Die Schwarzbeeren (Blackberrys) sind auf den Hund gekommen. Das ist seit längerem Konsens. Dass „blackberrys“ in Deutschland eigentlich „Brombeeren“ heißen, interessiert kaum noch. Gemeint ist ja Technik, keine Beeren. Und bei der Technik gilt: Der Markt spricht, er will Android und iPhone. Die ersten echten Smartphones, die uns den zweifelhaften Segen der ständigen Erreichbarkeit gaben – ihr Glanz war dahin.
Bis gestern, als Research in Motion (RIM) die neuen Blackberrys vorstellte. Dass sie wie die Vorgänger eigentlich eben mindestens genauso gut wie die Konkurrenz, in Teilen besser, in Teilen schlechter, je nach Geschmack und Bedürfnissen sind, das ist für den Markt uninteressant. Coolness oder irgendetwas anderes zählt. Dass einige Staaten ihre Nutzung einschränken, weil man den Datenverkehr auf ihnen so schlecht überwachen kann (der Messenger ist praktisch nach US-Militärstandard „abhörsicher“) wird schon lange durch die voreilige Kooperation mit Ermittlungsbehörden ausbalanciert, die RIM befremdlicher Weise manches Mal zeigt (so vor zwei Jahren in England). Wir wissen nicht, ob die Schwarzbeere durchhält, hoffen es aber, weil wir sie liebgewonnen haben.
Der gestrige Launch des letzten Rettungsballons – BB 10 genannt – ist Anlass, auf § 613a BGB (Betriebsübergang) zu blicken. Warum? Wegen des CEO von RIM. So nennt man in den USA den Boss und ich habe jetzt schon in zwei Sätzen vier Buchstabenabkürzungen mit je drei Großbruchstaben.
Wenn Sie sich nach dem Bezug zum Arbeitsrecht fragen, schauen Sie sich Thorsten Heins an. Das ist der CEO und früher war er bei Siemens. Siemens Mobile. Ja: Die haben auch mal Handys gemacht, aber das war vor der Ära des Smartphones. Es endete schlecht, woran nicht der damalige Chef Thorsten Heins schuld gewesen sein dürfte: Man verscherbelte die Sparte an eine OHG aus zwei gerade gegründeten Vorrats-GmbH‘en ohne echte Kapitalausstattung, die vom neuen Eigner – der taiwanesischen BenQ-Gruppe – mit deren Label versehen wurde. Man schoss noch einmal einen gehobenen dreistelligen Millionenbetrag zu, um den Laden auch loszuwerden. Heins brauchte dann alsbald einen neuen Job.
Die Mitarbeiter, die auf die neue Gesellschaft übergegangen waren, flogen bekanntlich dort wieder raus, weil Taiwan nach einem Jahr den Stecker zog. Das wieder lies manchen argwöhnen, man habe nur die Mitarbeiter entsorgen wollen, denn Geld für teure Sozialpläne war in Taiwan schlechter als in München zu bekommen.
Deshalb kamen viele auf den Gedanken, dem Betriebsübergang nach über einem Jahr zu widersprechen. Das wiederum führe zu einer legendären Entscheidungsserie des 8. Senats des BAG, der am 23.07.2009 ein halbes Dutzend „BenQ“-Entscheidungen rausfeuerte.
Sie sind legendär, weil sie vor allem das Feld einer „Verwirkung“ des Widerspruchsrechts absteckten wie nie zuvor. Da meist – wie bei Siemens/BenQ – die gesetzlichen Belehrungen falsch laufen, ist das die letzte Rettung der betroffenen Arbeitgeber. Man verwirke, so das BAG, wenn man
(a) zu lange warte (ein Jahr reicht), und
(b) über sein „Arbeitsverhältnis disponiert habe“.
Man nennt das Zeit- bzw. Umstandsmoment. Das wurde zum geflügelten Wort. Die Fantasie schoss ins Kraut: Ein Autor meinte gar, man solle im Wege einzelvertraglicher Vereinbarungen jedem Mitarbeiter nach dem Übergang 5 Cent Gehaltserhöhung bieten. Unterschreibe er, habe er „disponiert“ und man habe das Umstandsmoment (klappt allerdings nicht). Die BenQ-Entscheidungen, die dieses Jahr aus der BAG-Website verschwinden werden, sind bis heute der Referenzpunkt, wenn Sie sich um verspätetet Widersprüche streiten.
Ein ähnlich rechtsgeschichtlicher Schlag wird RIM in Deutschland nicht gelingen, weil die ja in Kanada sitzen. Aber es lässt hoffen für die Schwarzbeere. Zweimal dasselbe passiert einem Manager ja vielleicht genauso selten wie zwei Meteoriteneinschläge an derselben Stelle.
Ich habe sogar ein Playbook. Das ist übrigens ein Tablet, die „Konkurrenz“ zum iPad. Sie ist genauso gut, fand ich bislang. Nur: Keiner weiß, dass es sie überhaupt gibt. Ich behalte meine Schwarzbeeren trotzdem. So lange es geht…
Übrigens:
Mir wurde von informierter Seite zugetragen, was eigentlich der Unterschied zwischen iPhones und Blackberrys ist. In Berlin (Mitte/Prenzlauer Berg) jedenfalls. Kommen Sie mit einem iPhone in ein kreatives Café, blicken alle kurz von ihren Projekten auf, die auf lauter MAC eifrig getippt werden, um sich dann wieder ihrer Arbeit zu widmen. Knallen Sie einen Blackberry auf den Tisch und bestellten trotzdem Macchiato, starren alle Sie an, lassen die Arbeit liegen und den Mund offen. Denn: Sie müssen ja einen sozialversicherungspflichtigen Job, ein Arbeitsverhältnis haben. Woher sonst der Blackberry? Freischaffende haben Apple. Arbeitnehmer fallen auf. Im Café. In Mitte.