So poetisch kann Betriebsverfassung daherkommen. Schöpfer der Lyrik ist ein Herr Reiner Neumeister von der IG Metall. Er wurde vom Schwarzwälder Boten gefragt, was er von „Mitarbeitervertretungen“ halte, die etwa ein Unternehmen aus Freudenstadt beabsichtig, einzurichten. Dazu hieß es von ihm und über ihn dann:
Die Entscheidung des Freudenstädter Unternehmens mit Niederlassungen in Dunningen und Niedereschach stößt bei der IG Metall auf wenig Freude. Wie Reiner Neumeister auf Anfrage unserer Zeitung betonte, habe ein Mitarbeiterbeirat gesetzlich keine Grundlage. Die einzige rechtliche Basis für eine Mitarbeitervertretung in einem Unternehmen sei ein Betriebsrat. Jede andere Regelung sei “wie ein Regenschirm bei Sonnenschein”. Immerhin bewertet es Neumeister als positiv, “dass bei der Schmid Group die Erkenntnis gereift zu sein scheint, dass Mitarbeiter auch nach ihrer Meinung gefragt werden”.
Mitarbeitervertretungen?
Eben keine Betriebsräte. Genau.
Kann ein Unternehmen sich eine andere Mitarbeitervertretung selbst verordnen? Vielleicht sogar, wie hier, im Konsens (oder vermuteten Konsens) mit seiner Belegschaft?
Aber jein!
Ein Unternehmer kann erst einmal machen, was er will. Wenn er nicht geltendes Recht bricht. Dazu kann es bei einer selbstgebastelten Mitarbeitervertretung kommen.
Bei selbstgebastelten Vertretungen bestimmt zunächst einmal der Arbeitgeber alleine die Spielregeln. Wo ein Betriebsrat mitzusprechen hat, bestimmt dagegen das Gesetz. Das mag auch die oberflächliche Attraktivität erklären, die das für ein Unternehmen hat. Einer Betrachtung durch die Lupe hält das aber meist nicht stand.
Die gesetzlichen Befugnisse von Betriebsräten haben zugegebenermaßen oft Eingriffe in die Bewegungsfreiheit des Arbeitgebers zur Folge. Der Arbeitgeber darf aber nicht vergessen, dass er damit auch ein Regelungsinstrument bekommt, das viel Rechtssicherheit schafft. Spreche ich mit einem Betriebsrat, kann nicht mit diesem z.B. rechtssicher die tägliche Arbeitszeit über 10 Stunden ausdehnen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG). Mache ich das mit einer selbstgebauten Mitarbeitervertretung, ist die Ausdehnung illegal, weder müssen die Leute arbeiten noch komme ich an Bußgeld und Strafverfolgung einfach vorbei, die mir als Arbeitgeber dann droht (§§ 22, 23 ArbZG). Geht es ans Kündigen, kann ich mit meinem Betriebsrat sogar Interessenausgleiche mit Namenslisten vereinbaren; nicht ohne Diskussion freilich, aber es gibt diese Listen ja in der Praxis. Das Ergebnis sind rechtlich fast unangreifbare Kündigungen. Mit einer „Mitarbeitervertretung“ ist das gerade einmal so viel wert, wie das Papier, auf dem es geschrieben steht. Diese Liste von Gestaltungsmöglichkeiten lässt sich stark verlängern.
Wenn man aber doch etwas eigenes möchte, unbedingt? Bitte sehr! Aber es gibt da keine unbedenklichen Gestaltungen. Im Schwarzwald scheint man sogar wählen zu wollen. So eine Wahl Kosten des Arbeitgebers Geld – und die Notwendigkeit, einen echten Betriebsrat zu wählen, spart er sich nicht dadurch. Er zahlt also zwei Wahlen. Nun kann man die Mitarbeiter aber auch verwirren. Das kann gefährlich sein.
Nicht, weil verwirrte Arbeitnehmer wie Gabelstaplerfahrer Klaus agieren könnten.
Natürlich ist das auch eine Gefahr – aber es besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeitern schlicht nicht mehr klar ist, wen sie warum wählen und wer welche Befugnisse hat. Das kann zu einer Wahlunlust bei der eigentlichen Betriebsratswahl oder zu Irrtümern über die Machtverhältnisse führen. Es kann der Eindruck aufkommen, die Mitarbeitervertretung sein vom Arbeitgeber sanktioniert und habe sein Ohr, der Betriebsrat sei dagegen eher ein wenig einflussreicher Fremdkörper. All das kann – wie Propaganda gegen den Betriebsrat – ganz schnell zu einer Straftat werden (etwas nach § 119 BetrVG). Abgesehen von den vielen Reibungspunkten während der Arbeit – ein Betriebsrat kann jede gedachte Privilegierung einer „Mitarbeitervertretung“ als Verletzung seiner Rechte auslegen und bekämpfen. Statt einer genehmen Vertretung hole ich mir auf diesem Weg als Arbeitgeber einen aufgescheuchten Hühnerstall ins Haus. Und eine teuren dazu. Warum sollte man so etwas machen?
Der Betriebsrat mag eine bittere Pille sein, für manchen Unternehmer. Um das Schlucken kommt man aber einfach nicht herum. Do-it-yourself klappt nicht in der Betriebsverfassung. Gar nicht.