Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
22.07.2011

Was Whistleblowing mit „Emmely“ zu tun hat

„Emmely“ war ja der Fall des Jahres 2010. Allerdings ging es nur um Klauen, nicht  um Whistleblowing.

(c) stevendepolo, creative commons

Darunter versteht man, wenn ein Arbeitnehmer den Behörden – vor allem den Strafverfolgungsbehörden – das Verhalten des eigenen Arbeitgebers anzeigt.

Whistleblowing liegt auf einer gefährlichen Trennlinie: Manche halten Whistleblower für Helden. Sie decken Straftaten des Arbeitgebers auf, Sozialversicherungsbetrug, kriminelle Kartelle. Die Staatsanwälte finden das prima.

Die Arbeitgeber nicht. Das ist erst einmal offensichtlich, hat aber auch gute Gründe. Wenn jeder Spinner straflos eine Anzeige schreiben kann, kann man demnächst den Laden dicht machen. Ganz ehrlich: Die Arbeitswelt ist rechtlich so komplex, dass Arbeitnehmer nicht mehr durchschauen. „Sie zahlen keinen Mindestlohn“ – schwupp, Strafanzeige. Noch ein irrer Staatsanwalt, und Sie haben eine Hausdurchsuchung. Noch ein irrer Reporter, und Sie stehen damit in der Zeitung. Dass dann später kleinlaut zugegeben werden muss, dass der „Mindestlohn“ gar nicht geschuldet war, kriegt keiner mehr mit…

In Deutschland fliegen Whistleblower. Fristlos. Allgemein wird angenommen, das sei nicht gerechtfertigt, wenn die vorher alles versucht hätten, den Arbeitgeber auf sein Tun aufmerksam zu machen – vergeblich. Ausprobiert hat diese Verteidigung noch niemand in letzter Konsequenz, und wer will schon den Helden spielen.

Und da kommt Emmely indirekt ins Spiel.

Die war nämlich von Benedikt Hoppmann vertreten. Dessen Prozessstrategie hatten wir scharf kritisiert, und zwar zu Recht.

Aber eines muss man dem Kollegen lassen. Er hat eine Mission und wenn er sich mal festbeißt, ist er nicht loszuwerden. Denn gestern hat der EGMR entschieden, dass der Whistleblower in Deutschland nicht ausreichend geschützt ist und damit die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt ist (Heinisch / Bundesrepublik Deutschland, Spruch v. 21.7.2011, Fall 28274/08). Nachdem beim Arbeits- Landesarbeits- und Bundesarbeitsgericht alles zuvor gescheitert war. Eine Krankenpflegerin bekommt bescheinigt, dass sie sich richtig verhalten hat. Ihre Kündigung verletzt die Konvention. Datum der Kündigung: 19.1.2005.

Im Urteil – auch darüber hinaus sehr lesenswert – steht:

„The applicant was represented by Mr B. Hopmann, a lawyer practising in Berlin.”

Ja – trotz der früheren Kritik ist jetzt eine Gratulation an den Kollegen fällig. Für diesen langen Atem. Und den verdienten Erfolg. Denn hier war das Whistleblowing nach den Schilderungen im Urteil wirklich gerechtfertigt…

Weblinks:

Rechtslupe: http://www.rechtslupe.de/arbeitsrecht/whistleblower-im-arbeitsrecht-331575

Artikel über den Kollegen Hoppmann: http://publik.verdi.de/2009/ausgabe_01_02/leben/menschen/seite_23/A0

Datenschutzbeauftragter.info: http://www.datenschutzbeauftragter-info.de/richterschelte-aus-strassburg-fuer-deutschen-umgang-mit-whistleblowing/