In gleich drei Verfahren an einem Tag hat der Bundesgerichtshof (BGH) neue Grenzen im Urheberrecht aufgezeigt und so Urteile mit grundlegender Bedeutung veröffentlich.
Urheberrecht dient keinen Geheimhaltungsinteressen
Im ersten Verfahren war die Bundesregierung gegen die Veröffentlichung geheimer Lageberichte der Bundeswehr in Afghanistan durch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung vorgegangen. Eigentlich sollten die „Afghanistan-Papiere“ nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Vor dem BGH wurde nun mit dem Schutz des Urheberrechtes argumentiert. Die Soldaten, die die Berichte verfassten, seien als schützenswerte Autoren der Berichte zu sehen. Eine öffentliche Verbreitung ohne deren Erlaubnis verstoße gegen das Urheberrecht der Autoren. Dieser Argumentation folgte der BGH allerdings nicht. Das Urheberrecht schütze insbesondere nicht das Interesse an der Geheimhaltung von Umständen, deren Offenlegung Nachteile für die staatlichen Interessen haben könnte, so der BGH. Dass das Urheberrecht also kein Mittel zur Durchsetzung staatlicher Geheimhaltung sei, machten die Richter sehr deutlich.
Eine Urheberrechtsverletzung durch die Veröffentlichung liege schon deshalb nicht vor, weil die Berichterstattung durch das Interesse an einer Berichterstattung der Presse gedeckt sei. Insoweit greife eine Ausnahmeregelung des Urheberrechtes (Urteil v. 30.04.2020; AZ I ZR 139/15).
Veröffentlichung ohne Anmerkungen
Im zweiten Fall ging es um den Rechtsstreit von Politiker Volker Beck und Spiegel Online. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete wehrte sich vor dem BGH gegen die Verbreitung von Texten. Dabei ging es um einen Buchbeitrag des Politikers aus dem Jahr 1988, in dem er sich für die „Entkriminalisierung von Pädosexualität“ aussprach. Von diesen Aussagen distanzierte er sich später allerdings.
Dem Spiegel lagen die Originaltexte vor. Um einer Veröffentlichung durch den Spiegel zuvorzukommen, veröffentlichte Beck den Text selbst zusammen mit der Anmerkung, dass er sich von den Aussagen distanziere. Der Spiegel veröffentlichte das Skript dennoch – und zwar ohne die Anmerkung von Beck.
Konkret ging es nun um die Frage, ob fremde Texte auch dann veröffentlicht werden dürfen, wenn der Urheber diese zwar selbst durch Veröffentlichen auf seiner Homepage zugänglich gemacht hat, aber mit zusätzlichen Anmerkungen, die bei einer Veröffentlichung durch Dritte fehlen. Der BGH hält dieses Vorgehen grundsätzlich für mit dem Urheberrecht vereinbar. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Urheberrecht von Beck und der Pressefreiheit gewährt der BGH der Pressefreiheit in diesem Fall den Vorrang. Die urheberrechtlichen Interessen seien durch die Art und Weise der Berichterstattung gewahrt worden, so die Einschätzung des BGH (Urteil v. 30.04.2020; AZ I ZR 228/15)
Streit um Sampling geht weiter
Im dritten Verfahren ging es um ein in der Musik beliebtes Stilelement, das sogenannte Sampling. Die grundlegende Frage dabei ist, ob das Sampling kurzer Tonfolgen für eigene Musikstücke zulässig ist.
Seit über 20 Jahren streiten der Produzent Moses Pelham und die Musiker von Kraftwerk um Urheberrechte in der Musik. Pelham hatte 1997 ein 2-Sekunden Sample aus dem Kraftwerk-Stück „Metall auf Metall“ verwendet. Mittlerweile hat dieser Streit nicht nur den BGH mehrmals beschäftigt, sondern auch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof.
Der BGH hatte bereits den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren um Auslegung von EU-Recht gebeten. Daraufhin ist nun klar, dass wohl noch bis 2002 legal und ungefragt Samplings benutzt werden durften – danach allerdings nicht mehr. Grund dafür ist eine im Dezember 2002 eingeführte Richtlinie zur Harmonisierung des europäischen Urheberrechtes. Der BGH unterscheidet daher zwischen der Rechtslage vor und nach der Harmonisierung.
Klar ist also nur, dass seit 2002 das Sampling nicht mehr erlaubt ist. Was das für den konkreten Streit zwischen Pelham und Kraftwerk bedeutet, hat der BGH allerdings nicht entschieden, sondern an die Vorinstanz zurückverwiesen (Urteil v. 30.04.2020; AZ I ZR 115/16). Die Details wird nun das Oberlandesgericht Hamburg entscheiden müssen.
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