Hammer oder Amboss? Das fragt sich Michael Schäfer, Chef der notorischen GdF, gerade. Die GF ist so eine dieser Organisationen, die keiner liebt, sieht man von ihren Mitgliedern einmal ab. Sie ist eine Spartengewerkschaft, und zwar die, die jetzt tagelang den Flughafen Frankfurt lahmgelegt hat, um unter den wüsten Beschimpfungen der übrigen Belegschaft, der Fluggäste und des Fraport-Managements exorbitante Lohnforderungen zu stellen. Bis dann das Arbeitsgericht Frankfurt den Streik als rechtswidrig stoppte. Jetzt melden alle Kanäle, Fraport, die Airlines und alle möglichen anderen Unternehmen wollten die Gewerkschaft auf Schadensersatz verklagen
Schön sind dabei die Angaben zur Größenordnung. Fraport redet von
„…zweistelligen Millionenbetrag im oberen Bereich…“
Ob der obere Bereich bei 50, 75 oder 90 Mio. beginnt, blieb offen.
Fraport selbst ist ebenso präzise und spricht von einem
„mittleren einstelligen Millionenbetrag…“
Der GdF-Chef lässt wissen, schon 20Mio. Euro könne sein Laden nicht „stemmen“ und befürchtet öffentlich den Bankrott der Gewerkschaft.
Der DGB schweigt. Er vertritt ja die große Einheitsgewerkschaft – den natürlichen Feind. Die wiederum vertritt alle Arbeitnehmer in einer Branche, während eine Spartengewerkschaft nur bestimmte Berufsgruppen, z.B. Fluglotsen, aufnimmt. An sich sollten die in der DGB-Zentrale sich also freuen, oder? Eine elegantere Möglichkeit, als die Spartenjungs über Schadensersatzforderungen zu vernichten, gibt es ja kaum, oder?
Das hat zwei Haken, und bekanntlich hat der Herr vor den Lohn den Schweiß gesetzt. Den dürfen jetzt hochbezahlte Anwaltskollegen schwitzen.
Haken Nummer 1 ist natürlich der Rückschlageffekt. Auch ver.di oder anderen DGB-Gewerkschaften wurden Streiks schon als rechtswidrig untersagt. Die DGBler sind zwar reicher, aber an einer wirtschaftlichen Vernichtung der Gewerkschaft im Falle eines rechtswidrigen Streiks ist ihnen ja kaum gelegen, oder? Sie könnten die nächsten sein…
Haken Nummer 2 ist, dass die Gleichung „rechtswidrig = Schaden = Schadensersatz“ falsch ist, wie jeder Jurastudent Ihnen (und Fraport, der Lufthansa, Air Berlin, etc.) erklären kann. Es gehört auch ein Verschulden dazu. Das muss bei den Organen der Gewerkschaft liegen.
Das Besondere dieser Art von Verschulden ist, dass es sich – wie bei Rechtsanwälten im Haftungsverfahren – auf eine schuldhaft falsche Rechtsansicht stützt. Es geht darum, ob eine Gewerkschaft annehmen durfte, der Streik sei in Ordnung, oder ob seine Unrechtmäßigkeit erkennbar war. Ist das der Fall, muss Schadensersatz geleistet werden. 2002 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02) die damalige ÖTV so gemaßregelt, weil sie einen offensichtlich rechtswidrigen Streik inszenierte.
Ganz leicht ist die Hürde nicht zu überspringen, die das Verschuldenserfordernis aufrichtet. Die Gewerkschaften argumentieren immer, ihnen stünde das Streikrecht ja grundgesetzlich zu, sie könnten nicht für jeden Fehler in der Einschätzung der Rechtslage zur Kasse gebeten werden – das Grundrecht komme dann unter die Räder. Das Bundesarbeitsgericht – in der Entscheidung von 2002 – gibt das auch zu:
„…Es kann einer Gewerkschaft nicht ohne weiteres zugemutet werden, auf eine von ihr angestrebte tarifliche Regelung, über deren rechtliche Zulässigkeit noch keine höchstrichterlichen Erkenntnisse vorliegen und zu der auch von namhaften Rechtswissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen mit jeweils guten Gründen vertreten werden, allein deswegen von vornherein zu verzichten, weil die Gefahr besteht, dass die Gerichte später einen von ihrer Rechtsansicht abweichenden Rechtsstandpunkt einnehmen...“
Es gilt aber auch:
„…derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage einen Arbeitskampf entfesselt oder unterstützt, damit rechnen muss, dass die von ihm vertretene Rechtsauffassung nicht zutrifft, und er dieses Risiko zu tragen hat, wenn er gleichwohl aktiv wird..“
Es kommt also darauf an, wie zweifelhaft die rechtliche Bewertung ist. Nur, weil Professor Obermoser von der FH Unterwesel einmal eine andere Ansicht vertreten hat, ist eine Rechtsfrage nicht ernsthaft strittig. Wenn es noch keine BAG-Entscheidung gibt, ist ihre Beantwortung aber eben auch nicht sicher.
Interessant ist deshalb, weshalb der GdL der Streik am Frankfurter Flughafen verboten wurde. Nach den Pressemitteilungen bestanden noch ungekündigte Tarifverträge zu zwei zentralen Streikforderungen. Das bedingt eine Friedenspflicht, die man auch als Streikverbot bezeichnen kann. Die GdF hat dennoch gestreikt, deshalb hat das Arbeitsgericht Frankfurt ihr das auch dann im Wege einer einstweiligen Verfügung verboten.
Dumm. Denn die Friedenspflicht ist eine absolut eindeutige Sache. Die Kollision einer Streikforderung mit einem von ihr selbst abgeschlossenen, noch laufenden Tarifvertrag muss eine Gewerkschaft erkennen können. Da beißt die Maus kein Faden ab, wie man in Schwaben gelegentlich mit anderer Intonation sagt.
Schlechte Zeiten für die GdF also? Nicht unbedingt. Erstens ist sie vielleicht (schlecht) anwaltlich beraten und kann ihrem Anwalt den Streit verkünden. Der wird aber kaum so hoch versichert sein. Zweitens ist das alles vielleicht nur politisches Getöse. Der Gewerkschaft der Lokführer hatte die Bahn AG damals auch Schadensersatz angedroht. Was daraus wurde, ist unbekannt, aber die GdL gibt es noch.
Übrigens: Auf das einstweilige Verfügungsverfahren (Sieger hier: Fraport) kann man sich nicht verlassen. Im Schadensersatzprozess beim BAG 2002 hatte die ÖTV ihre „Einstweilige“ sogar gewonnen – das LAG Köln hatte den Streik durchgewinkt. Genützt hat es – siehe oben – nichts.