1) IDENTIFIKATION DER VERTRAGSPARTEIEN
a) Die Einsichtnahmen der Handelsregisterauszüge
Als Hauptregel gilt: zuerst prüfen, wer der Partner ist, mit dem man Handelsbeziehungen unterhält. In der Tat ist es sehr nützlich zu wissen, ob die andere Partei zunächst in Polen rechtlich anerkannt wird, ob es sich um eine Kapitalgesellschaft, um eine Personengesellschaft oder um andere Rechtsformen handelt, ob sie “gesund” ist oder sich in Liquidation oder Insolvenz befindet. Vor Beginn der Verhandlungen wird dringend empfohlen zu überprüfen, wer die Partei ist, mit der Sie Ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten durchführen wollen. Diese Überprüfung kann durch die Kontaktaufnahme mit uns im Voraus durchgeführt werden. Wir können uns leicht und mit wenig Aufwand um die Einsichtnahmen in die jeweiligen Register des polnischen Handelspartners sorgen. Nur mit aktuellen Handelsregisterauszügen ist es möglich, die gesamte Dokumentation (Verträge, Rechnungen, Versandpapiere usw.) mit korrekten und aktualisierten Daten des Handelspartners zu erstellen.
b) Die Identifikationsnummern
Im polnischen System gibt es drei Identifikationsnummern, die benötigt werden, um eine produktive Wirklichkeit in Polen zu identifizieren:
- NIP: ist die Steueridentifikationsnummer, die vom zuständigen Finanzamt erteilt wird. Diese entspricht der deutschen Steueridentifikationsnummer. Wenn der Partner Inhaber einer europäischen NIP Nummer ist, ist es möglich seine Existenz auf der Homepage des Finanzamtes unter folgendem link zu überprüfen:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/vies/vieshome.do?selectedLanguage=de
- REGON: ist eine statistische Nummer, die vom GUS (Statistisches Zentralamt) erteilt wird;
- KRS: diese entspricht der Nummer der Einschreibung ins Handelsregister bzw. ins Register der wirtschaftlichen Tätigkeiten. Das KRS (Registergericht) ist das Register, in dem die Handelsgesellschaften in Polen eingeschrieben sind. Das Register für wirtschaftliche Tätigkeiten hingegen ist für alle anderen Inhaber einer eigenen Steueridentifikationsnummer zuständig.
Im Falle von Einpersonengesellschaften ist die Identifikationsnummer im zuständigen Handelsregister eingeschrieben und für einen Auszug aus diesem Register ist es notwendig einen formellen Antrag an die zuständige Gemeinde zu stellen.
c) Überprüfung der unterschreibenden Person
Es ist wichtig, zu überprüfen, ob die Person, die sich als der gesetzliche Vertreter oder die Person, die berechtigt ist bestimmte Tätigkeiten durchzuführen ausgibt auch tatsächlich Inhaber dieser Befugnisse ist. Diese Überprüfung kann sich anhand eines aktuellen Handelregisterauszugs, oder gegebenenfalls auch durch einer besonderen Generalvollmacht oder Prokura ergeben.
2) VORBEREITUNG, ERSTELLUNG UND AUFBEWAHRUNG VON UNTERLAGEN
Ab dem Zeitpunkt, an dem wir eine Schuldforderung beanspruchen wollen, ist es zunächst notwendig die Existenz derselben zu beweisen. Diese Existenz kann mit verschiedenen - geschriebenenen oder ungeschriebenen (im Falle von Zeugenaussagen) – Beweisquellen nachgewiesen werden. Die schriftlichen Beweise sind jedoch immer vorteilhafter: sie sind leichter zu akquirieren, sie müssen weniger ausgelegt werden und sie enthalten die wichtigsten Elemente, um einen Zahlungsanspruch zu begründen.
a) Sprache der Unterlagen
Weiterhin wäre es von Vorteil von Beginn an alle Unterlagen (Bestellungen, Rechnungen, Versandpapiere) in zwei Sprachen aufzusetzen. In der Tat ist polnisch die offizielle Sprache der Verwaltungs- und Gerichtsbehörden in Polen. Wenn die Unterlagen in anderen Sprachen aufgesetzt wurden, ist es notwendig alle Unterlagen beeidigt auf polnisch zu übersetzen, was mit erhöhten Kosten - je nach Quantität und Komplexität der zu übersetzenden Dokumenten - verbunden ist. Die Vorbereitung und die Erstellung der Unterlagen in einer zweisprachigen Version erlaubt Ihnen, diese zusätzlichen Kosten zu sparen und schafft außerdem Klarheit und mehr Verständnis zwischen den Vertragsparteien.
b) Verwaltung der Unterlagen
Die sorgfältige Beachtung der formellen Aspekte in den Unterlagen (Überprüfung der Unterschriften und der Adressen, Richtigkeit und Lesbarkeit der Ziffern und Buchstaben) erweist sich als sehr wichtig, da ein falscher Name, eine irrtümlich falsch wiedergegebene Zahl und ähnliche Fälle Anlass für falsche Interpretationen oder mangelhaften Informationsaustausch geben können.
c) Bestellungen und Korrespondenz
Damit man im Nachhinein mit Genauigkeit den Verlauf der Ereignisse rekonstruieren kann und somit die Wirkungskraft eines künftigen Vollstreckungsverfahrens zu erhöhen (man bedenke die Beweiskraft vor Gericht, um einen Mahnbescheid zu erhalten) ist es besser die Bestellungen mit original Unterschrift der anderen Partei aufzubewahren. Des Weiteren ist für den gleichen Zweck eine systematische Korrespondenz (inklusive Email und Fax), aus der man die Handelsbeziehungen zwischen den Parteien entnehmen kann, sehr nützlich.
d) Rechnungen
Man sollte unbedingt eine unterschriebene Kopie der Originalrechnung für die Annahme (PRZYJMUJĘ auf Polnisch) fordern. Diese Anfrage erscheint übertrieben, jedoch gilt im polnischen System: wenn wir diese Art von Dokumenten besitzen erhöhen wir um ein Vielfaches die Möglichkeiten einen “starken” gerichtlichen Mahnbescheid (später dazu mehr) zu erhalten; mit erheblicher Zeit- und Kostenersparnis und einer effizienteren Vollstreckung. Als Alternative kann man ein Dokument vorbereiten - eigenhändig unterschrieben und im Original versandt – indem der Schuldner alle genannten Rechnungen für angenommen erklärt.
3) VERTRÄGE
Ein Vertrag, der nicht richtig strukturiert ist oder in dem Wesentliches fehlt, wird nicht regelungsfähig sein wie er es sein sollte. Aus diesem Grund empfehlen wir alle Verträge von Fachleuten aufsetzen zu lassen und falls ein solcher finanzieller Aufwand nicht möglich sein sollte, kann für die jeweilige Erstellung von Verträgen zumindest ein Entwurf von Standardverträgen von Anwälten oder Rechtsberatern weiter helfen. Es ist immer ratsam in einem grenzüberschreitenden Vertrag folgendes zu regeln:
- Anwendbares Recht;
- Wahl der Gerichtsbarkeit.
Damit vereinbart man von vornherein welches Recht der Vertrag inne hat und wer der zuständige Richter im Falle einer zukünftigen Rechtsstreitigkeit ist.
Als Alternative können allgemeine Bestimmungen vorbereitet werden, damit alle Beziehungen zwischen den Parteien einheitlich und ausführlich geregelt werden. Die allgemeinen Bestimmungen können jeder Art von Vertrag beigefügt werden und bei ihrer Festsetzung ist der Rat eines Fachmannes empfehlenswert.
4) GARANTIE DER FORDERUNG
Die Vorbereitung von bestimmten Garantien der Forderungen neben den Garantien, die auch in Deutschland bekannt sind (Bankgarantie, Kreditversicherungen, Wechsel), gibt es im polnischen System die Möglichekeit einen Notariatsakt gemäß Art. 777 der polnischen Zivilprozessordnung vorzubereiten. Diese Garantie (bekannt als “777”) besteht aus einer notariellen Urkunde, in der der Schuldner sich im Falle einer Nichterfüllung einer Vollstreckung verpflichtet. In diesem Akt ist außerdem die Gesamtsumme der Schuld notiert.
Dieser Notariatsakt muss beinhalten:
- die Erklärung des Schuldners sich der Vollstreckung zu verpflichten
- die genaue Bestimmung des Verpflichtungsobjekts (Geldsummen, Güter nach Gattung und Art bestimmt)
- der Schuldforderungsbetrag, damit man den Gesamtbetrag bestimmt (ggf. auch mit einer Wertsicherungsklausel)
- die Bedingungen, die den Gläubiger zur Vollstreckung berechtigen
- die Frist nach dessen Ablauf der Gläubiger die Anbringung der Vollstreckungsklausel an den Notariatsakt beantragen kann
5) GERICHTLICHE MAHNBESCHEIDE IN POLEN
Es ist grundlegend zu wissen, dass es in Polen zwei verschieden Arten von gerichtlichen Mahnbescheide gibt. Um es zu vereinfachen können wir einen als “schwachen” Mahnbescheid und den anderen als “starken” Mahnbescheid bezeichnen. Alles was in diesem Informationsschreiben verdeutlicht wird zielt darauf ab einen “starken” Mahnbescheid zu erhalten, der wie es der Name schon andeutet die Ansprüche des Gläubigers mehr schützt.
a) Der “starke” gerichtliche Mahnbescheid
Die Voraussetzungen für diese Art von Mahnbescheid:
- ein Wechsel;
- eine vom Schuldner unterschriebene Rechnung;
- eine Aufforderung zur Erfüllung versehen mit einem Schuldanerkenntnis des Schuldners;
- ein Vertrag versehen mit den nachweisenden Unterlagen der Warenaushändigung und der Rechnung.
b) Der “schwache” gerichtliche Mahnbescheid
Für den Erhalt eines “schwachen” Mahnbescheids ist es zunächst notwendig 5% des Streitwertes (bis maximal 100.000 PLN – ca. 25.000 Euro) als Gerichtsgebühren zu zahlen. Im Gegensatz zum starken Mahnbescheid ist der schwache Mahnbescheid nicht sofort vollstreckbar und ein Widerspruch des Schuldners kann innerhalb von 14 Tagen seit Bekanntmachung erhoben werden.
c) Der telematische Prozess
Ab dem 1.1.2010 gibt es in der polnischen Rechtsordnung die Möglichkeit einen telematischen Prozess, mit zuständigem Richter in Lublin, zu führen. Diese Art von Prozess führt einen besonderen Vorteil mit sich: es ist nicht notwendig die Unterlagen dem Antrag beizufügen (und somit fällt auch im Falle von anderssprachigen Unterlagen eine eventuelle beeidete Übersetzung weg). Außerdem betragen die Gerichtsgebühren nur 1,25% des Streitwertes. Dieses Verfahren zielt nur auf die Erlangung eines “schwachen” gerichtlichen Mahnbescheides ab und im Falle eines Widerspruchs wird es dem tatsächlich zuständigen Richter weitergeleitet.
Unsere Anwaltskanzlei ist eine der wenigen Kanzleien in Polen, die den dazu benötigten Zertifikat besitzen, um einen telematischen Prozess durchzuführen.
d) Vorläufige Sicherstellungsmaßnahmen
Mit relativ geringen Kosten gibt es auch die Möglichkeit einen Antrag auf vorläufige Sicherstellungsmaßnahmen für das Schuldnervermögen zu stellen. Dazu müssen folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- fumus boni iuris, also der Anspruch des Gläübigers muss begründet erscheinen;
- periculum in mora, die Möglichkeit, dass der Schuldner zahlungsunfähig sein wird.
Nach der Erteilung dieser Sicherstellungsmaßnahmen fordert das Gericht den Gläubiger auf (bis zu 14 Tage nach dem Erlass) auf, rechtliche Wege bei sonstigem Ausschluss der Sicherstellungswirkung einzuleiten.
6) DIE VOLLSTRECKUNG
Im polnischen System stellt sich die Figur des Gerichtsvollziehers mit einer völlig anderen Charakteristik dar, als wir es in Deutschland gewohnt sind: Der Gerichtsvollzieher in Polen ist ein Freiberufler und ist im zuständigen Berufsregister je nach Sitz und Tätigkeitsbereich eingeschrieben. Aus diesem Grund ist es notwendig für die Vollstreckung einen Spesenkonto zu begründen, um die Ermittlung, die Vollstreckung und die anschließende Veräußerung der Sachen des Schuldners durchzuführen. Die Angabe von Kontonummern, von beweglichen Sachen und von Immobilien des Schuldners ist eine sehr wichtige Hilfe in dieser Phase der Vollstreckung. Um die Vermögenslage des Schuldner zu erforschen gibt es entsprechende Agenturen, die die Recherchen und die Ermittlungen durchführen, um die Besitzverhältnisse festzustellen.
7) EUROPÄISCHER MAHNBESCHEID
Mit der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004, der einen europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen einführt, wurde ein einfacheres System zur Schuldeneintreibung innerhalb der Europäischen Union und somit auch in Polen geschaffen.
Der Antrag auf Bestätigung eines europäischen Vollstreckungstitels muss bei der Behörde, die die Maßnahme erlassen hat, gestellt werden. Nachdem man den Titel erhalten hat, kann man im Ausland ohne weitere Formalität mit der Vollstreckung beginnen. Allerdings hängt in Polen die Vollstreckung eines europäischen Titel von der Erlassung der Vollstreckungsklausel ab. Der Antrag auf Erlass dieser Klausel ist bei dem zuständigen Gericht zu erheben und sie wird in relativ kurzer Zeit erlassen (max. ein Monat).
8) EUROPÄISCHES MAHNVERFAHREN – EUROPÄISCHER ZAHLUNGSBEFEHL
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zurEinführung eines Europäischen Mahnverfahrens, sind die internationalen Streitigkeiten über unbestrittene Geldforderungen einfacher und schneller zu lösen. Für weitere Informationen:
http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/judicial_cooperation_in_civil_matters/l16023_it.htm
Falls jemand in Polen dieses Verfahren für die Begleichung einer Forderung einleitet, ist es für den angeblichen Schuldner möglich innerhalb von 30 Tagen seit der Bekanntmachung Einspruch zu erheben. In diesem Einspruch erklärt der Beklagte, dass er die Forderung anfechtet, ohne dass er dabei besondere Gründe angeben muss.
E N D E
Dieses Informationsschreiben will einige kurze Hinweise geben, um einen besseren Gläubigerschutz in Polen zu gewährleisten. Für weitere Informazionen oder im Bedarfsfall stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
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RA Alfio Mancani
Tel: (+48) 22 11 93 357
E-mail: alfio.mancani@md-partners.pl
Marco Arena
Verantwortlicher des German Desk
E-mail: marco.arena@md-partners.pl