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04.10.2010
Schwangere sind nicht stressresistent und sollten deshalb gekündigt werden
Dieser Blog hat sich nicht radikalisiert. Wir haben uns auch nicht der Sarrazenenfraktion angeschlossen und sagen hier Dinge, von denen man wiederum nur sagen kann “das wird man doch wohl noch sagen dürfen…”
Nein, die Schwangere ist Fahrlehrerin und die Titelzeile gibt einigermaßen die Begründung wieder, warum ihr neuer Arbeitgeber sie kurz nach Arbeitsaufnahme gekündigt hat (Quelle: Bonner General-Anzeiger). Wie weiter berichtet wird:
“Auch der Anwalt der Fahrschule ist sich durchaus bewusst, dass eine Kündigung während einer Schwangerschaft in der Regel erfolglos bleibt.”
Na, wir gehen doch mal wirklich davon aus, dass ihm das so richtig ‘bewusst’ ist - wobei “in der Regel” falsch ist, es muss heißen “immer”. Steht in § 9 MuschG. Natürlich könnte man sich eine behördliche Genehmigung zur Kündigung besorgen (s. § 9 Abs. 3 MuschG), aber das ist hier weder versucht worden noch jemals aussichtsreich.
Deshalb ist der Kollege trotzdem kein Idiot. Liest man den Bericht aufmerksam, stellt man fest, dass sein Mandant den Vertrag angefochten hat, und zwar wegen arglistiger Täuschung. Zeugnisse seien “falsch”, weil sie sich vom Vorarbeitgeber im Streit und nicht aus Arbeitsmangel getrennt habe; stressresistent sei die Dame auch nicht, obwohl sie das behauptet habe, in einer Ferienfahrschule habe sie auch noch nie gearbeitet (wie behauptet, natürlich).
Die Anfechtung von Arbeitsverträgen ist nach § 119 und § 123 BGB möglich. Dabei handelt es sich nicht um Kündigungen. Das gesetzliche Verbot des § 9 MuschG erfasst diese Anfechtungen nicht. Allerdings kann man nur anfechten, wenn man sich über eine wesentliche Eigenschaft der Person getäuscht hatte (§ 119 Abs. 2 BGB) oder die Arbeitnehmerin selbst eine rechtswidrige Täuschung verübt hat (§ 123 BGB).
Da Angaben im Zeugnis ohnehin nicht das Papier wert sind, auf die sie geschrieben sind, weil die Rechtsprechung den Arbeitgeber nicht zu einer Beurteilung, sondern zu einer glatten Lüge verpflichtet, ist dieser “Anfechtungsgrund” allenfalls auf Comedy-Niveau einzureihen. Ernster ist es mit der Angabe des Beklagten, die Klägerin habe keine Erfahrungen in einer Fahrschule, die sie allerdings behauptet habe. Obwohl die Literatur (Rechtsprechung dazu fehlt) interessanterweise meint, die Leistungsfähigkeit sei keine “Eigenschaft”, über die man sich täuschen könne (eigentlich ist das doch die einzige Eigenschaft, die einen Arbeitgeber interessiert), kann es für den Arbeitnehmer eng werden, wenn er positiv etwas Falsches behauptet. Offenbar gibt es über solche Sachverhalte wenig Streit (deshalb auch wenig Rechtsprechung), aber 1982 (Urteil vom 16.09.1982 - 2 AZR 228/80) meinte das BAG mal, es berechtige zur Anfechtung, wenn ein handschriftlicher Lebenslauf verlangt werde, der Bewerber diesen aber von jemandem mit einer günstigeren Handschrift verfassen lasse. Wow.
Bei diesem Maßstab halten wir die Behauptung, man habe eine bestimmte Berufserfahrung (Ferienfahrschule) für anfechtungsrelevant, wenn sie nachweislich unwahr ist.
Auch Schwangere sind vor den Folgen einer dreisten Lüge nicht geschützt. Wenn es denn so gewesen ist, in Bonn, beim Arbeitsgericht…