Dem Oberlandesgericht Köln lag am 29. Juli 2011 ein Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen 6 U 56/11 zur Entscheidung vor. Es ging dabei darum, ob eine einstweilige Verfügung, mit der das öffentliche Zugänglichmachen eines Videos über Abmahntätigkeiten von Rechtsanwälten aufrechterhalten werden sollte.
Bei den Klägern und Beklagten handelte es sich jeweils um Rechtsanwälte, die im Internet für ihre deutschlandweite Tätigkeit werben. Die Antragsteller und Berufungsbeklagten vertreten dabei in den meisten Fällen Rechteinhaber und sprechen Abmahnungen aus. Die Antragsgegner und Berufungskläger haben sich auf die Vertretung von Internetnutzern spezialisiert, die wettbewerbsrechtliche Abmahnungen erhalten haben.
Die Parteien streiten nicht zum ersten Mal in eigener Sache vor Gericht.
Die Antragsgegner und Berufungskläger haben ein Video gedreht, das unter „YouTube“ eingestellt worden ist. Thema des allgemein zugänglichen Films ist die Abmahntätigkeit der Antragsteller. Kanzlei und handelnde Personen werden namentlich kenntlich gemacht und im Zusammenhang mit dem Anfertigen von Abmahnschreiben gezeigt. Es wird darauf hingewiesen, dass nach allgemeinen Erkenntnissen in Deutschland die Mehrzahl aller Abmahnungen von nur wenigen Kanzleien versandt würde. Die Kanzlei der Antragsteller wird als eine der Kanzleien mit einem hohen Aufkommen von Abmahnungen herausgehoben. Darüber hinaus weisen die Antragsgegner in ihrem Video darauf hin, dass es zur „Masche“ der Antragsteller gehöre, „scheibchenweise“ abzumahnen. In diesem Zusammenhang fällt die Formulierung: „Wer mehrere Rechteinhaber vertritt, kann mehrfach abmahnen“.
Die Antragsteller fühlten sich durch die Einstellung des Videos im Internet in mehrfacher Hinsicht wettbewerbsrechtlich beeinträchtigt. Ihre Arbeit und die handelnden Personen seien in unlauterer Weise herabsetzend dargestellt worden. Der Sprachgebrauch sei abwertend und es seien Aussagen getroffen worden, deren Wahrheitsgehalt nicht nachgewiesen sei. In erster Instanz obsiegten die Antragsteller. Die einstweilige Verfügung erging antragsgemäß.
Der 6. Senat des OLG Köln entschied in seinem Berufungsurteil vom 29.07.2011, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben sei und der Antrag zurückgewiesen werden müsse. Der Berufung wurde stattgegeben.
Im Mittelpunkt der Urteilsbegründung steht die Abwägung zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) und auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Zugunsten der Antragsgegner und Berufungskläger ist von einem Recht auszugehen, Informationen über die Abmahntätigkeit der Antragsteller in angemessener Art an den für sie geschäftlich interessanten Adressatenkreis weiterzugeben. Es entspricht dem Recht auf unternehmerische Selbstdarstellung, hier das eigene berufliche Betätigungsfeld und die eigene Kompetenz darzustellen.
Die Richter des erkennenden Senats stuften die Wortwahl „Masche“ oder „häppchenweise“ zwar als salopp, nicht aber als herabwürdigend ein. Auf in der Öffentlichkeit bekannte Schlagworte wie „Abmahnindustrie“ war bewusst verzichtet worden. Der von den Antragstellern bemängelte Verstoß gegen das in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) enthaltene Sachlichkeitsgebot wurde von den erkennenden Richtern ebenfalls als nicht einschlägig bewertet, da auch hier der Maßstab der Angemessenheit zu gelten habe.
Die Voraussetzungen des hilfsweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wegen irreführender Werbung für eigene Leistungen der Antragsgegner sah das OLG Köln bei Abfassung der Gründe für das Berufungsurteil ebenfalls nicht als gegeben an. Das Angebot, Abmahnschutz durch von den Antragsgegnern formulierte Unterlassungserklärungen zu erlangen, sei von verständigen Adressaten nicht so zu interpretieren, dass Schutz vor Abmahnungen Dritter, die ebenfalls Rechteinhaber wären, eingeschlossen würde. Auch das im Video erwähnte Beratungsangebot enthalte keine irreführenden Elemente.
OLG Köln, Urteil vom 29.07.2011, Aktenzeichen 6 U 56/11