Welche Aussichten hat eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht?
In einem Interview mit Brigitte verkündet Angela so ganz nebenbei das Ende eines der letzten großen Kämpfe unserer modernen Gesellschaft. Es geht um Liebe, Religion und Tradition, die Verfassung und Égalité. Das ist der Stoff, aus dem die ganz großen politischen Blockbuster sind. Heute dann Konfetti im Bundestag.
Zu den Umständen dieses Kriegsendes allein gäbe es so viel zu sagen. Etwa: Wie mächtig ist diese Frau, dass sie mit einem vagen Nebensatz herbeiführt, worum andere seit Jahrzehnten bis aufs Blut gekämpft haben. Diese Frau, die am Tag der Abstimmung blau trägt und rot stimmt. Oder: Ausgerechnet in einem Gespräch mit der Brigitte?! Ist das nun der größte Werbecoup des Jahres, ein perfekter Wahlkampf in zehn Minuten oder einfach der Rahmen, in dem politische Entscheidungen in der Trump-Ära nun getroffen werden? Aber es soll hier nicht schon wieder um Trump gehen, sondern um die Rechtmäßigkeit dieses neuen Gesetzes.
Was ändert sich faktisch?
Schon jetzt ist die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft der Ehe im Rechtssinne faktisch gleichgestellt. Im Familienrecht und in Steuerfragen ist der einzig verbleibende Unterschied, dass dieselben Inhalte in unterschiedlichen Gesetzen stehen. Sogar ein Volladoptionsrecht soll kommen. Die heutige Abstimmung hat daher sicherlich in erster Linie symbolische Bedeutung.
Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hat die Ehe aber gegenüber der Lebenspartnerschaft auch heute noch: Sie wird explizit vom Grundgesetz geschützt. Das war denn auch bisher der Grund, warum die Rechtsprechung gleichgeschlechtliche Ehen bisher abgelehnt hat: Der Schutz des Grundgesetzes impliziere, dass die Ehe von allen anderen Formen des Zusammenlebens abgehoben werden müsse.
Was steht im Grundgesetz?
Da individuelle Bürger von dem Gesetz nicht benachteiligt werden, kommt eine Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht. Gegen Gesetze kennt das Grundgesetz nur die Normenkontrolle. Unter Berufung auf das Grundgesetz ist es nun auch, dass zahlreiche CDU-Politiker eine abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht in Aussicht gestellt haben. Sie sind der Meinung, es hätte einer Grundgesetzänderung bedurft. Was ist da dran?
Zwar steht im Grundgesetz nur „Ehe“, also nichts von Mann und Frau. Das wurde bisher aber unter Hinweis auf den historischen Hintergrund und die Intention des Grundgesetzes bei seiner Entstehung abgebügelt. Ja, das war immer schon eine sehr schwache Argumentation. Für Juristen eine der klassischen Momente, in denen man sich die Handfläche gegen die Stirn schlägt und sagt: „Dass das noch nicht geändert wurde!“. Passiert häufiger als man denkt. Aber wir schweifen schon wieder ab.
Aussichten der Verfassungsbeschwerde
Rechtlich gesehen ist es natürlich nicht möglich, unser Grundgesetz durch ein einfaches Gesetz zu ändern. Wenn das Grundgesetz tatsächlich eine gleichgeschlechtliche Ehe verbietet, kann das auch ein Bundestagsbeschluss nicht ändern. Zur ausdrücklichen Änderung des Grundgesetzes bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das wird wohl eng.
Aber wird das Grundgesetz denn tatsächlich geändert? Wenn wir mal davon absehen, dass im Grundgesetz ja nicht ausdrücklich von einer Ehe zwischen Mann und Frau gesprochen wird: Die Interpretation eines Gesetzes und auch des Grundgesetzes kann sich durchaus im Laufe der Zeit ändern. Auch davon abgesehen: Das neue Gesetz erlaubt eine Ehe unter gleichgeschlechtlichen Partnern. Damit ist nicht gesagt, dass sie automatisch auch dem Schutz des Grundgesetzes unterfallen.
Fazit: Was bleibt?
Heißt unterm Strich: Dass das Bundesverfassungsgericht das neue Gesetz kippt ist mehr als unwahrscheinlich. Damit würde es sich gegen die Mehrheitsentscheidung desjenigen Organs stellen, das für solche politischen Entscheidungen ja eigentlich zuständig ist — und nebenbei gegen die Auffassung der großen Mehrheit der Bevölkerung. Das Grundgesetz selbst verbietet die gleichgeschlechtliche Ehe nicht explizit.
Möglicherweise unterfallen aber gleichgeschlechtliche Ehen auch in Zukunft nicht dem Schutz des Grundgesetzes. Für eine Grundgesetzänderung reichen die Mehrheitsverhältnisse im Parlament derzeit nicht. Rein faktisch bleiben dennoch kaum Unterschiede.