Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
10.03.2011

Versetzung eben mal nach London

 

Der Leiterin einer Rechtsabteilung in Frankfurt (man kann nur vermuten, dass ihr Arbeitgeber eine Bank ist) ist ein besonderer Coup gelungen. Der Fall, der jetzt in der Presse berichtet wird, ist ziemlich untypisch, fast lehrbuchartig.

Die Dame hatte Elternzeit und mit ihrem Arbeitgeber nach § 15 Abs. 7 BEEG vereinbart, 30 Stunden in der Woche zu arbeiten: Teils zu Hause, teils in der Frankfurter Verwaltung. Die Tochter ist jetzt 13 Monate alt – eine ziemlich beachtliche Leistung.

Dem Arbeitgeber reichte das nicht und er hielt von der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf auch nicht mehr so viel – deshalb fand er auch, die Arbeitnehmerin solle zwei Tage der Woche in London in der Unternehmenszentrale arbeiten. Reisekosten solle sie selbst zahlen.

Coole Idee. Bevor man sich über die Rechtsmäßigkeit solcher Anordnungen Gedanken macht, muss man eine einfache Frage stellen: Soll ich nun morgen nach London fliegen oder mich weigern? Versetzungen sind (was die Rechtmäßigkeit anbelangt) notorisch schwer zu beurteilen. Verweigert man die Arbeit, obwohl die Anordnung wirksam ist, kann ein knallharter Arbeitgeber eine Abmahnung erteilen und bei weiterer Weigerung ggf. kündigen. Das Risiko trägt der Arbeitnehmer. Allein. Ziemlich schwierige Entscheidung.

Die – offenbar hervorragend beratene – Klägerin hat es mit einer einstweiligen Verfügung versucht. Und hatte Erfolg.

Nach § 95 Abs. 3 BetrVG beurteilt man Versetzungen im Allgemeinen danach, ob aus der Vogelperspektive (“vom Mond aus betrachtet” – Heither) der Arbeitsplatz nach der Maßnahme anders aussieht als vor der Maßnahme. Da kann man hier einen Haken setzen: Einmal die Woche nach London fliegen – auf eigene Kosten – ist ziemlich anders als drei Tage zu Hause, zwei Tage in Frankfurt zu arbeiten. Eine Versetzung wird das wohl sein.

§ 106 BetrVG sieht vor, dass Versetzungen “billigem Ermessen” zu entsprechen haben. Das bedeutet: Fair sein müssen. Aber was ist schon fair? Der Clou ist eigentlich: Das entscheidet der Richter…

Eine einstweilige Verfügung kann man nur beantragen, wenn die Dinge sofort geregelt werden müssen und keinen Aufschub dulden (§ 935 ZPO). Wenn man die 13 Monate alte Tochter zu Hause lassen muss, dann kann man wohl eine gewisse Eilbedürftigkeit sehen.

Das Ungewöhnliche ist, dass man all diese Faktoren in einem Verfahren kombiniert und damit auch Erfolg hat. Ein Lehrstück für Anwälte: Bei unzumutbaren Änderungen der Arbeitsbedingungen kann man die scharfe Waffe der einstweiligen Verfügung einsetzen – und sollte es auch tun.