Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
16.03.2013

Was man als Betriebsrat besser sein lassen sollte

Rechthaberei und Drohungen. Ja, sie kommen natürlich in allen mehrseitigen Rechtsverhältnissen vor. Allerdings sind die Betriebsparteien zu so etwas wie „vertrauensvoller Zusammenarbeit“ verpflichtet (§ 2 BetrVG).

Dieser Appell an die beiderseitige Moral ist meist ohne große Bedeutung. Die Schlachten werden auf den formalen Höhen des Mitbestimmungsrechts oder in den Tälern des Anfechtungs- und Wahlrechts geschlagen.

Manchmal ist es aber auch anders, so beim Arbeitsgericht Berlin vor ein paar Tagen (Beschluss vom 31.01.2013 – 4 BV 16641/12). Und zwar, weil der Betriebsrat seinen Arbeitgeber angezeigt hatte. Das kann er auch auf Grundlage einiger betriebsverfassungsrechtlicher Abseitsnormen machen, §§ 119 und 120 BetrVG zum Beispiel. Da steht alles böse Welt drin, Behinderung von Betriebsratswahlen etwa und andere Kapitalverbrechen. Abseitige Normen sind das, weil sie kaum jemals zum Zuge kommen. Allerdings: Dass man ein Gesetz gegen Bestechung und Bestechlichkeit von Betriebsräten braucht, ist allerdings durch praktische Erfahrung (Volkswagen) bewiesen. Die schnell aufgekeimte Frage, ob die Macht mancher Mitbestimmungsorgane oft keine andere Wahl lasse, verschwand aus der Öffentlichkeit noch schneller als der, der sie aufgeworfen hatte (Christian Wulff, Sie werden es kaum glauben).

Zurück zum fiesen Verbrechen. Abseitig sind diese Normen geblieben, weil man sich schlecht miteinander unterhalten kann – wozu Arbeitgeber und Betriebsräte aber nun einmal kraft Amtes gezwungen sind – wenn einer den anderen gerade bei der Staatsanwaltschaft hingehängt hat. Das ist nicht vertrauensbildend. Es kann einen Betriebsrat außerdem das Amt kosten, sagt das Arbeitsgericht Berlin, siehe oben.

Das ist ganz interessant. Der normale Irre Bürger, der seine Mitmenschen anzeigt („das ist doch kriminell!“) ist kraft Verfassung vor unangenehmen Folgen, ja sogar vor Schadensersatz selbst dann geschützt, wenn man schon gehörig einen an der Waffel braucht, um beim angezeigten Sachverhalt überhaupt an Strafbarkeit zu denken (BVerfG, 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85).

Hat man ein Amt – wie der Betriebsrat – gilt das nicht so uneingeschränkt. Das Arbeitsgericht Berlin hatte einen wütenden Arbeitgeber: Wegen der Anzeige wollte der den ganzen (!) Betriebsrat auflösen lassen. Das hat nicht geklappt und wäre vielleicht auch überzogen. Aber den Anzeigenden hätte es treffen können, weshalb man es vielleicht besser mit seiner Amtsenthebung versucht hätte, statt gleich das ganze Gremium in die Luft zu jagen. Aber trotzdem: Unüberlegte Anzeigen können Pflichtverletzungen sein. Unser hauptstädtisches Arbeitsgericht:

Die Anzeige könne das Ansehen des Arbeitgebers und das Vertrauen der Belegschaft in dessen Redlichkeit erschüttern. Der Betriebsrat dürfe sie daher erst nach gründlicher Prüfung des Sachverhalts und erst dann erstatten, wenn weitere Versuche, den Arbeitgeber zur Einhaltung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu bewegen, aussichtslos erscheinen; eine derartige Sachverhaltsgestaltung habe nicht vorgelegen.

Das sollte man auch weiterhin beachten, in den Betriebsratsgremien. Dann bleiben das abseitige und unbekannte Normen. Das ist, um mit Klaus Wowereit zu sprechen, auch gut so.