Anspruch auf Homeoffice?
Nach der bisherigen Rechtsprechung hat ein Arbeitnehmer generell keinen Anspruch auf eine Homeoffice-Tätigkeit. Beim Home-Office handele es sich schließlich um einen gänzlich anderen Arbeitsplatz. Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, einen solchen Arbeitsplatz neu zu schaffen, da dies der unternehmerischen zuwider läuft. Vielmehr entscheide der Arbeitgeber, ob Tätigkeiten in einer Betriebsstätte ausführen sind oder es den Arbeitnehmern freizustellen, wie und von wo aus sie die Tätigkeiten verrichten.
Vorrang von Homeoffice?
Nach etwas überraschender Ansicht des Arbeitsrecht Berlin ist jedoch die Möglichkeit der Arbeit aus dem Homeoffice als milderes Mittel in Betracht zu ziehen, bevor eine Änderungskündigung ausgesprochen wird.
Der Arbeitgeber hatte sich entschlossen, seinen Standort zu verlagern. Den Arbeitnehmern an diesem Standort wurde betriebsbedingt gekündigt. Gleichzeitig wurde ihnen angeboten, ihre ansonsten unveränderte Arbeitstätigkeit an dem neuen Standort auszuüben. Es handelte sich somit um eine Änderungskündigung. Auch bei einer Änderungskündigung ist Voraussetzung, dass die Kündigung nicht durch ein milderes Mittel abgewendet werden kann. Eben mit dieser Begründung legte eine Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage ein. Sie könne doch problemlos ihre Tätigkeit aus dem Home Office verrichten. Zudem existiere ja bei dem Arbeitgeber, was auch zutrifft, eine Rahmenrichtlinie, die die Möglichkeit der Telearbeit grundsätzlich ermöglicht. Sie arbeite zudem bereits vollständig digital mittels elektronischer Aktenführung.
Telearbeit während Corona
Dieser Argumentation folgte das Arbeitsgericht Berlin. Zwar bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf einen häuslichen Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber hätte jedoch trotz gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt, warum die Klägerin tatsächlich persönlich vor Ort arbeiten müsse. Es reiche hier nicht aus, pauschal auf die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung zu verweisen. Aus der geltenden „Rahmenrichtlinie“ zur Telearbeit ergebe sich zudem, dass das häusliche Arbeiten bei dieser durchaus üblich sei. Wörtlich stellte es abschließend fest: „Angesichts der nunmehr deutlich stärker erfolgten Verbreitung elektronischen Arbeitens von zu Hause aus durch die Corona-Krise erscheint das Verhalten der Beklagten als aus der Zeit gefallen und letztlich willkürlich.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Beklagte Berufung bei dem LAG Berlin-Brandenburg eingelegt hat. Sollte sich die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Berlin durchsetzen, so hätte dies erhebliche Auswirkungen auf betriebsbedingte Kündigungen. Ob dies der Ansicht des Amtsgerichts folgt, erscheint angesichts der bisherigen Rechtsprechung fraglich. So hat das BAG festgelegt, dass Home-Office im Gesamtkonzept der Arbeitgeberin vorgesehen sein muss, damit es im Rahmen von Kündigungen ein milderes Mittel darstellen kann (BAG v. 02.03.2006 – 2 AZR 64/05).
Folgen
Auch wenn es sich um ein Außenseiterurteil handelt, so kann man nicht unterschätzen, dass sich Homeoffice in der Covid Pandemie in vielen Teilen etabliert und bewährt hat. Home-Office kann in der Praxis gut funktionieren und ist für beide Seiten attraktiv ist, wenn die Rahmenbedingungen für alle festgelegt wurden und die Infrastruktur gegeben ist. Diese Änderung des Arbeitsalltags durch Corona wird daher zwangsläufig zukünftig auch vermehrt bei Fragen des Kündigungsschutzes eine größere Rolle spielen, als zuvor.
ArbG Berlin, Urteil vom 10.08.2020 – 19 Ca 13189/19 – nicht rechtskräftig-
Der Beitrag Außenseiterurteil oder Revolution? Homeoffice statt Änderungskündigung erschien zuerst auf Rechtsanwaltskanzlei von Preuschen, Bonn.