Verkehrsunfälle ereignen sich täglich; allein im Jahre 2011 kam es in Deutschland zu 2,3 Millionen polizeilich registrierten Unfällen. Doch was geschieht mit den Daten, die an der Unfallstelle aufgenommen werden? Der Versicherer eines Unfallverursachers schreibt dem Unfallopfer, dass seine Daten gespeichert und an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) würden. Der Betroffene war aber damit nicht einverstanden und zog vor Gericht, um dort die Daten löschen und dem Versicherer die Pflicht auferlegen zu lassen, auch künftig keine Daten über ihn bezüglich des Verkehrsunfalles zu speichern.
Grundsatz: keine Speicherung von Daten ohne Erlaubnis
Das zuständige Amtsgericht Kassel verneinte aber ein Löschungsanspruch des klagenden Versicherungsopfers. Normalerweise muss sich niemand die Speicherung seiner personenbezogenen Daten gefallen lassen. So regelt es der § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), laut dem "die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten" nur dann zulässig sind, wenn das Gesetz dies ausdrücklich erlaubt oder wenn "der Betroffene eingewilligt hat".
AG Kassel: keine personenbezogene Daten - oder doch?
Zunächst kam das Amtsgericht zu der eigenwilligen Feststellung, dass es sich um keine personenbezogenen Daten handeln würde. Der beklagte Versicherer hätte doch nur das Kfz-Kennzeichen und die Fahrzeugidentifikationsnummer gespeichert. Allein mit diesen Daten sei der Kläger nicht identifizierbar. Es bedarf schon weiterer (behördlicher) Hilfe Dritter, um aus diesen Daten auf den Kläger schließen zu können. Das Gericht war sich aber bewusst, dass diese Feststellung zumindest zweifelhaft ist und man "insoweit anderer Ansicht" sein könne. Trotzdem ändere dies nichts an dem Ergebnis, dass dem Kläger kein Löschungsanspruch zustehe.
Ausnahme vom Einwilligungsvorbehalt: berechtigtes Interesse
Das Gebot, wonach personenbezogene Daten nur mit der Einwilligung des Betroffenen gespeichert werden dürfen, erfährt in § 29 Absatz 1 Nummer 1 BDSG eine Ausnahmereglung. Danach dürfen Daten verarbeitet werden, wenn "kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat". Es ist eine Abwägung vorzunehmen, ob ein berechtigtes Interesse des Klägers angesichts der hohen Bedeutung der Daten für den Beklagten bestehe.
Schutzinteresse Versicherers gewichtiger
Der Zweck des HIS, wo die Daten gespeichert wurden, ist, die Versicherungsunternehmen vor Betrug zu schützen. Indem jedes angeschlossene Versicherungsunternehmen die Datenbank des HIS mit den notwendigen Daten zum Unfallhergang unterrichtet, ist jeder andere angeschlossene Versicherer über bereits regulierte Unfälle informiert. Dies erleichtert die "Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung desselben Schadens eine Rolle spielt". In Anbetracht dessen, dass nur wenige Daten über den Betroffenen gespeichert wurden, kann von einer gravierenden Interessenbeschränkung des Klägers nicht die Rede sein. Im Vergleich zum Schutzinteresse des Beklagten fällt diese sogar geringer aus. Somit war die Speicherung und Verarbeitung der Daten des Klägers rechtens; dieser hat kein Anspruch auf Löschung seiner Daten gegen den Beklagten, entschied das Amtsgericht.
AG Kassel, Urteil vom 7.5.13, Az. 435 C 584/13