Rechtsanwalt Axel Hellinger

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53111, Bonn
Rechtsgebiete
Steuerrecht Mediation IT-Recht
20.06.2016

Smart Contract | Wirksamkeit & Unwirksamkeit von Vertragsprogrammen

Der Smart Contract wird aktuell als bahnbrechende Fortentwicklung des Rechtssystems gehandelt. Die genaue Betrachtung ist jedoch ernüchternd. Vielfach fehlt es an Rechtswirksamkeit des Smart Contract selbst. Neben dieser und anderer Nachteile werden im Folgenden jedoch auch die Vorteile von Smart Contracts im Rechtsverkehr beleuchten.

1. Was ist ein Smart Contract

Bei Smart Contracts wird die Fähigkeit von (Computer-) Programmen genutzt, logische Bedingungen abzuarbeiten. Hierbei werden die Tatsachen eines rechtlichen Sachverhalt und die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsnorm in ihre einzelnen logischen Bedingungen heruntergebrochen und in Programmcode „übersetzt“. Das Programm kann dann die Subsumtion, d.h. die Überprüfung, ob eine bestimmte Bedingung eingetreten ist, übernehmen. Diese Subsumption wird sonst durch die Vertragspartner oder im Streitfall vom Richter übernommen.

Bekanntester Smart Contract ist übrigens der Bitcoin. Hier hat der/die Entwickler jedem, der eine bestimmte Rechenaufgabe als erster löst, 25 BTC zugesagt. Dies ist juristisch eine sogenannte Auslobung (ähnlich eines Finderlohns).

 

2. Smart Contracts im deutschen Rechtsystem

Bei der Beurteilung von Smart Contracts sollte man sinnvollerweise zwischen dem Vertragsschluss und der faktischen Durchführung des Vertrages unterscheiden.

2.1 Vertragsschluss

Im deutschen Zivilrecht herrscht die Privatautonomie vor. D.h. die Vertragsparteien können über das „Ob“ und „Wie“ ihrer Vereinbarung frei entscheiden. Es ist daher ihnen überlassen, ob sie einen Vertrag mündlich, telefonisch, vor einem Notar oder in Form eines Programmcodes abschließen. Dennoch ist der Abschluss eines Smart Contracts nicht ohne Schwierigkeiten und die meisten Smart Contracts sind daher selbst keine Verträge oder wurden nicht wirksam geschlossen.

Denn ein Vertrag wird geschlossen durch die Abgabe eines Angebotes – § 145 BGB – und die Annahme – §§ 146ff. BGB – selbiges. Somit wird schnell erkennbar, weshalb die meisten Smart Contracts keine Verträge im Rechtsinne sind. Denn das Angebot erfolgen grundsätzlich in für Menschen wahrnehmbarer Form, z.B. durch eine Website, mündliche Kommunikation oder eine sonstige Vertragsbeschreibung. Niemand übersendet bzw. liest den Quellcode oder gar den compilierten Code eines Smart Contracts.

Wenn daher von den Parteien Willenserklärungen abgegeben werden, so beziehen sie sich auf das unmittelbar Wahrgenommene, also meist den in Textform abgefassten Vertrag. Rechtlich verbindlich ist daher nur das, was in Textform abgeschlossen wurde.

Der eigentliche Smart Contract ist demnach nur die software-gestützte Umsetzung des in traditioneller Weise abgeschlossenen Vertrages. Eine eigene Rechtswirkung kommt dem Smart Contract nicht zu.

2.2 Rechtsfolgen bei direktem Bezug zum Smart Contract

Es besteht auch noch die Alternative, dass die Vertragsparteien sich darauf einigen, den Vertrag „wie im Code hinterlegt“ durchführen zu wollen. Dies kann stillschweigend geschehen, man bei den Vertragstext ausdrücklich den Code als vorrangige Regelung erklärt, oder indem man nicht explizit sich über den Inhalt der Vertrages austauscht, sondern das Protokoll/Programm des Smart Contracts in Gang setzt.

Da die Parteien bei der Ingangsetzung des Programmes mit Rechtsbindungswillen handeln, wäre ein solcher Vertrag wirksam und der Programmcode wäre in diesem Ausnahmefall ein wirksamer Smart Contract.

Soweit das Ergebnis dann einen Dissens besteht oder einer der Vertragsparteien einem Irrtum erlegen ist, gelten dann die allgemeinen Regelungen des Zivilrechts, wie bei anderen Verträgen. So z.B. die Anfechtbarkeit wegen Irrtums – § 119 I BGB – oder Dissens – §§ 155, 157 BGB -.

Des weiteren wird man nicht umhinkommen, zumindest Teile des Codes unter die Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu stellen – §§ 305 ff. BGB -. Denn zumindest der Compiler, wenn nicht auch der Quellcode, dürfte für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden wollen. Und auch wenn der Compiler ursprünglich ohne rechliche Implikation entwickelt wurde, so hat die Art und Weise, wie er arbeitet, rechtliche Erheblichkeit. So hat es z.B. rechtliche Auswirkungen, wie ein Compiler auf Fehler reagiert, überspringt er sie und arbeitet den Rest des Programmes weiter ab, stoppt er den Programmlauf oder beginnt er den bisher abgearbeiteten Teil des Codes rückabzuwickeln.

2.3 Smart Contracts und das Formerfordernis

Nur soweit von Gesetzes wegen eine bestimmte Form vorgeschrieben ist, wird man einen Vertrag nicht wirksam mittels Smart Contracts schließen können. Hieran ändert auch die qualifizierte elektronische Signatur nichts, obwohl sie einer Unterschrift und somit der Schriftform gleichgestellt ist. Denn das Formerfordernis hat auch immer eine Warn- und Dokumentationsfunktion. Da der Softwarecode bei Smart Contracts jedoch überwiegend nicht direkt angezeigt wird und selbst dann von der Mehrzahl der Menschen lesbar wäre, wüsste der Unterzeichnende nicht, zu was er gerade zustimmt. Mangels dieses Umstandes ist ein rechtswirksamer Vertrag bei einem Formerfordernis so ohne weiteres nicht umsetzbar.

2.4 Faktische Vertragsumsetzung

Wie oben dargelegt rührt die Akzeptanz des Smart Contract nicht von der Rechtswirksamkeit als Vertragswerk her. Der unbestrittene Vorteil eines Smart Contract liegt jedoch in seiner softwaregestützten Abwicklung des Vertrages. Ein unerwünschtes Abweichen der Vertragsparteien vom vereinbarten Vertrag wird durch ein autonom arbeitendes, unbestechliches Programm verhindert. Z.B. kann ein Programm, welches ab einem bestimmten Status der Vertragumsetzung die Zahlung an den Verkäufer übermittelt, auf der einen Seite verhindern, dass der Käufer per Vorkasse zahlen muss als auch, dass der Verkäufer die Ware liefert und anschließend nicht bezahlt wird.

Ein Smart Contract ist daher weniger ein Vertrag selber, sondern ein Treuhänder für die Umsetzung des selben.

 

3. Fazit/ Pro & Contra in der Übersicht

Trotz der oben aufgezeigten Schwächen des Smart Contract wird dieser sich mehr und mehr durchsetzen. Hierfür bietet der Smart Contract zuviele Vorteile für die Vertragsparteien.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Vertragsschluss ist die Eingehung des Vertrages durch den „Realakt“ genauso schlank, schnell und unbürokratisch, wie der Umstand, dass sich dieser Vertrag überwiegend selbst durchsetzt.

Die „Selbstdurchsetzung“ bedeutet insbesondere bei niedrigen Gegenstandswerten und bei Vertragsparteien, welche z.B. weit auseinander sitzen oder einander nicht bekannt sind, eine höhere Vertragssicherheit. Denn die Rechtsverfolgung war hier bisher entweder nicht möglich oder aufgrund der Rechtsverfolgungskosten effektiv nicht möglich.

Dies, als auch die Einsparung eines Treuhänders, minimieren somit die Transaktionkosten eines Vertrages mit Smart Contract gegenüber eines herkömmlichen.

Vorteile von Smart Contracts

  • selbst ausführbar sind und
  • sich selbst durchsetzen, sie bieten eine
  • höhere Vertragssicherheit gegenüber traditionellem Vertragsrecht bei
  • gleichzeitiger Reduktion der Transaktionskosten

Nachteile von Smart Contracts

  • komplexe Sachverhalte sind schwer abzubilden (aufwändiger als menschliche Subsumtion)
  • Vertrauen in die Integrität und Fähigkeiten des Programmierer
  • Fehler im Code, versteckter Dissens etc.
  • Code grds. nicht lesbar von Menschen.

 

Wer wissen möchte, wie man Smart Contracts möglichst rechtsicher umsetzt, sollte sich zu dem Newsletter anmelden oder im Laufe der nächsten Woche bei dem Beitrag „Smart Contract rechtswirksam“ vorbeischauen.

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