Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
10.10.2012

Soviel Ahnung wie eine Stange Rhabarber

Unschön, aber nicht ganz unverdient:

George Osborne has as much knowledge about economics as a stick of rhubarb

Das muss man nicht übersetzen.

George Osborne ist ein energischer Typ. Dass er aneckt, liegt auch an seinem total undankbaren Job, denn er ist Finanzminister in UK (Chancellor of the Exchequer). Da will man nicht den griechischen Weg gehen und baut deshalb den Staat, wie wir ihn kennen, einfach mal ab. Aus Geldgründen. Es liegt aber auch an seiner gezielten Art, im richtigen Augenblick immer das falsche vorzuschlagen.

Nehmen wir Wolfgang Schäuble, Obornes deutschen Amtskollegen. Wie wäre das Presseecho, wenn er auf einem CDU-Parteitag vorschlagen würde:

Meine Damen und Herren!

Ich habe einen revolutionären Reformvorschlag, der auf kongeniale Weise Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht und die Wirtschaftsförderung miteinander verbindet.

Ab 2013 werden Unternehmen, die als GmbH organisiert sind, ihren Arbeitnehmern den Kündigungsschutz abkaufen können. Wenn Sie den Arbeitnehmern anbieten, einen Anteil am Unternehmen zu erhalten, der im Bagatellbereich liegt und keine nennenswerten Rechte einräumt, mit Gewinnbezugsrechten, die voraussichtlich keinen Steuerfreibetrag erreichen, dann können Arbeitnehmer wirksam auf jeden Schutz vor Kündigungen verzichten. Der Arbeitgeber kann ihnen diese Lösung sogar aufzwingen. Auf diesem Weg erreichen wir alles: Die Arbeitgeber werden den Kündigungsschutz los. Unterkapitalisierte Startups in Berlin Mitte finden ohnehin keinen, dem sie ihre Anteile andrehen können. Jetzt müssen die Arbeitnehmer die abnehmen. Wir gewähren auf Gewinnbezugsrechte dann nochmal Freibeträge, die es ohnehin schon gibt. Damit ist ein Ausgleich hergestellt: Der Anteil ist nichts wert, die Gewinnbezugsrechte auch nichts, die Staatskasse steht da wie vorher. Seien Sie mal ehrlich: Die Jungs und Mädels wären spätestens in der Insolvenz ohnehin rausgeflogen!

Würden Sie dann Wolfgang Schäuble mit Rhabarber vergleichen? Vermutlich so ähnlich. Nun wird Wolfgang Schäuble so etwas atemberaubend Irres nicht vorschlagen. George Osborne schon, auf der Conservative Conference vorgestern. Der Vergleich mit Rhabarber stammt von einem Gewerkschaftler, Paul Kenny, und ist leichter zu verschmerzen als die atemlose Schreckensstarre, in die selbst die Rechtsaußenpresse verfallen ist – von der Häme, die man weiter links in Guardian oder Independent findet, mal ganz abgesehen.

Jetzt muss man sich zurückhalten. Großbritannien hat eine andere Rechtskultur (obwohl der Kündigungsschutz gar nicht soooo unausgeprägt ist, wie man in Deutschland gerne unterstellt: DirectGov.uk). Osborne ist auch nicht wirklich so intelligent wie Rhabarber, aber er hat wirklich einen schwierigen Job und hat ein Programm durchgezogen, dass, wenn die Griechen es gemacht hätten, den Euro jetzt glänzen ließe. Er hat sogar angekündigt, dass ihn danach keiner lieben wird.

Recht hatte er wohl.

( Der Rhubarb-Vergleich liegt  eventuell am Norden Englands. Nur wenige wissen, dass Yorkshire ein „Rhubarb Triangle“ hat und sozusagen ein Weltzentrum der Rhabarberzucht ist. Noch weniger wissen, dass guter Rhabarber im Dunkeln gedeiht. Das hat bereits zu dem von Kara McKechnie an der Universität von Leeds verantworteten Kunstprojekt „A Light in the Rhubarb Shed“ in 2008 geführt (im Ernst) )

Wer will – post scriptum – kann man sich mal die Leserkommentare ansehen, die im liberalen Independent hinterlegt werden.

„Guru“ schreibt:

According to these bastards there is no such thing as poverty – only negative wealth! I can’t believe that the LibDems are enabling these fuckers!

Das war noch einer der freundlichen Beiträge.