Rechtsanwalt Bernfried Rose

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Erbrecht Mediation
05.09.2017

Uneheliche Kinder immer noch diskriminiert!

Der EGMR ermahnt deutschen Gesetzgeber erneut!

Es ist viel Wasser den Fluss des deutschen Erbrechts hinuntergeflossen, seit wir uneheliche Kinder zuletzt als "Bastarde" bezeichnet haben. Längst sind die Kinder zweier nicht verheirateter Eltern rechtlich gleichgestellt mit jenen, die aus einer festen Ehe stammen. Aber im Erbrecht besteht nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) immer noch Nachholbedarf.

Rechtliche Gleichbehandlung im Erbrecht?
Früher waren uneheliche Kinder keine vollwertigen gesetzlichen Erben ihres Vaters werden. Erst 2011 erfolgte, ebenfalls in Umsetzung einer Entscheidung des EGMR, die vollständige Angleichung mit ehelichen Kindern im Rahmen des sogenannten Zweiten Erbengleichstellungsgesetzes. Vollständig? Nicht ganz.

Denn immer noch gibt es Ausnahmen. Das neue Gesetz gilt nämlich nicht für nichteheliche Kinder, die vor dem 01.07.1949 geboren wurden und deren Väter vor dem 29.05.2009 gestorben sind. Klingt absurd, nicht wahr? Doch nicht nur der Bundesgerichtshof (BGH), sondern auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hielten diese Regelung bislang für rechtskonform.

Absurde Sonderregel erklärt
Hintergrund der Sonderregelung ist folgendes: Am 29.05.2009 erging die besagte Entscheidung des EGMR, die eine vollständige Gleichstellung gebot. Vorher, so argumentieren der deutsche Gesetzgeber und die Richter unserer obersten Gerichte, durften die Beteiligten sich nicht auf eine Möglichkeit des vollen Erbes verlassen.

Der EGMR hatte ausgeführt, dass eine unterschiedliche Behandlung gleicher Gruppen dann eine Diskriminierung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist, wenn dafür keine sachlichen vernünftigen Gründe vorliegen oder wenn kein angemessenes Verhältnis zwischen Mittel und verfolgtem Zweck besteht. In Deutschland wurde dies so interpretiert: Der Schutz des Vertrauens der (ehelichen) Beteiligten in die bis dahin bestehende alte Rechtslage und die Rechtssicherheit seien ein solcher sachlicher Grund. Erst ab dem 29.05.2009 wurde durch die Entscheidung des EGMR der Vertrauensschutz aufgehoben.

EGMR greift erneut ein
Doch die Richter der europäischen Menschenrechte sind noch nicht zufrieden. In gleich zwei Fällen haben sie jetzt deutschen unehelichen Kindern eine vollständige Gleichbehandlung zugesprochen -- egal, wann sie geboren oder ihre Väter gestorben sind. In beiden Fällen waren uneheliche Kinder, eine Frau und zwei Brüder, bis zum EGMR gezogen, um Rechte am Erbe ihrer Väter zu erlangen. Der Gerichtshof rügte erneut den deutschen Gesetzgeber. Die Gleichstellung müsse für alle unehelichen Kinder uneingeschränkt gelten.

Nun wird es am Gesetzgeber sein, nachzurüsten. Zwar hat eine Entscheidung des EGMR keine unmittelbare Bindungswirkung in Deutschland. Die deutschen Richter sind aber verpflichtet, sie in ihrer Entscheidungsfindung maßgeblich zu berücksichtigen. Die Verpflichtung Deutschlands, die Menschenrechte der EMRK zu wahren, ist bei uns gesetzlich verankert. Auch ein Umschwung unserer obersten Rechtsprechung ist daher zu erwarten -- wenn sich die Richter nicht einen neuen Trick ausdenken, um die Entscheidungen des EGMR zu relativieren.