Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
29.04.2013

Verbotene Ehegattenarbeit (?) und Homosexuelle aus Sicht der CSU

Das zwingt den stärksten Server in die Knie: Wer heute versuchte, die Seite der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) aufzurufen, bekam statt der gewünschten Seite meist „Server überlastet“ entgegengeblafft. Teilweise war auch der Text der Presserklärung sichtbar, den sie eingestellt hatte und die beginnt mit:

Herr Oliver Bär hat zu Beginn meiner Mandatszeit insgesamt 30 Monate im Deutschen Bundestag als mein Mitarbeiter gearbeitet…

Was ist daran so schlimm, dass man eine Presserklärung braucht?

Irgendwas schon: Gegen den früheren Landtagsabgeordneten (Bayern, CSU) und – zurückgetretenen – Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid gibt es jetzt sogar Strafanzeigen - weil seine Frau für ihn gearbeitet hat –  und auch er hat eine Presseerklärung auf seine Homepage gestellt. Sie liest sich ähnlich wie die von Frau Bär.

Ist es in Deutschland etwa verboten, seinen Ehepartner für sich arbeiten zu lassen?

Aber nein.

Das könne Sie machen, wie Sie lustig sind. Vor dem Arbeits- und Sozialrecht sind alle gleich, ob nun mit dem Arbeitgeber verheiratet oder nicht; es gibt zwar auch sog. Scheinarbeitsverhältnisse. Damit ist aber gemeint, dass jemand gar nicht arbeitet (also nur zum Schein) und trotzdem in der Sozialversicherung (Kranken- und Rentenversicherung etwa) angemeldet wird.

So etwas wird den CSU-Granden nicht vorgeworfen.

Hier geht es um etwas ganz anderes:

„Normale“ Arbeitgeber bezahlen ihre Arbeitnehmer selbst. Das erscheint Ihnen selbstverständlich, aber die wenigsten Leute wissen, dass Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten (oder auch denen in den Landesparlamenten, sogar Bayern) unmittelbar für den Abgeordneten arbeiten. Sie sind als bei Frau Bär und Herrn Schmid angestellt, nicht etwa beim Bundestag, der Bundesrepublik (was dasselbe wäre) oder sonst jemandem. Für Lohnsteuer, Sozialversicherung und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes haften also erst einmal die Abgeordneten selbst. Die 8.252 EUR Diäten monatlich wären dann schnell weg.

Deshalb zahlen Bundestagsabgeordnete ihre Arbeitnehmer gar nicht selbst. Die Abgeordnetengesetze sehen stattdessen vor, dass der Abgeordnete die erforderlichen Kosten für die Arbeitsverträge erstattet bekommt (wobei in der Praxis die Bundestagsverwaltung direkt zahlt). Will er mehr als erforderlich, könnte er das nur auf eigene Kosten machen.

§ 12 Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes sieht folgendes vor:

Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages.

Da liegt der Hase im Pfeffer, nicht wahr? Das Geld darf ich also nicht für meinen Ehegatten oder Lebenspartner verwenden. Deshalb hat Frau Bär auch Recht, wenn ihre Presserklärung mitteilt, dass die Beschäftigung ihres Lebenspartners legal war – bis man geheiratet hatte. Denn, wie sie spitzfindig wissen lässt:

Selbiges wurde im Zuge des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001 auf Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Lebenspartner sind nur Personen gleichen Geschlechts (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes).

Da sehen Sie mal – was eine Lebenspartnerschaft im juristischen Sinne ist, versteht sogar eine CSU-Abgeordnete. Auch, wenn sie die Sache distanziert betrachten mag. Schließlich sind Homosexuelle keine Lebenswirklichkeit, die man CSU-Abgeordneten unterstellen will. Herzig deshalb die Belehrung im Zitat, man habe die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Änderung des Abgeordnetengesetzes beenden wollen. Äh, nein. Wirklich nicht. Diskriminiert waren ausnahmsweise nämlich die Eheleute, die durften ja keine Erstattung beanspruchen, die Lebenspartner in derselben Situation hätten das aber gedurft…wäre doch ungerecht. Aber lassen wir das.

Kassiert man trotzdem Geld für Erstattungen, verhält man sich untreu oder betrügt die Bundestagsverwaltung (bei der strafrechtlichen Bewertung würde ich nicht mir, sondern Carsten Hoenig vertrauen). Frau Bär hat aber deshalb alles richtig gemacht. Bei Herrn Schmid fragt man sich, wie er trotz dieses Gesetzestextes seine Ehefrau für über 5.000 EUR (monatlich) beschäftigen konnte, wie die Presse es zumindest als unstreitig darstellt.

Vielleicht weil er Bayer ist?

Schauen wir ins bayerische Abgeordnetengesetz. Das hat Artikel, keine Paragraphen, aber in Artikel 8 heißt es:

Nicht erstattungsfähig sind Kosten für Verträge mit Personen, die mit dem Mitglied des Landtags verheiratet, im ersten Grad verwandt oder im ersten Grad verschwägert sind oder eine Lebenspartnerschaft im Sinn des Lebenspartnerschaftsgesetzes begründet haben.

Merken Sie den feinen Unterschied? Ja, in Bayern versichert man sich durch die Rückbeziehung auf das Lebenspartnerschaftsgesetz ausdrücklich, dass es hier um gleichgeschlechtliche Partner geht. Im Bund heißt es nur „Lebenspartner“, ohne Erläuterung. Dass Frau Bär, bayerisch geprägt, die Bundesregelung bayerisch versteht, ist vermutlich richtig; aber der Lebenspartner ist doch der, mit dem ich lebe, egal, welches Geschlecht er hat, könnte man immerhin einwenden.

Egal. Da auch Herr Schmid sicher nicht homosexuell ist, genauso wenig wie Frau Bär, steht mal eines fest:

Auch in Bayern darf ich meinen Lebenspartner (hom.) oder Ehegatten (het.) nicht auf Kosten des Staates beschäftigen.

Es bleibt die Frage, warum das trotzdem – bei Herrn Schmid – legal gewesen sein soll. Steht so nämlich überall und wird auch von der CSU so verbreitet. Da wird auf eine „Übergangsregelung“ verwiesen, die seit 2000 für sog. Altfälle gegolten haben soll. Muss man sich das so vorstellen, dass bis 2000 etwas ganz anderes galt – Kohle für den Ehegatten? Wohl ja, einer schnellen Internetrecherche entzieht sich das. Aber seit 2000 ist die Ausnahmeregelung, die es angeblich gibt, jedenfalls nicht dem Abgeordnetengesetz selbst zu entnehmen. Es gehört da aber eigentlich hin, etwa in den (letzten) Artikel 44, der dazu indes – gar nichts sagt. Damit wird die Ausnahmeregelung obskur – wo kommt sie denn her? Ein Gesetz kann man nicht so einfach aussetzen oder einschränken, wenn man das nicht ebenso durch ein Gesetz regelt. Wo ist es nur….puttputtputt?

Vielleicht wird es ja noch gefunden. Das Ausnahmegesetz. Wenn nicht, ist das mit den Strafanzeigen eher eine unangenehme Sache. Sehr unangenehm. Für die CSU und Herrn Schmid, wobei die CSU behauptet, nichts davon gewusst zu haben, oder zumindest meint, das sei Sache der Abgeordneten (siehe den Link auf das Interview unten).

Unangenehm also – nur nicht für Frau Bär. Die hat alles richtig gemacht, sofern ihr Mann nicht vor der standesamtlichen Trauung ihre Frau war. Was wir für Frau Bär ausschließen.

Das schönste Interview zu diesem Fall mit feinsinnigen Unterscheidungen zwischen „legal“, „korrekt“ und dem allfälligen „so wollte ich das nicht sagen“ gibt es hier.