Rechtsanwalt Axel Hellinger

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Steuerrecht Mediation IT-Recht
28.05.2014

Der Voraus des Ehegatten im Erb- und Erbschaftsteuergesetz

Unter dem sogenannten Ehegattenvoraus (oder auch nur Voraus) versteht man den Anspruch des überlebenden Ehegatten gemäß § 1932 BGB auf all die Wertgegenstände, die ihm die Fortführung des gemeinsamen Haushalts ermöglichen soll. Der Voraus schützt damit nicht zuletzt auch den Persönlichkeitsbereich des hinterbliebenen Ehegatten. Die Bedeutung dieses Anspruchs wird in der erbrechtlichen Praxis oftmals unterschätzt. Denn in vielen Fällen deckt der Voraus einen Großteil des Nachlasswertes ab. Für eingetragene Lebenspartner enthält § 10 LPartG inhaltsgleiche Regelungen; die nachfolgenden Ausführungen gelten damit entsprechend. Für sonstige nichteheliche Lebensgemeinschaften besteht hingegen kein Anspruch auf den Voraus.

1. Voraussetzungen und Anspruchsumfang des Voraus

Nach § 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält der überlebende Ehegatte als gesetzlicher Erbe die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit diese nicht Zubehör eines Grundstücks sind, sowie die Hochzeitsgeschenke. Die Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke werden dem Ehegatten zusätzlich zu seinem Erbteil und unabhängig vom ehelichen Güterstand zugeteilt.

§ 1932 BGB ist nicht anwendbar, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden oder aufgehoben wurde. Nach § 1933 BGB ist der Anspruch auf den Voraus bereits ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte bzw. wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.

Die Haushaltsgegenstände fallen nur unter § 1932 Abs. 1 BGB, soweit die Eheleute einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Haben sich die Eheleute bereits vor dem Tod des Erblassers getrennt, wird teilweise noch vertreten, dass sich der Voraus auf die Gegenstände des früheren Haushalts und die später angeschafften Ersatzstücke beschränkt. Teilweise hält man den § 1932 BGB nach einer Trennung generell nicht mehr fuer anwendbar.

Während die Hochzeitsgeschenke in jedem Fall vom Voraus umfasst sind, stehen die Haushaltsgegenstände dem überlebenden Ehegatten nur dann vollumfänglich zu, wenn neben ihm keine Verwandten erster Ordnung, sprich Abkömmlinge (Kinder, Enkel etc.) des Erblassers, als weitere gesetzliche Erben vorhanden sind. Ansonsten kann der überlebende Ehegatte mit dem Voraus nur Gegenstände beanspruchen, welche zur Führung eines angemessenen Haushalts nötigt sind – § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei ist dem Ehegatten auch von etwaigen höherwertigen Gegenständen, z.B. Bildern, ein angemessener Teil zu belassen. Umstritten ist hierbei, ob im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, ob der Ehegatte in der Lage wäre und es ihm zumutbar wäre, gleichwertige Ersatzgegenstände aus eigenen Mitteln zu erwerben. Der Wert der Haushaltsgegenstände ist jedenfalls nicht allein entscheidend.

Exkurs: Voraus und Vorausvermächtnis
Der Voraus sollte nicht mit dem sogenannten Vorausvermächtnis verwechselt werden. Wie dargestellt dient der Voraus der Absonderung für den Haushalt des überlebenden Ehegatten notwendigen Haushaltsgegenstände und der ebenfalls dem überlebenden Ehegatten besonders zugeordneten Hochzeitsgeschenke. Hingegen soll mit dem Vorausvermächtnis über eine Teilungsanordnung hinaus ein Gegenstand dem Erben zusätzlich zu seinem Erbteil aus der Erbmasse zugeordnet werden. Erst nach der vorrangigen Zuordnung des Vorausvermächtnisses wird das Resterbe nach den Erbquoten verteilt.

2. Rechtsfolgen

Gemäß § 1932 Abs. 2 BGB handelt es sich um ein gesetzliches Vorausvermächtnis, zu dessen Erfüllung die Erbengemeinschaft verpflichtet ist. Der Voraus ist eine Nachlassverbindlichkeit i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB. Die Auskunftspflicht des Erbschaftsbesitzers über den Nachlass gemäß § 2027 Abs. 1 BGB erstreckt sich auch auf die zum Voraus zählenden Gegenstände.

Für die Pflichtteilsberechnung bestimmt § 2311 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich, dass der dem Ehegatten gebührende Voraus insoweit außer Ansatz bleibt.

3. Der Voraus im Zusammenhang mit letztwilligen Verfügungen

Nach Wortlaut wie auch systematischer Stellung im Gesetz betrifft § 1932 BGB nur den Fall, dass der Ehegatte gesetzlicher Erbe geworden ist. Ist eine letztwillige Verfügung vorhanden, sind mehrere Konstellationen denkbar. Ist der Ehegatte enterbt, steht ihm auch der Voraus nicht zu, da dieser kein Pflichtteilsrecht darstellt. Ferner kann der Erblasser den Ehegatten als Erben einsetzen, ihm aber den Voraus bzw. ggf. einzelne hierzu gehörende Gegenstände entziehen, namentlich durch entsprechende Vermächtnisse oder Teilungsanordnungen.

Umgekehrt kann der Erblasser dem Ehegatten den Voraus per letztwilliger Verfügung ausdrücklich zuwenden. Hat der Erblasser seinen Ehegatten ohne eine entsprechende Bestimmung hinsichtlich der zum Voraus zählenden Gegenstände mit einem der gesetzlichen Erbfolge entsprechenden Erbteil eingesetzt, stellt sich die Frage, ob hierin zugleich eine stillschweigende Zuwendung des Voraus gesehen werden kann. Hier ist im Wege der Auslegung zu klären, ob der überlebende Ehegatte auch hinsichtlich des Voraus so gestellt werden sollte, als wäre er gesetzlicher Erbe. Eine solche Auslegung dürfte insbesondere in den – praktisch freilich sehr seltenen – Fällen des § 2066 BGB nahe liegen, sprich wenn der Erblasser ohne nähere Bestimmung seine gesetzlichen Erben bedacht hat.

Zu beachten ist, dass der BGH den Voraus entsprechend dem Wortlaut des § 2311 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann bei der Pflichtteilsberechnung außer Betracht lässt, wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe ist, nicht aber, wenn das Erbrecht des Ehegatten auf einer letzwilligen Verfügung beruht.

4. Praxis

Vor dem Hintergrund des § 2311 Abs. 1 Satz 2 BGB kann es für einen überlebenden Ehegatten, der per letztwilliger Verfügung zum Erben eingesetzt worden ist, sinnvoll sein, die Erbschaft als eingesetzter Erbe auszuschlagen und als gesetzlicher Erbe anzunehmen – was § 1948 Abs. 1 BGB explizit zulässt.

Die Entscheidung hierüber hängt u.A. von den im Einzelfall zum Voraus zählenden Gegenständen einerseits sowie dem Wert des Nachlasses insgesamt ab.

Gemäß §§ 2176, 2180 BGB könnte der überlebende Ehegatte ferner den Voraus ausschlagen, die Erbschaft jedoch annehmen. Ob er umgekehrt sein gesetzliches Erbrecht ausschlagen und den Voraus annehmen kann, ist umstritten.

Besteht der Nachlass im Wesentlichen aus zum Voraus zählenden Gegenständen, die der überlebende Ehegatte möglichst ungeschmälert und ohne Belastung mit Pflichtteilsansprüchen erhalten soll, ist bei der lebzeitigen Planung durchaus in Erwägung zu ziehen, keine letztwillige Verfügung zu errichten, sondern es schlicht und einfach bei der gesetzlichen Erbfolge zu belassen. Wenn dennoch eine Verfügung von Todes wegen errichtet wird, empfiehlt sich zur Rechtssicherheit in jedem Fall eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich des Voraus bzw. der einzelnen hierfür in Betracht kommenden Gegenstände.

5. Der Voraus im Steuerrecht

Im Steuerrecht wird der Voraus als ein vermächtnisgleicher Erwerb von Todes wegen gesehen – § 3 I Nr. 3 ErbStG -.
Er ist neben dem sogenannten Dreißigsten das einzige kraft Gesetz entstehende Vermächtnis.

Außerhalb des oben erwähnten § 3 ErbStG findet der Voraus im Erbschaftsteuergesetz keine ausdrückliche Beachtung. Jedoch erfolgt in § 13 I ErbStG eine sachliche Steuerbefreiung auf Hausrat, Wäsche und Kleidungsstücke. Dies kommt dem Sinn und Zweck des Voraus entsprechend nahe und stellt sicher, dass die Funktion des Haushalt nicht durch eine Belastung mit Steuern beeinträchtigt wird. Hochzeitsgeschenke finden keine Bevorzugung im Erbschaftsteuergesetz. Die sachliche Befreiung gilt für Personen der Steuerklasse I bis zu einem Wert von insgesamt 41.000 €. Für Personen der Steuerklassen II und III ist der Freibetrag auf 12.000 EUR beschränkt.

Personen der Steuerklasse I sind Ehe- bzw. Lebenspartner, Kinder, deren Abkömmlinge und auch Eltern beim Erwerb von Todes wegen – § 15 I ErbStG -. Personen der Steuerklasse II und III sind weiter entfernt verwandte Personen, wie etwa Geschwister, Schwiegereltern und auch der geschiedene Ehegatte/Lebenspartner.

Quelle: Kanzlei Hellinger