Österreich ist arbeitsrechtlich anders, aber nicht sehr weit von uns entfernt. Schon die extreme Ähnlichkeit der Rechtssysteme und natürlich die Sprache machen Rechtsvergleichungen besonders attraktiv und transparent. Der nachfolgende Fall hätte auch in Deutschland nationale Schlagzeilen gemacht. Er wäre auch genauso entschieden worden, mit ein paar Abweichungen vielleicht. Aus dem „Kurier“:
„…Schwere rassistische Beleidigungen musste sich ein heute 46-jähriger Afrikaner bei seiner Arbeit als Abwäscher und Küchenhilfe in einem Welser Hotel anhören. Der Küchenchef hatte sich zweieinhalb Monate lang als seinen „Herren“ und den Arbeitnehmer als „Sklaven“ bezeichnet…“
Der Mann ging zur Polizei, die zur Arbeiterkammer. Das ist eine besondere österreichische Institution, über die wir schon mal berichtet hatten. Die Arbeiterkammer erwirkte einen Schadensersatz von 1.500 EUR für den 46-jährigen. Von der Kündigung, die er außerdem bekommen hat (weil er ja zur Polizei gegangen war, macht man ja auch nicht, pfui…) oder besser: von deren rechtlichen Schicksal ist nichts berichtet.
Anders als in Deutschland?
Zum Einen: Ja, hier jedenfalls wäre es vielleicht kein Fall geworden. Die Arbeiterkammer kann in eigenem Namen auftreten. In Deutschland könnte der Mann sich einen Anwalt nehmen oder zur Gewerkschaft gehen. Aber das ist schon ein gewisser Schritt.
Zum Zweiten: Finden Sie 1.500 EUR als arbeitsrechtliche Entschädigung für eine extrem schwere rassistische und historisch belastete Beleidigung angemessen? Ich jedenfalls nicht. Wenn man bedenkt, dass hierzulande Anwälte, über deren Seriosität hier keine Debatte geführt werden soll, versuchen, amerikanische Verhältnisse zu schaffen, indem sie bei weniger schweren Fällen Millionenforderungen stellen, stimmt das doppelt nachdenklich – aber 1.500 EUR, das stelle ich mir so als Untergrenze der Geldstrafe dafür vor, dass im Verhalten des Küchenchefs auch eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt. An die Schadensersatzforderung könnte man ruhig etwas dranhängen, vielleicht eine Null? Da scheint Österreich noch konservativer als das traditionell beim immateriellen Schadensersatz zurückhaltende Deutschland zu sein.
Dritter Unterschied – jeder deutsche Prozessvertreter hätte sich vor allem auf die Kündigung gestürzt. Die ist sittenwidrig und damit nichtig, auch, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist. Da wäre eine Abfindung drin gewesen. Aber dass die Kündigung in der Story fehlt, mag auch am Einzelfall liegen. Der Pressebericht gibt nicht allzu viel preis, außer, dass die Kohle beim Hotel auch noch zwangsvollstreckt werden musste. Peinlich, für das Hotel.
Bevor Sie jetzt denken, Österreich…Österreich hat ein höher entwickeltes Gleichbehandlungsrecht als Deutschland, vor allem mit einer längeren Tradition (Infos für Interessierte). Ursprünglich war es auch auf die Gleichstellung von Männern und Frauen beschränkt, aber immerhin gab es das in einem eigenständigen, systematischen Gesetz, nicht in einem „a“-Paragrafen wie im BGB. Das heutige Gesetz entspricht weitgehend unserem AGG und heißt mittlerweile Bundesgleichbehandlungsgesetz.
Einen ähnlichen Fall hatten wir hier auch schon im Programm (“Der Neger von Dortmund”).
Übrigens: Die Fotografie im „Kurier“ ist eine schlechte Illustration, die unfreiwillig schmunzeln lässt: Auf ihr sind nur weiße Arme zu sehen…oder hinten rechts? Na ja. Ich will ja nicht immer mit demselben Zeug ankommen, aber wenn man in England die Menschenwürde schon 1772 trennscharf erkannte, könnten wir uns ja bei derartigen Beleidigungen ruhig weiter aus dem Fenster lehnen, schadensersatzrechtlich und auch sonst. Kann ja eigentlich nicht so schwer sein.