Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
22.11.2013

Was an der ordentlichen Gerichtsbarkeit erstaunt…

…ist die aggressive Personalwerbung in den Gerichten.

Man muss das mal ansprechen. Für mich ist der Ausflug vor ein ordentliches Gericht (natürlich als Gegenbegriff zu „richtigem Gericht“ = Arbeitsgericht – was denn sonst?) zwar nicht exotisch, aber selten genug, um sich zu wundern. In der Berliner Gerichtsbarkeit wird jetzt mit diesem Plakat für neue Justizwachtmeister/-innen geworben:

Nun sind das wichtige Tätigkeiten. Ich will auch nicht die Weisheit in Frage stellen, die Plakate in Gerichten auszuhängen, wo die meisten Leute schon bei der Justiz beschäftigt sind. Das interessierte Publikum könnte ja eher woanders zu finden sein.

Aber welchen Eindruck bekommt das Volk – oder der arme Arbeitsrechtler – vom Slogan „lieber live dabei“, verbunden mit einem Foto, auf dem zwei Wachtmeister/-innen einen Kriminellen im Gerichtssaal abführen? Mein Gefühl lässt sich ja nur mit „Magengrummeln“ beschreiben:

Entweder, die Bewerber sollen sich darauf freuen, endlich mal Hand an fiese Kriminelle legen zu dürfen. Ahem…will man solche Leute? Oder Voyeure, die schon immer Zuschauer in Prozessen sein wollten, und jetzt die Möglichkeit sehen, sich dafür bezahlen  zu lassen…? Nein, bitte, das doch nicht“! Hat der Mensch auf dem Foto übrigens noch die Möglichkeit einer Berufung? Fragen über Fragen.

Oder, die Werber meinten, es ist besser, den Typen abzuführen, als selbst der Abgeführte zu sein; das war spontan meine erste Assoziation. Wohl wahr. Aber nochmal: Ist das die angesprochene Klientel…?

Vielleicht gehöre ich ja auch einfach nicht zu Zielgruppe. Und sicher führe ich lieber ab, als mich abführen zu lassen. Und angesichts der lebenslangen Stellung: Ich suche schon mal meinen Lebenslauf raus…