Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
30.11.2011

Zeugnisdatum

Wagnerianische Ausmaße hat es, das Arbeitszeugnis. Es war ja grade erst Thema hier, dass desinteressierte und motivationslose Mitarbeiter ihre Zeugnisse nicht korrigiert kriegen, auch wenn ihre negativsten Eigenschaften da nur in ihren eigenen Augen drinstehen :-)

Härter noch ist der Kampf um das Zeugnisdatum. Ich will das endlich mal höchstrichterlich wissen. Ja, und ich lasse mich belehren. Ungern. Ich habe nämlich auch eine Meinung, und die fängt an, mit „…jetzt ist aber Schluss!…“

Zum x-ten Mal dieses Jahr schickt hier einer (seien wir höflich: Ein Kollege; macht auch nur seinen Job) das ganze Arbeitszeugnis im Original zurück. Das Zeugnis trage das „falsche Datum“ und sei zu korrigieren.

Falsches Datum, hä? Falsche Daten gibt es viele. Den 31. November. Den 30. Februar. Den 5. Oktober 1582. Diese Daten haben gemeinsam, dass es sie einfach nicht gibt. Deshalb sind sie sicher „falsch“.

Hier lautete das Zeugnis auf den 15. April 2011. Ich habe nachgesehen: Das Datum gibt es, keine Kalenderreform.

Aber es gibt die unausrottbare Meinung, dass Zeugnisse auf das „Datum des Ausscheidens“ lauten müssten.

Das war hier der 31.3.2011.

Um es mal so zu sagen: Diese Ansicht ist (meine ich jedenfalls) ist rechtlich falsch – und ich könnte es begründen, aber ich will dazu nichts „rechtliches“ sagen, denn de minimis non curat praetor, wie Sie ja schon wissen.

Ich will nur mal anprangern, wie solche Meinungen zustande kommen. Da muss doch die Sichtweise dahinterstehen, dass ein Arbeitgeber (dessen Personalleiter, der „Chef“, wer auch immer) am letzten Tag der Kündigungsfrist immer und überall, auch am Sonntag in NY City, nichts Besseres zu tun hat, als das Zeugnis zu schreiben. Wenn es denn am „letzten Tag“ schon angefordert worden war. Man muss doch hirnverbrannt sein, um das zu glauben. In einer normalen Welt würde der Arbeitnehmer irgendwann kommen – auch und gerade nach dem Ende – und ein Zeugnis wünschen. Der Arbeitgeber fertigt es dann und setzt das Datum drauf, an dem er es unterschreibt. Das ist ja auch „wahr“. Dieser Ablauf ist natürlich. Manche bestellen nie ein Zeugnis. Andere so spät, dass man ihnen Ausschlussfristen oder Verjährung entgegenhalten kann. Das echte Datum wirkt also glaubwürdig. Das künstliche Datum nicht. Warum besteht man dann darauf?

Das Schlimmste ist: Dafür wird auch noch geklagt.

(Endlich einmal. Wir dürfen vielleicht einen Grundsatzstreit führen, der sicher – wie auch immer – den EuGH beschäftigen wird. Europäische Arbeitszeugnisrichtlinie?)

Großartig.

Aber ich weiß ja: Zeugnisse sind schriftliche Lügen. Deshalb muss ein falsches Datum drauf, sonst wäre die Lüge ja von Wahrheit durchbrochen. Wäre ein richtiges Datum drauf, wäre das Datum zwar richtig, eben deshalb aber falsch. Kapiert?

Juristen.