…ist vor allem eine reißerische Überschrift in der FTD, aber witzig ist das schon. Die Story: In Österreich rüstet man auf gegen Arbeitnehmer, die „blau“ machen. Während das mit dem „blau“ kein Österreicher versteht – uns trennt ja die gemeinsame Sprache – muss die FTD erst einmal erklären, dass es sich in der Alpenrepublik dabei um „Tachinierer“ handelt. Für die gab es früher die Todesstrafe:
So [d.h., als „Tachinierer“, d. Autor] werden in Österreich umgangssprachlich Faulenzer bezeichnet. Das Wort dürfte seinen Ursprung im Ersten Weltkrieg haben. Damals bedeutete “tachinieren” in der Soldatensprache, sich unerlaubt vom Frontdienst zu entfernen. Heute sind diejenigen gemeint, die sich vor der Arbeit drücken.
Von der Todesstrafe sind wir also auf die Fristlose (Kündigung) zurückgeworfen – ein gewisser kultureller Fortschritt ist da unverkennbar.
Berichtenswert ist der Weg, den man in Österreich einschlägt. Es wird intensiv in sozialen Netzwerken geforscht – nach Leuten, die während der Krankschreibung Partybilder posten. Ob’s Erfolg hat? Ein Beispiel hat der interviewte Spezialist der Wirtschaftskammer parat: Eine Kellnerin wurde mit einem eindeutigen Kommentar neben den Partyfotos erwischt.
Die Frage, ob der Arbeitgeber Facebook ausschnüffeln darf, steht ja derzeit ganz oben auf der Agenda. Wenn man berücksichtigt, dass so ein Ausschnüffeln eigentlich nicht möglich ist, wenn man seine „Privatsphäreeinstellungen“ im Griff hat und der Arbeitgeber sich nicht unter falschem Namen einschmuggelt, passiert so etwas erstaunlich oft (etwa bei anhaltinischen Sparkassenschweinen). Ob es allerdings (rechtlich) geht, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die FTD schreibt so schön:
Arbeitsrechtsexperten bezweifeln, dass eine systematische Kontrolle von Mitarbeiterprofilen legal ist
Das tun sie, in der Tat (hier zweifelt z.B. der Kollege Dietmar Müller-Boruttau bei der „Karrierefrage“ im Tagesspiegel). Nur: Man kann den Finger nicht so richtig auf die Wunde legen, deshalb gibt es Zweifel statt eindeutiger Antworten. So sagt § 32 Abs. 1 BDSG als einschlägige Norm trocken nur:
(Satz 1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.
(Satz 2) Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Das klingt schon grob irrsinnig: Bei unbefangenem Lesen und großzügiger Auslegung des Wörtchens „erforderlich“ in Satz 1 kann man den Eindruck gewinnen, dass man bei Straftaten weniger Daten unter strengeren Auflagen sammeln darf als sowieso schon (weil es bei Satz 1 nur erforderlich sein muss, bei Satz 2 auf einmal alle möglichen Abwägungen dazu kommen)…was natürlich kaum gemeint sein kann.
Wie so oft, ist man also auf die Auslegung eines Gummiwortes angewiesen: Wann ist denn das „erforderlich“?
Jeder Arbeitgeber unterschreibt Ihnen sofort, dass „Facebookschnüffeln“ bei Tachinierern jedenfalls erforderlich ist. Sie richten einen Schaden an und sind letztlich auch strafrechtlich gesehen echte Betrüger.
In anderen Fällen (z.B. bei der Überwachung von Arbeitnehmern durch Detektive) wird die „Erforderlichkeit“ an einen konkreten Anfangsverdacht geknüpft (das klingt dann ähnlich wie im Satz 2 des § 32 Abs. 1 BDSG). Wie man den über das bloße – oft richtige – Bauchgefühl hinaus beweist, ist nicht ganz klar (die spätere Aufdeckung der bösen Tat löst in der haarspalterischen Welt der Juristen dieses Problem nicht. Auch, wenn der Bube bös war: Ohne Anfangsverdacht durfte man ihn nicht überwachen…). Mit anderen Worten: Man überlässt es mal schön dem Arbeitsrichter. Da kann dann jeder entscheiden, wie er will.
Erschwerend kommt hinzu, dass man erst einmal klarstellen muss, was „Facebookschnüffeln“ eigentlich sein soll – denn auf die Methode kommt es an: Einfach rumsurfen bringt bei Facebook nichts, es sei denn, jemand macht alle Posts öffentlich (selten bis nie). Sich als falscher Freund einschleichen – das klingt nach Geheimdienst, Bayerntrojaner u.ä., dürfte aber jedenfalls engstirniger im Hinblick auf die Erforderlichkeit zu sehen sein (mal abgesehen davon, dass es praktisch schwer umsetzbar ist). Freunde und Bekannte, Arbeitskollegen etc. zum Verrat zu bewegen…klingt das realistisch? Definitiv unzulässig ist sicher die unverfrorene Frage nach den Zugangsdaten (die es in Amerika ja geben soll) – „ich würde mich gerne mal auf ihrer Facebook-Seite umsehen…“. Die z.B. unter dem Druck eines Einstellungsgesprächs dazu erzwungene Einwilligung zur beliebigen Umschau im privaten, virtuellen Boudoir ist sicherlich nicht freiwillig erteilt und entsprechend unwirksam. In Deutschland wird man mit diesem Anliegen aber wohl eher nicht konfrontiert werden.
Leere übrigens tut sich auch auf, wenn man mal auf die abschreckenden Sanktionen bei einem Verstoß gegen § 32 BDSG schaut. Der Bußgeldkatalog in § 43 BDSG erfasst diesen Verstoß nicht. Aha, denkt man. Vielleicht ist das sogar strafbar? Fehlanzeige: Auch die Strafvorschrift des § 44 BDSG erfasst das nicht, sondern verschärft nur die Strafen für bestimmte Arten, Taten nach § 43 BDSG zu begehen. Tja, davon wird ein Arbeitgeber sich nicht abschrecken lassen. Vor ominösen Schadensersatzansprüchen muss er sich auch nicht fürchten. Er braucht ja nicht, wie die österreichischen Kollegen, die „systematische und intensive“ Verfolgung in Facebook an die große Glocke zu hängen. Der deutsche Arbeitgeber wird die Information ganz zufällig von einem Bekannten oder Kollegen in Form eines Ausdrucks bekommen. Ein kleines bisschen Regelungsbedürftigkeit kann man hier dann wohl doch erkennen, oder?
In Deutschland ist das Phänomen längst angekommen. In Form des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof befasst sich sogar die deutsche Richterelite mit diesem Problem. Sachverhalt BayVGH, Beschluss vom 29.02.2012 – 12 C 12.264)? Die Schwangere postet auf Facebook über ihren Handyanbieter folgendes:
„Boah kotzen die mich an von O2, da sperren sie einfach das Handy, obwohl schon man schon bezahlt hat … und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner … Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter …“
Nicht nett, auch sprachlich, aber erzürnt ist ausgerechnet – der Arbeitgeber: Weil der Handyanbieter sein Kunde sei.
Ob sich Telefonica/O2 (um die geht es) wirklich für so einen Facebook-Eintrag interessiert, kann jeder für sich entscheiden. Der Arbeitgeber aber ist stahlhart und unnachgiebig: Er beantragt bei der zuständigen Behörde, die Kündigung der Schwangeren wegen dieses Skandals zu erlauben (nach Nach § 9 MuSchG). Die zuständige (bayerische…) Behörde erlaubt das auch prompt. Gegen diesen Verwaltungsakt will die Schwangere klagen. Mangels Geld soll es auf Prozesskostenhilfe sein. Während das Verwaltungsgericht ihr nicht hilft, gibt der VGH volle Breitseite. Ein Obsiegen auch im Kündigungsschutzverfahren sei ebenso wahrscheinlich wie ein Erfolg der Klage beim VG. Denn: Das sei einfach kein Kündigungsgrund. Voilà. So müssen uns wieder einmal die Verwaltungsgerichte den Weg weisen.
Bleibt zu Österreich eine Frage:
Bedeutet “Luder” auf Österreichisch etwas anderes als hierzulande oder hat sich das die FTD ausgedacht? Denn ein “Luder” zeichnet sich nicht alleine dadurch aus, dass er (meistens sie) nur auf einer Party anwesend ist – nur das aber ist ja der arbeitsrechtliche Vorwurf. Wir dagegen haben, liebe FTD, den Eindruck, es ginge hier um die Regelung des Sexualverhaltens auf der Party. Das geht nun echt zu weit.
Berichtet wurde der deutsche – Verzeihung: baierische! bayerische? – Fall schon, aber ohne inhaltlichen Kommentar – im Beck-Blog und bei Dr. Bahr.