Keine Binsenweisheit, und es stimmt vor allem für Versicherungsvertreter bei ERGO:
Wenn man bei der Hamburg-Mannheimer arbeitet, steht man unter (sexuellem) Generalausschweifungsverdacht. Wir hatten auch über die eigenwillige Belohnung an die Vertriebler berichtet, die sich 2007 in Budapest zu einer wilden Orgie mit Prostituierten getroffen haben.
Peinlicher geht es kaum noch. In der Versicherung sind alle Gesichter tomatenrot.
Jetzt legt die Steuerrechtlerin Johanna Hey nach: Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, setzte die Hamburg-Mannheimer die nicht unerheblichen Kosten der in der Presse euphemistisch als „Party“ bezeichneten moralischen Verfallserscheinung als Betriebsausgabe von der Steuer ab.
Das geht nicht. Niemand darf so eine Ausgabe für „angemessen“ halten, wie es das Steuerrecht formuliert. Die Unverfrorenheit des Systems könnte nicht größer sein: Die Allgemeinheit soll die Kosten irrlichternder Selbstüberschätzung nach dem Motto „mir gehört die Welt“ der Versicherungsmakler zahlen. Da die Versicherung im Jahr 2007 einen großen Gewinn verbuchte, konnte sie tatsächlich die Steuerlast senken.
Arbeitsrechtlich darf man sich die Frage stellen, ob derjenige, der die Belege eingereicht hat, nicht dennoch eine Straftat begangen hat – z.B. Untreue zu Lasten des Unternehmens (auf das kommen Rückforderungen und Verfahrenskosten inkl. Säumniszuschläge zu). Mindestens – arbeitsrechtlich reicht das – ist das aber ein das Vertrauen in die Person erschütternder Umgang mit Unternehmensvermögen. Wären nicht wundersamer Weise alle Leitenden von damals nicht mehr dabei, müsste man an eine fristlose Kündigung denken. Und wer auf Firmenkosten daran teilgenommen hat, durfte der wirklich glauben, das sei alles in Ordnung? Konsequenzen könnte man auch hier ins Auge fassen. Allerdings ist mittlerweile durchgesickert, dass die meisten Teilnehmer freie Vertreter und keine Arbeitnehmer waren. Rufschädigung des Unternehmens kann allerdings in jeden Vertragsverhältnis zum Kündigungsgrund werden.
Sind wir jetzt Moralapostel?
Beurteilen Sie das doch selbst, aber unsere Meinung ist: Ja. Dass die Herren gerne ins Bordell wollten, möchten wir dabei gar nicht in die Wertung einbeziehen. Aber ein ausschließlich auf Vertrauen aufgebautes Unternehmen, das Kundengelder verwaltet, handelt unmoralisch, wenn es meint, seine „Vertriebserfolge“ (d.h., Kunden Produkte aufzudrücken, die sich in der Finanzkrise als unsinnig erwiesen, ergo: deren Geld verschleudert wurde) auf eine Art zu feiern, die das Sinnbild der vom Außenminister mal in anderen Zusammenhängen benannten „spätrömischen Dekadenz“ ist. Und Entrüstung tut auch Not – denn die Hamurg-Mannheimer gehört nun einmal zu denen, deren Vertriebsrausch in die Finanzkrise führte; die machte Millionen Gesichtslose arm und vernichtete die Altersvorsorge weiterer Millionen.
Unmoralisch? Allemal. Es bleibt etwas letztlich doch arbeitsrechtliches: Wie in der Krise vergeblich angemahnt, liegt das Problem der Finanzbranche vor allem in den Anreizmodellen für die Mitarbeiter.
Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Weblinks:
Unser erster Bericht (Neues Incentive-Modell bei Versicherungen): http://www.reuter-arbeitsrecht.de/grundsatzliches/neues-incentive-modell-bei-versicherungen-sexorgien-in-budapest-ein-arbeitsrechtlicher-schritt-in-die-zukunft.html
Nach Monaco darf man jetzt erst einmal nicht mehr (FOCUS Online): http://www.focus.de/finanzen/news/belohnungsreise-ergo-streicht-wegen-sex-party-fahrt-nach-monaco_aid_630511.html
HAZ online (Steuern): http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Deutschland-Welt/Steuerforderungen-nach-Sexparty-der-Hamburg-Mannheimer-moeglich
Spiegel Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,765521,00.html
Blog Rechtsanwälte und Strafverteidiger aus Berlin: http://verteidiger-aus-berlin.de/sex-party-bei-hamburg-mannheimer-jetzt-ergo/
LBR-Blog (sehr pointiert): http://www.lampmann-behn.de/lbr-blog/2011/05/ich-schwore-ergo-mitarbeiter-schnupften-bei-michel-friedman-party-nur-salz-durch-die-nase/