Glauben Sie bloß nicht, Sie kommen Ostern ohne schlüpfrige Stories davon.
Der Strafblog amüsiert sich über den Vorwurf, ein Manager der Hessischen Landesbank HeLaBa (wo kriegen die nur immer ihre innovativen Bankernamen her?) habe es im x-ten Stock des Gebäudes mit seiner (einer?) „sportlichen“ (sagt die Berichterstattung, ich kann nichts dafür) Sekretärin auf dem Schreibtisch gemacht. Da hat jetzt alle Welt etwas zu lachen, nur der Manager fühlt sich verleumdet, die Bank hat das zur „Chefsache“ erklärt.
Klar, muss man auch. Nicht wegen der im Strafblog genannten Gründe (weil nämlich Griechenland nicht pleite und der Euro nicht in der Krise ist, weshalb in Banken Langeweile herrscht). Sondern wegen der nur von der Bildzeitung diskutierten arbeitsrechtlichen Frage. Oder Fragen. Schwierigen Fragen. Als da wären:
1) Schuldet die Bank den beiden Entgelt während des Geschlechtsverkehrs?
Das regelt § 616 BGB abschließend:
„…Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird…“
Mal sehen:
(a) „…verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit…“: Die könnte von der Dauer des Geschlechtsverkehrs abhängen; in diesem Zusammenhang ist der Hinweis der Zeitung auf die Sportlichkeit eines der Partner verdächtig. Indes: Hier sind im Einzelfall Stunden oder Tage schon als „nicht erheblich“ angesehen worden. Also machen wir ein „+“ an dieses Tatbestandsmerkmal.
(b) „…einen in seiner Person liegenden Grund…“: Die Rechtsprechung konkretisiert das dahingehend, dass der Grund immer aus der persönlichen Sphäre kommen muss. Daher ist die Pflege eines kranken Kindes ein Grund, der Vulkanausbruch in Island und die daraus folgenden Flugverspätungen sind es nicht. Sex liegt notwendig in der persönlichen Sphäre. Auch bei Frauen, denn entgegen der Gesetzesformulierung gilt die Vorschrift auch für sie. Auch hier also: „+“
(c) „…ohne sein Verschulden…“: Schwierig. Das hängt von Grad der Ekstase ab:
- Man kann der objektiven Theorie folgen: Danach ist Sex immer steuerbar. Jeder kann deshalb nicht nur sexuell handeln, sondern es auch lassen. Dann, leider, gäbe es ein „Minus“.
- Die subjektive Theorie sagt, dass man bei entsprechender Gefühlslage und beiderseitiger Anziehung gar nicht anders kann, es liegt ein die freie Willensbetätigung ausschließender Zustand vor. Dann würden wir ein „+“machen.
- Wir folgen aber für Zwecke des Prozesses der vermittelnden Beweislasttheorie nach A. Konin. Sie besagt, dass die meisten Menschen nur schlechten Sex haben. Deshalb spricht eine Vermutung dafür, dass das Verhalten steuerbar ist. Die Arbeitnehmer müssten dann den Grad ihrer Ekstase belegen, um sich zu entschuldigen. Gelingt meistens nicht, weil man die Gutachter nicht mehr heranlassen kann. Also hier: „Minus“.
Schade: Die Nummer wird anscheinend nicht bezahlt. Um den Gehaltsabzug feststellen zu können, muss man allerdings arbeitgeberseitig die Dauer des Geschlechtsakts belegen können. Natürlich werden beide sagen, es sei nur ganz kurz gewesen…hier gibt es außerdem einen Zeugen (die beiden wurden in flagranti erwischt). Schwierig.
2) Kann man beiden Mitarbeitern kündigen oder eine Abmahnung aussprechen?
Das hängt davon ab, ob Sex eine Verletzung des Arbeitsvertrags ist.
Sex ist jedenfalls in der Regel keine Arbeitsleistung bei einer Bank. Allerdings gehört er zum Bereich persönlicher Lebensgestaltung, ja, der Intimsphäre und dürfte letztlich grundrechtlichen Schutz genießen. Konsequenz: Für sein Sexualleben kann niemand gekündigt werden. Es gibt Betriebsordnungen und Arbeitsverträge, die das Sexualleben regeln wollen (importiert aus den USA: „…Sie sollen sich mit niemandem treffen, dessen Gehalt Sie beeinflussen können…“). Alles nichtig. Wirksam wäre sicher: „Sex am Arbeitsplatz ist absolut verboten (was Sie anderswo machen und mit wem, ist uns egal)“. Weil sich aber die verschämten Autoren immer um diese klare Aussage drücken („treffen“ meint in der amerikanischen Formulierung ja auch nicht „treffen“…), wird es solche Formulierungen kaum jemals geben.
Also: Minus (-)
Anders könnte es liegen, wenn man nicht auf den Sex abstellt, sondern auf die Belästigung, die anderen daraus erwächst, die dabei zusehen (müssen). So macht man das auch im Ordnungswidrigkeitenrecht. Öffentliche Ärgernisse sind erst erregt, wenn andere gestört werden. Die Frage, wen Sex genau stört, lassen wir beiseite. Hier wurden – wir sagten es schon – die beiden von einem Mitarbeiter „ertappt“, wie es so schön formuliert wird. Der kann ja dann wohl belästigt sein?
Wo denken Sie hin. Erstens hat der Kerl nicht angeklopft. Sonst hätte man ihn ja nicht reingelassen. Zweitens kann man nicht einfach unterstellen, dass er sich belästigt gefühlt hat. Er war sogar dermaßen erregt, dass er zum Vorstand gerannt ist und die „Anschuldigungen“ ausgebreitet hat. Woraus wir hier auf seine Erregung schließen? Ist doch klar: Erstens ist wissenschaftlich erwiesen, dass es erregend ist, attraktiven Menschen beim Sex zuzusehen (sagt Frau von Schirach). Zweitens: Wer den Sex Dritter zur Anzeige bringt, der hat etwas zu verbergen. Alte Stasiregel. Er will von sich ablenken, indem er mit dem Finger auf andere zeigt. Wovon will er ablenken? Ist auch klar: Von den Bildern und Videos auf seinem Dienstcomputer. Er mag die aufregend finden, die beiden Kollegen sind lieber körperlich geworden. Deshalb und nur deshalb – also auch aus Neid! – hat er sie verpetzt.
3) Kann man den „Entdecker“ belangen?
Überlegen wir mal: Ohne diesen Deppen gäbe es die Geschichte nicht. Der Sprecher der HeLaBa müsste der BILD nicht so dämliche Sätze sagen wie:
„…Uns ist der Vorfall bekannt. Heute Morgen hat unser Vorstand den Betroffenen mit allen Vorwürfen konfrontiert. Er weist alles weit von sich…“
Die Bank stünde besser da. Außerdem muss ein Banker charakterfest sein. Er handelt mit Millionen. Der Mann hat sich als persönlich ungeeignet erwiesen. Wenn ihn zwei Kollegen bei Sex so verstören, kann er nicht entscheiden, ob man das Schuldverschreibungsdepot für Griechenland jetzt verkaufen sollte, weil dort immer noch keine Finanzverwaltung existiert. Er kann einfach nicht ruhig Blut bewahren.
Wenn die Bank ihn nicht rauswirft, könnte die Finanzaufsicht ihr die Banklizenz wegnehmen.
Darum geht es also eigentlich. Keiner redet von dem Typen im mausgrauen Anzug, der die beiden „erwischt“ haben will. Es geht aber nur um ihn. Ausschließlich! Er hat Pornos auf dem Rechner, gefährdet die Liquidität und den Ruf der Bank und stellt ein Sicherheitsrisiko dar. Er hat kein Benehmen (Anklopfen!) und ist nicht vertrauenswürdig (verpetzt Mitarbeiter – Denunziant!).
Ein dickes Plus. Da kann man nicht abmahnen. Das Vertrauen ist hin, der Mann muss gehen.
4) Die Rettung der Sexualpartner
Damit muss auch unsere Bewertung oben wieder korrigiert werden.
„Ohne Verschulden“ hieß es da, seien die beiden nicht. Jetzt stellt sich heraus: Sie haben gegen ein faules Ei in der Bank ermittelt! Sagen Sie mal: Welche andere Möglichkeit hätte es denn gegeben, ihn bloßzustellen, den mausgrauen Schlipsträger, den Störfall? Effektiver, meine ich. Die interne Revision hätte x wertvolle Arbeitsstunden aufwenden müssen. Den beiden Ermittlern reichte ein Geschlechtsakt von wenigen Minuten.
Gesamtergebnis:
Damit steht fest: Die Öffentlichkeit übersieht wieder mal das Wesentliche des Falls. Die beiden Geschlechtspartner haben die Bank vor großem Schaden bewahrt. Natürlich bekommen sie den Sex bezahlt, arbeitszeitseitig, meine ich. Der Mausgraue fliegt. Wegen der Pornos, der Indiskretion, seinem Benehmen und seiner Charakterschwäche.
Bleibt eine Frage:
Warum reagiert eine Landesbank auf einen dämlichen Zeitungsbericht mit einem Statement ihres Pressesprechers und macht sich richtig lächerlich?
Frohe Ostern.