Rechtsanwalt Frank Weiß

73728, Esslingen
Rechtsgebiete
IT-Recht Urheberrecht und Medienrecht Gewerblicher Rechtsschutz
06.05.2013

"Umstrittener Anwalt" ist zulässige Meinungsäußerung

Das Oberlandesgericht in Dresden hat am 26.09.2012 zum Aktenzeichen 4 W 1036/12 durch Beschluss einen Rechtsstreit über einen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch wegen Äußerung öffentlicher Kritik an einem Rechtsanwalt entschieden. Der Rechtsanwalt fühlte sich durch die Bezeichnung „umstrittener Anwalt“ in seiner Ehre verletzt und beantragte den Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen den Verfasser der kritischen Abhandlung. Das Landgericht hatte den Antrag durch Beschluss abgewiesen. Gegen den Abweisungsbeschluss erhob der Antragsteller Beschwerde beim OLG Dresden. 

Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Vorfall, der sich in der Leipziger Reisebranche zugetragen hatte. Über einen ehemaligen Arbeitgeber des Juristen war ein kritischer Artikel erschienen. Der Anwalt stand im Verdacht, dazu Informationen über seinen ehemaligen Arbeitgeber geliefert zu haben. Dies bestritt er, fügte aber in einem Zeitschriftenartikel an, dass noch andere Dinge zutage getreten wären, wenn er tatsächlich der Informant gewesen wäre. Andere Rechtsanwälte kritisierten den hiesigen Antragsteller daraufhin, weil sein Verhalten nicht den geltenden Gepflogenheiten unter Rechtsanwälten entsprochen habe und auch der Stellung als „Organ der Rechtpflege“ nicht gerecht werde. Der Antragsteller sah sich nun als „ in der Leipziger Reisebranche umstrittener Anwalt“ dargestellt und empfand die Wortwahl als unangebrachten Angriff auf sein grundgesetzlich geschütztes Persönlichkeitsrecht. Die Bedeutung des Wortes „umstritten“ komme den Ausdrücken „zweifelhaft“ und „unzuverlässig“ nahe und sei deshalb geeignet, die persönliche Integrität eines Rechtsanwalts zu zerstören.

Der Antragsgegner bestritt jede Absicht, den Antragsteller mit Schmähkritik bloßzustellen oder ihm persönlich zu schaden. Er habe lediglich die Situation so geschildert, wie sie sich ihm darstellte, um seinen Lesern Fakten und Wertungen für die eigene Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grunde sei die Äußerung über den Antragsteller vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Durch die Verwendung des Wortes „umstritten“ werde ausgedrückt, dass es verschiedene Meinungen zu dem beschriebenen Verhalten des Antragstellers als Rechtsanwalt gäbe. Neben Kritikern habe es auch Befürworter seiner Haltung gegeben.

Der 4.Senat des OLG Dresden hat dem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung trotz formaler Zulässigkeit aus tatsächlichen Gründen nicht stattgegeben und die Beschwerde zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen nehmen die Richter zur brisanten Situation, zwischen den grundrechtlich geschützten Positionen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht im Einzelfall eine Abwägung treffen zu müssen, Stellung. Bei Vorliegen von Schmähkritik sei eine klare Entscheidung zugunsten des Persönlichkeitsrechts erforderlich. Schmähkritik liege allerdings nur vor, wenn eine Äußerung erkennbar ausschließlich dazu dienen sollte, den anderen in seiner Persönlichkeitsentfaltung abzuwerten. Die Bezeichnung als „umstrittener Anwalt“ im vorliegenden Rechtsstreit könne bei Berücksichtigung aller zugrunde liegenden Umstände nicht als Schmähkritik eingestuft werden. Die Äußerung wurde im Zusammenhang mit einer sachlichen Auseinandersetzung getätigt. Sie umschreibe Tatsachenbehauptungen und Meinungselemente und sei deshalb durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Auch die vom Antragsteller ebenfalls beanstandete Verbindung des Artikels mit einem Foto, auf dem ein ägyptischer Bauer mit einem Esel zu sehen war, wurde nicht als Schmähung gegen den Antragsteller gewertet. Die gesamte Berichterstattung hatte einen Bezug zur Reisewirtschaft, speziell zu Ägyptenreisen. Ein unbefangener Leser des Artikels konnte erkennen, dass der Antragsgegner Tatsachenmaterial bewertete und eine eigene Meinung vertrat.

Beim OLG Dresden, Beschluss vom 26.09.2012, Aktenzeichen 4 W 1036/12 wird dem Recht auf freie Meinungsäußerung hier der Vorzug vor dem Schutz der Persönlichkeitssphäre des Einzelnen gegeben.