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15.09.2010
Thor Steinar - Verbotene Kleidung am Arbeitsplatz?
Greifswald hat eine Universität (keine schlechte übrigens) und wenn Sie mal wieder - kein Vorwurf! - so weit im Süden, Westen oder Norden wohnen, dass Sie nicht wissen, dass es Greifswald überhaupt gibt: Das ist die Stadt, in der Caspar David Friedrich geboren ist und in deren Nähe es eine Abteiruine gibt, die er auf einem berühmten Bild verewigt hat.
Die Uni gibt es auch. Dort darf man jetzt keine Kleider von Thor Steinar mehr tragen. Das ist - wussten wir auch noch nicht so richtig - irgendein Baumwollzeugs (Kapuzenpullis, Jacken etc…), in dem Neonazis gern herumlaufen sollen. Sieht man sich die Fotos an, kann man sich das auch ganz gut vorstellen. “Nordic Souls” steht da drauf - was das für einen tieferen Sinn haben soll, dürfte den Designern auch nicht ganz klar gewesen sein.
Ob die Gleichung Thor Steinar = Nazi stimmt, ist, wie eine oberflächliche Recherche zeigt, eine Diskussion, in die man sich besser nicht einschaltet, es spricht aber der anecdotal evidence für die Gleichung.
(Exkurs: Damit ist Gott sei Dank wohl “Lonsdale” vom Eis. Diese Marke stand in einem ähnlichen Verdacht, angeblich, weil man bei geöffneter Bomberjacke nur die Mittelbuchstaben “NS” sehen konnte. Lonsdale kommt aus England und hat mit dieser Assoziation wohl nicht gerechnet. Was auch die Wikipedia nicht weiß: “Lonsdale” ist das Tal des River Lune im zwischen den Grafschaften Lancashire und Yorkshire im Norden der Yorkshire Dales, wo auch das Städtchen Kirkby Lonsdale liegt. Der Name ist übrigens in der Tat norwegisch - die Wikinger waren schon da, aber für einen echten Bezug zu Nazis ist das nicht wirklich hinreichend, oder? Richtig wütend macht einen da, das in Kirkby Lonsdale eine berühmte Aussicht auf den River Lune existiert, von der der englische Kunsthistoriker John Ruskin tatsächlich sagte, es sei die schönste Aussicht in England und deshalb in der ganzen Welt. Und das assoziieren die Nazis mit Nazis?).
Greifswald verbietet jetzt, Thor Steinar auf dem Campus zu tragen. Der Grund ist erstaunlich: Ein Arbeitsrechtler, der dort Professor ist, soll solche Sachen getragen haben und wird von manchen einer diffusen “rechten Szene” zugeordnet.
Das ist kein Arbeitsrechtsfall, aber wir fragen uns, ob man einem Arbeitnehmer verbieten könnte, Thor Steinar zu tragen. Kleidung als Ausdruck politischer Gesinnung könnte dabei schnell zur Meinungsäußerung werden, wenn ihre Zuordnung eindeutig ist. Wie schwierig es ist, Meinungsäußerungen zum Gegenstand von Kündigungen zu machen, weiß man (nicht erst seit Sarrazin). Die Rechtsprechung zu Kleidungen am Arbeitsplatz ist allenfalls bruchstückhaft. Meist spielen diese Fälle im Religionsbereich (Kopftuch) oder drehen sich um die Frage, ob man verpflichtet ist, einen bestimmten Dresscode einzuhalten, der meist unter Marketinggesichtspunkten verordnet wird (Uniform oder Badeanzug im Falle von Hooters). Dabei soll es auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers ankommen. Würde der in der Öffentlichkeit schlecht dastehen, weil die Bevölkerung mit Thor Steinar nun einmal Nazis assoziiert, kann man schon mal zu dem Ergebnis kommen, dass (nach Abmahnung) eine Kündigung gerechtfertigt ist - wenn es sich um eine öffentliche Universität handelt, allemal. Ob das beamtenrechtlich ähnliche Konsequenzen haben kann (für den Juraprofessor etwa), lassen wir mal lieber unerörtert.