Rechtsanwalt Bernfried Rose

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Erbrecht Mediation
14.07.2015

Testierunfähigkeit - die Anfechtung des Testaments vor dem Nachlassgericht

Bei einem Erbstreit geht es häufig um die Wirksamkeit des Testaments. Neben Formmängeln und Irrtümern spielt bei der Anfechtung eines Testaments immer häufiger die Testierfähigkeit eine Rolle. Der Streit um das Erbe findet dabei in den meisten Fällen vor dem Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren statt.
 
Das OLG Karlsruhe hat nun in einer Aktuellen Entscheidung vom 21. Mai 2015 (Az: 11 „x 32/14) zur Ermittlung der Testierfähigkeit im Verfahren zur Ausstellung des Erbscheins Stellung genommen.

(allgemeine Informationen zur Anfechtung des Testaments wegen Testierunfähigkeit, Formmangels, Irrtums etc. finden Sie hier: http://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/testament-anfechten-irrtum-testierunfaehigkeit.html)
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Sachverhalt: Nachlassgericht nimmt Testierunfähigkeit beim notariellen Testament an 
 
Der Erblasser hatte im Jahr Mai 2012 zunächst ein maschinenschriftliches und im Juli desselben Jahres ein notarielles Testament errichtet. Als Alleinerbin setzte er seine Frau ein. Der gesetzliche Erbe (wohl ein Kind oder anderer Verwandter) ging im Erbfall gegen das Testament vor und beantragte einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Er behauptete, das notarielle Testament sei unwirksam, weil der Erblasser bei der Errichtung testierunfähig gewesen sei. Vom Nachlassgericht wurde ein Gutachten zur Echtheit der Unterschrift unter dem maschinenschriftlichen Testament und zur Testierfähigkeit beim notariellen Testament eingeholt. Zeugen und Beteiligte zur Frage der Testierfähigkeit wurden nicht gehört. Das Nachlassgericht ging von Testierunfähigkeit aus und beabsichtigte, einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge auszustellen. Hiergegen legte die testamentarisch bedachte Witwe Beschwere ein, die vor das OLG führte.
 
Zur Amtsermittlung durch das Nachlassgericht und der richterlichen Aufklärungspflicht
 
Das OLG ist der Auffassung, das Nachlassgericht habe den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß ermittelt. Das Erbscheinsverfahren, so das OLG, muss geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Unterlässt der Richter wichtige Ermittlungen, verletzt er seine Aufklärungspflicht. Die Beteiligten genügen ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast, wenn ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll. Das Nachlassgericht hatte zwar ein Sachverständigengutachten zur Frage der Testierfähigkeit eingeholt; allerdings gründete sich dieses jedoch nicht auf hinreichend festgestellte Anknüpfungstatsachen. Zahlreiche aus den Akten ersichtliche Anknüpfungspunkte wurden nicht weiter berücksichtigt. Diejenigen Beteiligten, die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung näheren Kontakt zum Erblasser hatten, wurden nicht gehört. Auch der Notar, mit dessen Hilfe das Testament errichtet wurde, wurde nicht vom Gericht befragt. Hinsichtlich der ärztlichen Atteste gab es seitens der Witwe Zweifel an der Unbefangenheit der Ärzte. Auch hier hat sich das Nachlassgericht kein eigenes Bild verschafft. Folgerichtig erfolgte die Rückverweisung der Sache an das Nachlassgericht.
 
Hintergrund zur Anfechtung von Testamenten wegen Testierunfähigkeit
 
Beim Erbstreit vor dem Nachlassgericht kann ein erfahrener Rechtsanwalt und Spezialist für Erbrecht für seinen Mandanten gerade auch durch kluge Taktik viel für seinen Mandanten herausholen. Will man das Testament anfechten, bietet es sich z.B. an, direkt einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zu stellen, um gleich zu Beginn Druck auf den testamentarischen Erben auszuüben. Das Gericht ermittelt beim Erbschein zwar selbst, dennoch lohnt es sich natürlich möglichst viele Tatsachen beizutragen, die der eigenen Rechtsauffassung in die Karten spielen. Beim Streit um die Testierfähigkeit berufen sich die Betroffenen dabei häufig auf zahlreiche Zeugenaussagen. Im Zweifel wird aber stets das psychiatrische Gutachten entscheidend sein. Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – die Grundlage, auf der das Gutachten errichtet wird, nicht ausreichend vom Gericht ermittelt wird, ist auch das Gutachten selbst nicht hinreichend aussagekräftig.