Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
27.09.2013

Videoüberwachung – die moderne Überwachungsgesellschaft am Beispiel Herne

Das Stichwort „Videoüberwachung“ lässt jeden Leser frei assoziieren (*).

Fügen wir eine Assoziation hinzu, die aus Herne (ca. 150.000 Einwohner, Stadtwappen eine Mischung zwischen Ferrari und Stuttgart, Wahlkreis Herne-Bochum II, Direktkandidatin: Michelle Müntefering, SPD) kommt und dort vor dem Arbeitsgericht steht.

Überwacht hat – der Arbeitnehmer. Bei sich zu Hause. Herausgekommen sind klare Bilder. Aufnahmen seines Chefs. Was der in der Wohnung machte, ist so abstrus, dass entweder die Dattelner Morgenpost für ihren Bericht unsauber recherchiert haben müsste (schließen wir mal aus) oder eben nur vor dem Arbeitsgericht stattfinden kann.

Der Arbeitnehmer hat nicht ohne Grund seine Wohnung überwacht:

Der angestellte Kaufmann war misstrauisch geworden, als in der Woche zuvor plötzlich die Antibabypille seiner Freundin verschwunden war. „Da habe ich die Kamera installiert“, sagte er am Rande des Prozesses. „Ich wollte wissen, ob einer in unserer Wohnung war.“

Ja, wenn die Antibabypille weg ist – die Packung ist ja auch sehr groß und auffällig – aber alle Wertgegenstände noch da sind, liegt ein klarer Schluss am nächsten: Da muss jemand in der Wohnung gewesen sein. Ohne eigenes Rezept für die Pille und daher vermutlich weiblich, hätte ich gedacht. Das zeigt aber, ich bin zum Staatsanwalt nicht geboren.

Es war nämlich ganz anders:

Der Film stammt vom 1. August, aufgenommen mit einer versteckten Kamera im Schuhregal. Darauf ist genau zu sehen, wie der Chef die Marler Wohnung seines Mitarbeiters betritt und sie später wieder verlässt. Als er den Schlüssel ins Schloss steckt, blickt er direkt in die Kamera.

Der Chef. In der Wohnung – die erneut mit einem hormonellen Verhütungspräparat ausgestattet war, denn:

Auch am Tag, als sein Chef gefilmt wurde, soll wieder die Pille gefehlt haben, so der Mitarbeiter.

Klarer können die Beweise ja nicht ausfallen. Was macht der Typ nur mit der Pille, will man sich fragen…?

Im Gerichtssaal ließ er eine andere Erklärung liefern:

Der ließ am Abend über seinen Anwalt erklären, er sei zum Besuch in der Wohnung aufgefordert worden, um sich während der Abwesenheit des Mitarbeiters um die Katze zu kümmern. Er vermutet in der ganzen Sache eine Falle.

Ja. Wir werden es nie aufklären. Ist auch besser so…

(*)   Meist Grauenhaftes: Lidl (frei assoziiert), George Orwell, Menschenrechte, das Bundesarbeitsgericht…meist ist die Assoziation etwas überzogen. Der Gesetzgeber bekommt nichts hin dazu, die Rechtsprechung schaut, ob die Überwachung etwas gebracht hat (wenn ja, war sie meist zulässig…).