Toilettenszene – beim Händewaschen.
Meister (männlich) – wäscht Hände.
Putzfrau (kommt dazu und stellt sich neben ihn).
Wortloses Anschauen.
Meister (senkt den Blick um 23,5 Grad in Richtung Putzfrauenausschnitt, dessen teilbedeckende Bluse wohl nicht offen war - dazu eingehend Liz Collet hier):
Sie haben aber schöne Brüste
(fasst eine der Brüste an)
Putzfrau:
Das möchte ich nicht.
Meister entschuldigt sich, verlässt den Raum und zahlt später freiwillig 100 EUR Schmerzensgeld.
Zugegeben, ein bisschen grob ist das schon, was auf Ulrich Schulze auf Betriebsrat2014.de so berichtet. Über das Urteil zum obigen Dialog (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.06.2013 – 7 Sa 1878/12), der tatsächlich (fast) so stattgefunden hat und zu einer fristlosen Kündigung des Meisters führte. Die hatte auch Erfolg – in der ersten Instanz. Nicht beim LAG. Das zeigt nur, wie beweglich und interpretationsoffen das Kündigungsschutzrecht ist. Arbeitgeber mit Vergleichsphobie tun sich daher selten einen Gefallen.
Denn man kann beide Seiten begründen. Das Nachtatverhalten zeigt klare Reue. Eine Abmahnung wäre sicher nicht erfolglos geblieben: Pro Abmahnung. Die sexuelle Belästigung ist ein starkes Stück und meist ähnlich unverzeihlich wie der unausrottbare Nazivergleich: Pro Kündigung. Das LAG hat gemeint, eine Abmahnung reiche aus und war sich da ein bisschen unsicher, denn es hat die Revision zugelassen. Was allerdings noch in Erfurt zu entscheiden wäre, ist ein unlösbares Rätsel, außer man unterstellt, es traue hier jemand seiner eigenen Bewertung des Sachverhalts nicht. Dafür sind Revisionen aber nicht da.
Uns hat indes etwas anderes in diesem Urteil aufgewühlt. Zutiefst. Auf Seite 14 des Urteils steht:
Die vorliegende Pflichtverletzung weist danach Besonderheiten auf, die im Rahmen der negativen Zukunftsprognose zu berücksichtigen sind und nicht den Schluss zulassen, der Kläger werde sich eine scharfe Abmahnung nicht zur Warnung gereichen lassen…
Das ist juristisches Deutsch für: „Eine scharfe Abmahnung hätte ihren Zweck nicht verfehlt (damit wäre dann eine Kündigung aber eben überzogen). Es gibt also noch Hoffnung für den Meister.“
Was ist daran so aufwühlend?
Ganz einfach: Was ist eine „scharfe“ Abmahnung?
Abmahnungen gibt es nicht mit Ampelsystemen, wie sie mal für den Fett- und Zuckergehalt von Nahrungsmitteln vorgeschrieben werden sollten.
Etwa:
- Grün = DuDuDu!
- Gelb = Jetzt aber!
- Rot = Sapperlot! Nun ist genug, ein- für allemal!
Nein. Abmahnungen gibt es nur als Abmahnung. Mit ihr soll der Arbeitnehmer auf einen Fehler aufmerksam gemacht werden. Es wird Gelegenheit zur Besserung gegeben. Es wird die Kündigung für den Wiederholungsfall angedroht. Das war’s.
Die scharfe Abmahnung ist eine richterliche Erfindung, die ein wenig feige ist. Sie fristet ihr Dasein in den Güteverhandlungen zu verhaltensbedingten Kündigungen. Dem Beklagten Arbeitgeber wird gesagt, Mensch, wir wissen gar nicht, wie wir das bewerten sollen, ist ja schon schlimm, aber kündigen? Dann wird über einen Vergleich geredet. Der Arbeitnehmer wird streng angeschaut. Aber nie wieder machen, ja, das war böse. Dann an die Adresse des Arbeitgebers: Geben Sie ihm eine scharfe Abmahnung, das muss ja reichen.
Wird der Mensch dann rückfällig, ist die schärfste scharfe Abmahnung eben nur eine (wenn auch scharfe) Abmahnung. Und beim gleichen Richter kann es dann im nächsten Jahr heißen, Mensch, nur einmal abgemahnt und gleich rausgeworfen? Ich weiß ja nicht…Was sollen Sie dann sagen? „Herr Richter, aber es war ja eine scharfe Abmahnung“?
Klappt nicht.
Deshalb ist es erschreckend, wenn so ein unsinniger Worthülsenbegriff schon ein Landesarbeitsgericht sprachlich infiziert. Ja, Gerichtsurteile bedienen sich einer oft als dröge empfundenen Sprache. Aber warum? Weil falsch verstandenen Blumigkeit eben zu Missverständnissen und damit zu Unklarheiten führt. Eine scharfe Abmahnung ist eben kein Mittelding zwischen Abmahnung und Kündigung.
Sie ist eben nur eine Abmahnung.
Also, liebes LAG: Bitte künftig nicht mehr so etwas schreiben. „Abmahnung“ reicht auch und wenn ihr glaubt, dass sie nicht reicht, müsst ihr den Delinquenten über die Klinge springen lassen, statt eine scharfe Abmahnung anzuempfehlen. Da nützt der unbegreifliche Weg einer Revision zum BAG auch nichts.
Falls das aber Schule macht, muss ein Wettbewerb zur Formulierung scharfer Abmahnungen ausgeschrieben werden. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch:
- Farbcode (siehe oben)
- Briefpapier mit einer Szene aus Dantes Inferno
- Spezielle Formulierungen („auf das Schärfste!“ „Jalapeño!“ „Peperoncino!“). Es obliegt der Tatsacheninstanz, ob die Zuordnung jeweils richtig vorgenommen wurde.
Dante und das Inferno sollten auf jedem Briefpapier als Wasserzeichen abgedruckt sein. Damit man sieht, wie Wiederholungstäter in der Hölle braten.