werner Kallert in kurzer Zeit mehr als 180 Abmahnung dieser Art für die Firma Binary Services GmbH verfasste. Zudem hat die Firma Binary Services GmbH (nun REVOLUTIVE SYSTEMS GmbH) im Verfahren vorgetragen, die über 180 Verstöße seien durch eine speziell entwickelte Software aufgefunden worden.

Das Landgericht Regensburg hatte sich in seiner Entscheidung mit den folgenden Punkten auseinanderzusetzen, wobei dem Letzten hier besondere Bedeutung zukommt:

Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien
Das Landgericht Regensburg ist hinsichtlich des Wettbewerbsverhälntisses zwischen der Firma Binary Services GmbH und der Beklagten der herrschenden Ansicht gefolgt, dass nur einem Mitbewerber ein Anspruch auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens zustehen kann. Denn nur ein Mitbewerber hat auch das rechtlich erforderliche Interesse an einem fairen Wettbewerb. Die Beklagte hatte als IT-Unternehmen nicht nur Produkte sondern auch Schulungen angeboten und durchgeführt. Auf jeden Fall ist die Beklagte auch ein Unternehmen mit einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Tätigkeit, die darauf abzielt ein Entgelt zu erwirtschaften. Auf dem Gebiet der Schulungen herrschte daher zwischen der Firma Binary Services GmbH und der Beklagten ein eindeutiges Wettbewerbsverhältnis im Sinne des UWG vor.

Impressumpflicht der Facebook-Seite
Weiter führt das Landgericht Regensburg aus, dass Anbieter von Dienstleistungen der Impressumpflicht nach § 5 TMG - Telemediengesetz – unterliegen und schließt sich anderen Entscheidungen, wie z.B. der des LG Aschaffenburg, an. So unterliegt jeder gewerbliche Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen, der eine Business- oder Fan-Facebook-Seite betreibt, auch der Pflicht, ein vollständiges Impressum nach dem TMG mit den Angaben Namen, Adressen, E-Mail, Telefonnummer, FAX, Steuernummer, Registergericht, Aufsichtsbehörde und im Einzelfall weiteren Angaben zu führen. Selbst wenige Tage - im konkreten Rechtsstreit waren dies nur wenige Tage - ohne diese Angaben stellen bereits einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften dar.
Alles nicht wirklich neu.

Wettbewerbsrechtlicher Verstoß
Sodann hatte das Landgericht Regensburg die Frage zu klären, ob in der Pflichtverletzung ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß zu sehen war. Dies bejahte das Landgericht Regensburg mit der herrschenden Meinung.

Missbräuchliches Verhalten
Und hier sind wir dann beim Kern der vorliegenden Entscheidung des LG Regensburg angekommen.

Die Abmahnung der Firma Binary Services GmbH war nach Ansicht des Landgerichts Regensburg auch nicht rechtsmissbräuchlich, denn der Binary Services GmbH kam es nur auf die Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und nicht auf die Entstehung von Kosten, die sie auf die Beklagte überwälzen konnte, an, so das Landgericht. Auch die Abmahngebühren und die Vertragsstrafenforderung in der vorgefertigten strafbewehrten Unterlassungserklärung waren relativ niedrig angesetzt und die hohe Anzahl der in einer Welle ausgesprochenen Abmahnungen, die von der Binary Services GmbH beauftragt wurde, ist nach Meinung des Gerichts nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Bei vielen Verstößen sei eine umfassende Abmahntätigkeit gerade "systemimmanent".

Wir halten das Urteil des Landgerichts Regensburg an mehreren Stellen für falsch.

Das Landgericht geht mit keiner Silbe darauf ein, dass die Binary Services GmbH mit ihrer Abmahnwelle innerhalb von wenigen Tagen Kosten in Höhe von ca. 47.000 EUR ausgelöst hat. Für diese den Abgemahnten in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 265,70 EUR pro Abmahnung ist die Binary Services GmbH Kostenschuldnerin des Rechtsanwalts Hans-Werner Kallert. Sollte die Abmahnung der Binary Services GmbH berechtigt sein, könnte die Binary Services GmbH diesen Betrag im Wege des Schadensersatzes wieder vom Abgemahnten einfordern. Ob die Binary Services GmbH jedoch rein wirtschaftlich auch nur annähernd in der Lage ist, ein derartiges Kostenrisiko zu tragen, vermögen wir derzeit noch nicht zu beurteilen. Auch enthält das Urteil z.B. keine Ausführungen dazu, wie viele der Abgemahnten auf die Abmahnung der Binary Services GmbH tatsächlich und in welcher Höhe gezahlt haben und welche Beträge hier noch „offen“ sind. Unserer Erfahrung nach ist jedoch der Anteil derjenigen Abgemahnten, die auf die Abmahnung der Binary Services GmbH keine Unterlassungserklärung und/oder keinerlei Zahlungen geleistet hatten, ganz erheblich.

Weiter war für das Landgericht Regensburg trotz einer Amtsermittlungspflicht im Rahmen des § 8 Abs. 4 UWG offensichtlich nicht von Bedeutung, wie viele der über 180 Abgemahnten der Binary Services GmbH tatsächlich eine Unterlassungserklärung abgegeben haben und wie viele gerichtliche Unterlassungsverfahren seitens der Binary Services GmbH hierauf eingeleitet wurden um die ihr so wichtigen Unterlassungsansprüche durchzusetzen. Angesichts der Tatsache, dass die Binary Services GmbH die Verstöße hat maschinell hat finden lassen, hätte es auch hier einer ausführlicheren Begründung des Gerichts bedurft. Die Ausführungen des Gerichts, die sich auf die einvernommenen Zeugen stützen, dass in Folge der softwareseitigen Unterstützung kein großer Arbeitsaufwand seitens der Binary Services GmbH erforderlich gewesen wäre, geht unserer Einschätzung bei der Beurteilung, ob die Abmahntätigkeit in keinem Vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit gestanden hat, fehl. Vielmehr wäre hier vom Gericht zu beurteilen gewesen, ob die Abmahntätigkeit der Binary Services GmbH und das damit einhergehende Kostenrisiko in einem vernünftigen Verhältnis zum Umsatz der Binary Services GmbH steht. Auch wenn von vielen Gerichten hier immer wieder der Umsatz als Bezugsgröße herangezogen wird, ist auch dies unserer Ausfassung nach nicht gar zu Ende gedacht. Denn letztendlich kann hier nur der Gewinn des Unternehmens von Bedeutung sein, da zumeist auch von diesem die eventuellen Ausfälle gezahlt werden müssen.

Kurzum: Nach unserer Auffassung hätte das Gericht hier von Amts wegen der Frage nachgehen müssen, welchen Kosten die Binary Services GmbH ausgesetzt war und ist und wie diese Risiken im Verhältnis zu deren Umsatz / Gewinn stehen und nicht der Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin –wohl rein zeitlich- im abmahnen besteht oder nicht. Insbesondere kann es bei dieser Frage keinen Unterschied machen, ob die Verstöße manuell oder maschinell aufgefunden wurden. Das Kostenrisiko der die Binary Services GmbH ausgesetzt war, ist das Gleiche.

Die Entscheidung enthält auch noch weitere Fehler. Abgesehen davon, dass sich der Verbotstenor nicht an der konkreten Verletzungsform orientiert und lediglich die gesetzliche Vorschrift wiedergibt, führt das Landgericht aus, dass von den „7 Kriterien der Missbräuchlichkeit“ des Vorgehens der Binary Services GmbH –die offensichtlich seitens der Beklagten gerichtlich vorgetragen wurden- nur eines erfüllt sei und dieses eine kein Gewicht hätte. Bei Lektüre der Urteilsbegründung fällt jedoch auf, dass das Gericht selbst 3 der 7 Kriterien selbst als erfüllt ansieht, nämlich die verschuldensunabhängige Vertragsstrafe, den Fortsetzungszusammenhang und die Eigenschaft eines Vielfachabmahners.