Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
09.02.2011

Verkäuferin gefeuert, weil sie zu sexy ist

 Gleichzeitig ein Beitrag zu angewandter Arbeitsrechtsrezeption in Massenmedien.

Dass Leute - Frauen, auf sie ist das Problem beschränkt - schon mal ihren Job verlieren, weil sie zu gut aussehen, hatten wir vergangenes Jahr in den USA gehört.

Hier passiert das jetzt auch. In Sachsen-Anhalt. In Alsleben. Kannte ich noch nicht.

Die Quelle, die das unter derselben Überschrift wie dieser Blog berichtet, ist natürlich die Bildzeitung. Sie liefert auch Fotos der gekündigten Mitarbeiterin (dazu später). 31 Jahre soll sie alt sein, seit 13 Jahren arbeitet sie als Brötchenverkäuferin. Dann feuert der Bäcker sie, weil sie zu hübsch ist, denn seine neue Freundin ist eifersüchtig. Bild räumt ein, dass der Bäcker behauptet, das sei bloß ein Gerücht, aber natürlich soll die Schlagzeile ungestört bleiben.

Untertitel: Jetzt muss ihr Ex-Chef blechen. Sagt der Arbeitsrichter.

Welcher wohl? Und warum?

Ja, also, für Alsleben müsste das Arbeitsgericht Dessau zuständig sein. Das bringt es auf immerhin 8 Urteile in den letzten 10 Jahren, die man z.B. bei Beck-Online sehen kann. Kein juristisches Schwergewicht. Aber der BILD-Reporter zählt auch nicht in diese Kategorie. Denn dass es um einen Auflösungsantrag ging, kann man sich nicht vorstellen, also hat der Richter auch sicher nicht angeordnet, dass eine Abfindung gezahlt wird (hier 2.500 EUR), denn das kann er bekanntlich nicht. Aber das kennt man ja schon: Ein Vergleich ist für viele schlimmer als ein Urteil. “Was nützt mir das Geld, wenn ich jetzt arbeitslos bin”, wird sie zitiert? Nun, es ist sicher besser, als ohne Abfindung arbeitslos zu sein. Oder auch: “Hättest Du Dich halt nicht verglichen”. Denn Geld hätte der Bäcker sicher keins zahlen müssen. Wer sich durch die Fotos der BILD klickt, bekommt auch die Bäckerei zu sehen. Dass in dem angeranzten Häuschen überhaupt eine Bäckerei untergebracht ist, hätte man nicht gedacht. Auch, wenn das Interieur dann in angenehmen Kontrast zu diesem grauen Erscheinungsbild steht - 10 Leute werden dort nie im Leben beschäftigt. Also: Kein Kündigungsschutz. Kein Erpressungspotential. Keine Abfindung. Rechtlich betrachtet verhält sich der Arbeitgeber also mit 2.500 EUR Abfindung sogar großzügig.

Die Nutzerkommentare bei BILD online sind auch lesenswert. Zum Kündigungsvorwurf äußern sich nur sehr wenige, meist unter der idiotischen Überschrift, ober der Richter “richtig entschieden habe” - da er keine Entscheidung gefällt hat (siehe oben), ist das etwas unfruchtbar. Tief blicken lässt aber ein User mit dem vielsagenden Pseudonym “Tortie”. Passt ja zur Bäckerei:

“Na ob der Richter dank der Bild eine richtige Entscheidung getroffen hat. Diese Person hat doch schon Ihren Ruf in A. weg. Zudem hat Sie jetzt noch eine ganze Familie auf dem Gewissen.”

Alle Fehler im Original. Ein Insider also. Auf dem Dorf bleibt nichts geheim…

Die anderen User spekulieren darüber, ob die Frau auf den Fotos 31 oder 41 Jahre alt ist. Das scheint das Hauptthema zu sein. Verwunderlich nur: Dann ist es doch nur ein kleiner Schritt zu einem interessanten Diskriminierungsfall. Frau schön = Freundin eifersüchtig = Frau gefeuert > Hätte einem Mann nicht passieren können = (mittelbare) Diskriminierung. AGG. Und die Kündigung könnte deswegen ja auch unwirksam sein.

Die haben glatt einen Grundsatzfall versemmelt. Ach ja. Man kann eben nie rechtzeitig da sein, wenn irgendwo was aus dem Ruder läuft…